Die junge Influencerin Belle Gibson (Kaitlyn Dever) fühlt sich nicht gesehen, möchte sich aber unter dem Mangel an echten, sozialen Interaktionen einen Online-Traum aufbauen. Inspiriert von der mit ihrem Blog, auf welchem sie von ihrer Reise mit einer gefährlichen Krebserkrankung spricht, berühmt gewordenen Milla (Alycia Debnam-Carey) erfindet sie ihre eigene Geschichte und baut fortan eine Lügenstory rund um einen Hirntumor auf, den sie mit eigens kreierten Rezepten bezwingen möchte. Es dauert nicht lange, bis Belle Millionen von Followern auf Instagram vereint, die sie als Heldin verehren und an ihrem Kampf gegen den Krebs teilnehmen möchten. Von Belles Geschichte beeinflusst wird auch die krebskranke Lucy (Tilda Cobham-Hervey), die neuen Mut fassen kann, indem sie den Unwahrheiten der Influencerin folgt. Von Anfang an skeptisch reagiert dabei Lucys Freund Justin (Mark Coles Smith), der sogar glaubt, dass Lucy sich durch ihre Verehrung für eine unnahbare Influencerin in Gefahr begeben könnte...
Irgendetwas an ebenso unglaublichen wie realen Skandal-Geschichten scheint das Beste in Netflix zum Vorschein zu bringen. Ob es sich nun um erschütternde True-Crime-Hits wie die "Monster"-Serie handelt oder um reale Skandale aus der Welt der Influencer (zumeist in Serienform, denn dort ist Netflix nun mal immer noch am Besten) - diese Geschichten nachzuverfolgen, ist meist ganz große, aber auch ziemlich niederschmetternde Unterhaltung. Auch den Skandal rund um die Influencerin Belle Gibson, die ihre Follower-Schaft und auch ihre ganz realen Kontakte jahrelang belog und dabei schweren Betrug beging, hat sich Netflix hier zu Eigen gemacht und eine sechsteilige Mini-Serie kreiert, welche die ohnehin ziemlich großen Standards bei deren eigenen Shows locker erfüllt. Dabei ist es zu Beginn gar nicht so einfach, in den verzwackten Plot hineinzukommen, denn in den ersten drei Folgen springt die Serie nicht nur ziemlich flott zwischen vielen, handelnden Charaktern hin und her, sondern wechselt auch immer wieder die Zeitebene, springt Jahre vor und wieder zurück, um die Werdegänge der Figuren gegeneinander zu halten und das Publikum zumindest sanft darauf vorzubereiten, in welche Richtung sich diese Geschichte entwickeln wird. Trotz eines frühen Sogs fällt die Orientierung dabei nicht immer leicht und es dauert eine Weile, bis sich aus dem Regen an Informationen eine echte, geradlinige Dramatugie entwickelt - sobald man wirklich drin ist, ist die Serie dann auch schon wieder fast zur Hälfte vorbei.
Nach hinten raus ist dieser Ansatz aber nicht nur clever, sondern zahlt sich auch voll aus. Gerade die letzten Episoden leben ungemein gut von dem sehr detailreichen Beginn und kann die einzelnen Handlungsstränge passend zusammenknüpfen und sie in eine schier zwingende, aufrüttelnde Dynamik versetzen. Dabei zieht einem die Geschichte mehr als einmal brutal den Boden unter den Füßen weg und behält sich zeitgleich einen förmlich ätzenden Humor bei, bei dem einem das Lachen im Halse steckenbleibt. Denn was die eigentliche Hauptfigur, die eine der grausamsten und verstörendsten Narzistinnen überhaupt sein dürfte, hier immer wieder veranstaltet, ist in jeder Form erschütternd. Dabei lässt das Drehbuch nicht zu, dass die Figuren nur in Schwarz oder Weiß agieren dürfen und sogar diese unausstehliche Belle Gibson bekommt noch ein paar Szenen zugestanden, in denen sie ehrlicher und zugänglicher wirkt. Mehr als packend ist auch der Handlungsstrang rund um die Bloggerin Milla, der eine ganz eigene Atmosphäre mitbringt und diese eigentlich stille Heldin der Geschichte ebenfalls in ambivalenten Tönen zeichnet, an deren Ende letztendlich einer der schrecklichsten Tiefschläge der jüngeren Seriengeschichte sitzt - brillantes Storytelling, geschrieben vom Leben.
Und dann ist da natürlich noch Kaitlyn Dever. Die immer noch (gemessen an ihrem Talent) viel zu unbekannte, junge Schauspielerin beweist auch hier wieder, dass sie förmlich hinter Charakteren verschwinden kann. Als intrigantes, psychisch völlig vernebeltes Social-Media-Biest ohne jede Empathie und ohne Gespür für menschliche Gefühle, frisst Dever förmlich den Bilschirm auf, ohne dabei zu überzeichnen. Dever hat die ebenso gefaketen wie ehrlichen Ängste und Bedürfnisse ihrer Figur so dermaßen gut verinnerlicht, dass es schlichtweg unmöglich ist, die Augen von ihr zu lassen - man möge sie dafür bitte mit allen Preisen auszeichnen, die sie dafür erhalten kann. Wie gewohnt bei großen Mini-Serien auf Netflix ist aber auch das restliche Ensemble bis in die kleinste Nebenrolle grandios. Hervorstechen tut dabei vor allem die von ihrer Krankheit förmlich zerfressene und deswegen verbissen für sich und ihre Familie kämpfende Milla, gespielt von "Unfriend"-Star Alycia Debnam-Carey; und Ashley Zukerman, der als Belle's Quasi-Ehemann mit solch einem minimalistischen Ausdruck unter einer brodelnden Oberfläche agiert, dass er als emotionales und auch emotional völlig kompromittiertes Zentrum ungemein wichtig ist.
Fazit: Trotz leichter Startschwierigkeiten aufgrund proppenvoller Drehbücher ist die Geschichte rund um die Skandal-Betrügerin Belle Gibson so packend, so erschütternd und dreist, dass man sich ihr nicht entziehen kann. Wenn die Show in der zweiten Hälfte dann so richtig Schwung aufnimmt, gibt es kein Halten mehr - und Kaitlyn Dever ist als fieses Social-Media-Biest eine echte Naturgewalt!
Note: 2-
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