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Tödliche Versprechen - Eastern Promises

Mal so ganz nebenbei: Ich habe mal mit David Cronenberg gedreht. Mittlerweile ist dieses Erlebnis schon über fünf Jahre her, aber ich durfte tatsächlich drei Tage am Set des Cronenberg-Streifens "A Dangerous Method" verbringen, an der Seite von Stars wie Keira Knightley und Michael Fassbender. Drei Jahre zuvor drehte Cronenberg bereits einen Film, in dem bereits zwei Schauspieler aus der Besetzungsliste des Psycho-Dramas vertreten waren: "Eastern Promises" mit Viggo Mortensen und Vincent Cassel wurde zum Kritikerliebling und bescherte ersterem sogar eine Oscar-Nominierung...

TÖDLICHE VERSPRECHEN


London: Nach dem Tod der minderjährigen Tatiana (Sarah-Jeanne Labrosse), die noch in letzter Sekunde ihr Kind gebären kann, fällt der Hebamme Anna Chitrova (Naomi Watts) das Tagebuch des Mädchens in die hände, wo sie über ihre grausamen Erfahrungen in den Fängen der russischen Mafia-Gruppierung "Wory w Sakone" berichtet. Anna forscht näher nach und stößt so auf einen der Köpfe der Gruppierung, Semjon (Armin Mueller-Stahl). Auf der Suche nach Familienmitgliedern des Waisenkindes trifft Anna auch auf Semjons Sohn Kirill (Vincent Cassel), der zusammen mit seiner rechten Hand Nikolai (Viggo Mortensen) für Schrecken in London sorgt...

David Cronenberg ist bekannt für seine Genre-Filme, die sich völlig abseits des Mainstreams bewegen. Physisch und psychisch brutal scheut er sich nicht, auch Wege zu bestreiten, die man als unkonventionell beschreiben darf und dabei auch mal Risiken einzugehen. Dies zeigt sich nun auch in dem Mafia-Thriller "Tödliche Versprechen" aus dem Jahr 2007, ein Film, der eben nicht so abläuft, wie man sich das vorgestellt hat. Auch wenn innerhalb der Geschichte immer wieder ein wenig zu durchsichtig gespielt wird, die Story an sich zu vorhersehbar gerät und auch der ganz große Mindfuck, der alles auf den Kopf stellen soll, nicht wirklich gut funktioniert, so hat Cronenberg doch einen Film abgeliefert, der gegen den Strom schwimmt. Gewaltszenen gibt es nur sehr wenige, ansonsten verlässt man sich auf geschliffene Dialoge, eine starke Inszenierung und das grandiose Spiel der Stars, die sich hier gegenseitig die Bälle zuspielen. Viggo Mortensen braucht hier länger, um richtig in den Fokus zu rücken, doch ganz gleich ob im Hintergrund oder später als führender Charakter, seine Leistung ist so beachtlich, dass man in ihm keinen "Aragorn" mehr erkennt, sondern nur noch einen Mann, der voll und ganz hinter seiner Figur verschwindet: Eine beeindruckende Leistung, die zu den besten von Mortensens Karriere gehören dürfte. Mindestens ebenso beeindruckend gibt sich hier der deutsche Hollywood-Export Armin Mueller-Stahl, der als Oberhaupt der russischen Familie hinter der Fassade eines liebenswerten Seniors für Angst und Schrecken sorgt und bei dem jede Geste, jedes Wort für Gänsehaut sorgt. Vincent Cassel hat indes weniger Zeit, seine Facetten auszuspielen, weiß aber auch mit einer unkontrollierten, wilden Performance zu gefallen. Einzig die Frau im Bunde bleibt ein wenig zurück, denn obwohl Naomi Watts mehrere, wirklich gute Szenen hat, wird sie von ihren männlichen Kollegen stets an die Wand gespielt, verkommt mehr zum Spielball als zu einem führenden Individuum. Ein wenig störend wirkt sich auch der letzte Clou aus, denn wo Cronenberg seine zuvor düstere, heftige und unkonventionelle Art durchgedrückt hat (so zum Beispiel in einer der schmerzhaftesten Kampfszenen der Filmgeschichte, die der wunderbar mutige Viggo Mortensen hier nackt und ohne Double bestreitet), wird er gegen Ende mit einem recht einfachen Schlussakt doch zu rührselig und verschenkt seine Intensivität zugunsten von Mainstream, was so nicht zum Rest des Films passen will. Ein wenig unausgegoren kommt "Eastern Promises" also daher, dank fabelhafter Schauspieler, einer spannenden Geschichte, einem guten Tempo und einer perfekten Inszenierung bleibt dennoch ein starker Thriller, der nicht alle seine Elemente und Subplots ausreichend verbinden kann, wodurch einige Logiklücken bleiben, der aber dennoch noch länger nachwirkt. Ein echter Cronenberg-Film eben!

Note: 3+


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