Direkt zum Hauptbereich

Who Am I - Kein System ist sicher

Der deutsche Thriller hat im Kino seit jeher einen recht schweren Stand und es kam seit den 80ern nicht mehr vor, dass ein solches Genre aus dem deutschen Raum mal den ersten Platz der Kinocharts belegte. An "Who Am I" musste man trotz der Erklimmung der Charts nun dennoch nicht ganz so hohe Erwartungen haben, denn die bisherigen Erfahrungen mit deutschen Thrillern waren ja oftmals nicht so wirklich top. Überraschenderweise ist aber wirklich ein recht überzeugender Film dabei herumgekommen, der einige Storyschwächen durch hohes Tempo und intensive Schauspielleistungen wieder ausgleicht.

WHO AM I


Benjamin Engel (Tom Schilling) hat soeben wegen eines versuchten Hacks vom Gesetz was auf die Mütze bekommen, als er Max (Elyas M'Barek) kennenlernt. Dieser ist ebenfalls Hacker und will sich, gemeinsam mit seinen Kollegen Stephan (Wotan Wilke Möhring) und Paul (Antione Monot, Jr.) den Respekt und die Aufmerksamkeit des mysteriösen Oberhackers MRX sichern, weswegen sie sich die großen Konzerne vornehmen wollen. Mit der Hilfe des technikbegabten Benjamin gelingt der Gruppe, die sich nun CLAY nennt, auch einige verheißungsvolle Coups. Als Benjamin jedoch eines Tages bei einem Verbrechen zu weit geht, ist plötzlich nicht nur Europol hinter den vier Hackern her, sondern auch noch ganz andere Gestalten, die sich die Cyber-Mafia nennen und die lieber Waffen statt Worte sprechen lassen...

Optisch hat man sich mit diesem deutschen Werk tatsächlich den ganz großen Jungs aus Hollywood angenähert. Würde da nicht mal der Fernsehturm auf der Skyline emporragen oder würden die Hauptfiguren eben nicht bekannte, deutsche Namen tragen, man könnte sich hier beinahe in einem amerikanischen Thriller wähnen, so sehr sieht es optisch durch aufwendige Kamerafahrten, schnelle Schnitte und aufwendige Sets danach aus. Und auch sonst lässt sich "Who Am I" viel von seinen größeren Kollegen inspirieren, der Film zitiert und klaut auch gerne mal schamlos von den großen Vorbildern. Das führt zwar dazu, dass der Thriller trotz toller Ideen nicht immer ganz auf eigenen Beinen stehen kann und dabei auch so einige ermüdende Genre-Klischees bei voller Fahrt mitnimmt, wenn das Ganze aber so spannend inszeniert es wie hier, soll einen das erstmal gar nicht so groß stören. Von Anfang an legt "Who Am I" ein starkes Tempo an den Tag, lässt die Pausen zwischen den einzelnen, stets intensiv inszenierten Coups der Hacker-Gruppierung CLAY nie zu lang werden. In ruhigeren Momenten dürfen wir dafür dann einigen wirklich nett geschriebenen Charakteren zu sehen. Gut, nicht immer kommen sie über Klischees hinaus, dennoch ist die Figurenkonstellation hier interessant und verfehlt ihr Ziel nicht: Spannend zu unterhalten. Einzig der Subplot um das unvermeidbare Mädchen, welches Benjamin so toll findet, dass er sich durch seine Taten ihre Aufmerksamkeit erhofft, kommt etwas merkwürdig daher und der ein oder andere durch sie ausgelöste Konflikt ist dann sogar so banal und konstruiert, dass er die spannende Haupthandlung auch mal ausbremst. Da passt es sogar, dass die Frau namens Marie mit Hannah Herzsprung besetzt wurde, dem klassischen Vorbild für maues, unnatürliches Spiel, was sie auch hier wieder unterschreibt. Dafür kann der Rest der Besetzung überzeugen: Tom Schilling ist intensiv, verschmilzt mit seiner Rolle und weiß besonders in der zweiten Hälfte, wenn sein Benjamin Engel immer wieder gefährlich in die Ecke gedrängt wird, zu packen. Elyas M'Barek genügt eine Routine-Leistung, richtig gefordert wird er nicht, dafür kann er durch sein besonders körperbetontes Spiel aber dennoch mitreißen. Ein wenig seltsam mutet Wotan Wilke Möhring an: Er spielt gut, doch seine Figur ist dann eben dennoch so hart am Klischee, dass man ihn nicht wirklich genießen kann, obwohl er sich hier sichtlich austoben darf. So richtig überzeugend ist der Film in den ersten zwei Dritteln dann trotz des hohen Tempos und der spannenden Geschichte nicht so ganz, dafür kann "Who Am I" dann aber doch recht unvermittelt mit der ein oder anderen Wendung gegen Ende aufwarten, die man so nun definitiv nicht kommen sieht, auch wenn die Macher uns schon früh einige Hinweise darauf geben. So ganz auf Logik überprüfen sollte man diese Wendungen nun zwar nicht (ebenso wie den ganzen Film nicht, denn da passt schon einiges nicht zusammen und Benjamin und Co. kommen oftmals eben nur soweit, weil sich ihre "Gegenspieler" reichlich blöde anstellen), aber immerhin überraschen sie und geben dem Werk doch einiges an Unvorhersehbarkeit und Wind. Fazit: Spannend, flott, gut gespielt. Die Story hat zwar einige Lücken und so manches tumbe Klischee nervt, dank einer intensiven Inszenierung ist der Unterhaltungswert dieses deutschen Thrillers aber doch ungeahnt hoch.

Note: 3+


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid