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Kinds of Kindness

Drei Episoden ergeben einen abendfüllenden Film. In der ersten Episode lebt Robert (Jesse Plemons) sein Leben, indem er sich von seinem schwerreichen Boss Raymond (Willem Dafoe) alles befehlen lässt - von seiner Nahrungsaufnahme bis zum Kinderwunsch. Doch dieses Leben bricht in sich zusammen, als Raymond etwas Unmögliches von Robert verlangt. In der zweiten Episode versucht der Polizist Daniel (ebenfalls Jesse Plemons) den Verlust seiner Frau Liz (Emma Stone) zu verkraften... mit verheerenden Folgen. In der dritten Episode befinden sich die zwei Sektenmitglieder Emily (ebenfalls Emma Stone) und Andrew (ebenfalls Jesse Plemons) auf der Suche nach einem neuen Heiland, der jedoch einige sehr verschiedene und obskure Voraussetzungen erfüllen muss. Ihre Suche führt sie dabei unter anderem in ein Leichenschauhaus...

Diesmal hat er sogar die Kritiker, die seine vorherigen Werke fast durchgehend ekstatisch umjubelten, ein wenig verprellt: Yorgos Lanthimos kehrte mit seinem Episodenfilm "Kinds of Kindness" zurück und machte es dabei besonders jenen schwer, die ohnehin schon immer mit seinem Regiestil und seinen bisweilen arg obskuren Geschichten fremdelten. Wer "Poor Things" also bereits nicht mochte, der wird sich mit diesem filmischen Experiment sicherlich ebenfalls nicht anfreunden können. Besonders, da bei einem Episodenfilm wie diesem ohnehin immer die Gefahr besteht, dass nach dem reinen, persönlichen Geschmack die eine Geschichte schwächer ist als die andere... und dies kann bereits bei nur einer von drei Storys, die man selbst vielleicht nicht schätzt, das Gesamtprodukt herunterziehen. Dabei wiederholt Lanthimos gewisse Themen so gewitzt, dass man tatsächlich den Eindruck eines kohärenten Bogens bekommen kann, obwohl die einzelnen Geschichten nichts miteinander zu tun haben. So geht es immer wieder um den menschlichen Partner, um Kontrolle und Verlust, um Nahrung, Beziehungen und letztendlich auch Machtstrukturen.
Mir persönlich gefiel die zweite Episode dabei am besten, da sie auf herrlich verstörende, bisweilen regelrecht schwarzhumorige Art und Weise einen Mann zeichnet, der langsam aber sicher in den Wahnsinn abdriftet und dabei selbst noch zu verstehen scheint, dass er gerade in ein Unglück segelt. Leider verliert diese Episode gegen Ende mit einigen höchst effekthascherischen Mitteln den Boden unter den Füßen und lässt einige Fragezeichen zurück. Die erste Episode überzeugt durch eine obskure Grundsituation, die ebenfalls nicht wirklich zufriedenstellend aufgelöst wird, dafür aber eine unangenehme Atmosphäre besitzt. Mit der dritten Episode konnte ich schließlich nichts mehr anfangen, denn dort verfällt Lanthimos schließlich dem von ihm bekannten Muster, letztendlich nur noch Wahnsinn um des Wahnsinns Willen zu inszenieren, wobei die Geschichte rund um einige Sektenmitglieder gerade hinsichtlich der Charaktere etwas zu klischeebelastet daherkommt und noch dazu einige Ideen mitliefert, die nicht wirklich zu Ende gedacht scheinen.
Lanthimos' Regiestil ist jedoch weiterhin bewundernswert - wie er Lichteinfälle nutzt, die Kamera positioniert und den stressigen Soundtrack, meist nur durch ein lautes Klavierklimpern oder einen ansteigenden Chor, nutzt, um die unangenehm dichten Atmosphären der einzelnen Geschichten schier greifbar zu machen, ist grandios. Das Ensemble, welches zu Teilen auch aus Lanthimos' langjährigen Wegbegleitern besteht, macht seine Sache gewohnt großartig. Hier ist neben einer mal wieder herrlich freidrehenden Emma Stone und einem wie immer brillanten Willem Dafoe aber vor allem "The Power of the Dog"-Star Jesse Plemons zu erwähnen, der gleich in zwei Episoden die eindeutige Hauptrolle spielt und dabei als in den Wahnsinn abdriftender Mann wie eine völlig obskure und bedrohliche Mischung aus Leonardo DiCaprio und dem jungen Philip Seymour Hoffman wirkt - in sehr positivem Sinne natürlich. Nur von Hong Chau hätte ich hier gerne mehr gesehen, denn diese hat in jeder der Geschichten leider weniger zu tun als es ihrem Talent angemessen gewesen wäre.

Fazit: Neue Fans wird Yorgos Lanthimos mit "Kinds of Kindness" wohl nicht gewinenn - schließlich macht es das Episodenformat noch schwerer, seinen obskuren und doppelbödigen Geschichten auch emotional zu folgen. Fans seines Schaffens werden für die bisweilen langwierigen Erzählungen aber mit einem bärenstarken Cast und einer atmosphärisch dichten Inszenierung, die das verstörnde Treiben rund umschließt, entlohnt.

Note: 3-



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