Direkt zum Hauptbereich

Jackie Brown

Quentin Tarantino hatte sich selbst vor eine gigantische, kaum lösbare Herausforderung gestellt. Nachdem er urplötzlich mit "Reservoir Dogs" und "Pulp Fiction" zwei absolute Meisterwerke geschaffen hatte und nun als neues Wunderkind des Kinos galt, spinksten natürlich alle auf seinen nächsten Film. Doch wie sollte er diesen gigantischen Erwartungen standhalten, wie sollte er diese beiden Wunderwerke noch toppen? Nun, ein erneutes Werk wie "Pulp Fiction" war eh nicht zu erwarten, da es zu einzigartig war, dennoch zog sich Tarantino 1997 mit seinem dritten Film achtsam aus der Affäre und lieferte mit "Jackie Brown" einen urkomischen, fantastisch inszenierten Thriller ab.

JACKIE BROWN


Ordell Robbie (Samuel L. Jackson) ist ein gefährlicher Verbrecher, welcher in letzter Zeit von der Polizei geschnappte Kumpanen per Kautionshilfe aus dem Gefängnis holt, um sie umzulegen, damit diese dann bei den Cops nichts über die Geschäfte ausplaudern können. Die nächste auf seiner Liste ist die Stewardess Jackie Brown (Pam Grier), welche mit zugesteckten Drogen und einem Briefumschlag voller Geld, welches an Robbie abgegeben werden sollte, erwischt wird. Um dem Gefängnis und auch der Pistole Robbies zu entfliehen, entwickelt Brown einen Plan, in welchem sie alle Beteiligten übers Ohr hauen möchte. Doch dafür braucht sie die Hilfe des Kautionsagenten Max Cherry (Robert Forster)...

Man kann Tarantinos Filme wohl nur hassen oder lieben. Ebenso wie der Großteil der Filmliebhaber unter uns gehöre ich definitiv zur zweiten Gruppe, auch wenn ich die beiden "Kill Bill"-Streifen nicht ganz so gut fand und mit dem miesen "Death Proof" so gar nichts anfangen konnte. Doch ansonsten liebe ich die dialoglastigen Streifen dieses wunderbaren Regisseurs und auch "Jackie Brown", Tarantinos wohl meist eher übersehener Film aus dem Jahr 1997, lebt von alledem, was seine anderen Meisterwerke auszeichnet: Eine wendungsreiche, vertrackte Story mit vielen Charakteren, in welcher man erst ganz zum Schluss wirklich weiß, was hier jeder von ihnen für ein Spiel spielt und mit einigen "Aha"-Effekten in den Abspann entlassen wird. Grandios geschriebene und ebenso meisterhaft vorgetragene Dialoge, die so scharf und treffsicher sind, dass man den namhaften Darstellern förmlich an den Lippen hängt. Überraschende Brutalität, wie sich nur Tarantino erlauben kann. Kein anderer Regisseur würde wohl anderthalb Stunden damit verbringen, seine vielschichtigen Charaktere haarklein einzuführen, um sie dann in wenigen Sekunden über den Haufen zu pusten. Er tut es trotzdem und verfehlt so seine Wirkung nicht, wirkt dabei nicht kalt, aber konsequent und tut dies nur im Dienste der Geschichte und nicht, um effekthascherisch zu wirken. Erneut konnte Tarantino auch ein großartiges Ensemble vereinen. Robert De Niro ist absolut herrlich gegen den Strich besetzt, Pam Grier ist quasi das Nonplusultra der starken Frauenfiguren, Bridget Fonda gibt ihrer kleinen Rolle unglaublich viel Feuer und Erotik, ohne diese billig zu machen und Michael Keaton und "Lost"-Star Michael Bowen als Cops sind jeden Cent wert. Die heimlichen Stars sind jedoch ein vollkommen losgelöster Samuel L. Jackson als nicht gerade cleverer, aber mordsgefährlicher Gangster Ordell Robbie, welcher den Finger so gut wie immer am Abzug trägt, und Robert Forster als gutmütiger Kautionsagent Cherry, welcher es gar nicht abwarten kann, seinem nach eigener Aussage langweiligen Leben Auf Wiedersehen zu sagen und mit der verführerischen Brown ein Abenteuer zu erleben. Für diese Rolle wurde Forster voll verdient für einen Oscar als bester Nebendarsteller nominiert. Tarantino hat seine Geschichte immer unter Kontrolle, inszeniert sie spannend wie einen gigantischen Thriller und sorgt mit den gewaltigen Dialogen für viel Humor. Ab und zu macht sich die Überlänge, besonders in der zweiten Hälfte und in einem ausschweifenden Finale, dann aber doch bemerkbar und sorgt für einige Hänger, welche auch die feurigen Gespräche nicht ausmerzen können. Es kommt sogar ab und zu ein bisschen Langeweile auf und auch wenn Tarantino diese Überlängen so gut wie immer nutzt, schlägt er sich hier nicht über die kompletten zweieinhalb Stunden wacker. So ist "Jackie Brown" sicherlich ein sehr guter Film, aber doch zu lang geraten, was ihm trotz grandioser Schauspieler, cleverer Dialoge und einer spannenden Geschichte mit top ausgearbeiteten Charakteren den Status zu einem weiteren Meisterwerk verwehrt.

Note: 2-





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid