Kinobesuche werden einfach nicht langweilig, man erlebt ständig was Neues. Zumindest ist es mir persönlich noch nie passiert, dass ein anderthalbstündiger Film eine zehnminütige Pause innehatte, in welcher sich die Leute beruhigen sollten... so sagte es mir zumindest die Kassiererin, die mir dann sogar noch zu der Kinokarte eine Kotztüte (!) überreichte. So kann man natürlich auch Werbung machen und mir wurde glatt ein wenig mulmig zumute. Gebraucht habe ich die Tüte dennoch nicht, aber irgendwie ist der Hype um diese neue Art Stilmittel doch berechtigt...
HARDCORE
Der eigentlich versorbene Henry erwacht in einer Forschungsanstalt bei der Wissenschaftlerin Estelle (Haley Bennett), die sich ihm als seine Ehefrau vorstellt. Henrys Gedächtnis wurde gelöscht und die Schwere seiner Verletzungen machten es nötig, seinen Körper beinahe vollständig mit Technik auszurüsten: Henry ist eine Art menschlicher Roboter. Das könnte ja eigentlich ganz cool sein, wären da nicht nur einige richtig fiese Schergen unter der Führung des der Telekinese mächtigen Akan (Danila Kozlovsky) hinter ihm her, die keine Waffengewalt scheuen...
Sowas gabs tatsächlich noch nie: In bester Ego-Shooter-Manier (für Nichtkenner: das sind Games wie "Counter Strike" oder "Bioshock", in welchem man die Geschichte ausschließlich aus der Perspektive des Charakters verfolgt) sehen wir jeden einzelnen Moment aus den Augen des handelnden Protagonisten. Sowas hat eben doch noch keiner versucht und ich war neugierig auf das Experiment, auf welches sich Produzent Timur Bekmambetov und Regisseur Ilya Naishuller hier eingelassen haben. Und interessant war es irgendwie, denn all die halsbrecherischen Actionszenen aus einem ganz neuen, manchmal verwirrenden und verdammt rasanten Blickwinkel zu sehen, das hat zumindest zu Beginn etwas. Wie befürchtet nutzt sich dieses Stilmittel aber mit fortschreitender Laufzeit ab und ruft eher Schwindelgefühl und Orientierungsschwierigkeiten denn Spannung hervor. Dass die Macher optisch das Beste herausholen, kann man ihnen nicht absprechen, denn kreativ und vor allem extrem brutal geht es hier zur Sache, bis zu einem vollkommen abgefuckten Finale auf einem Hochhausdach. Langweilig wird es bei diesem kaum stillstehenden Action-Feuerwerk sicher nicht und die Macher liefern uns immer neue Locations und Ideen, um den Gaul am Laufen zu halten. Es gelingt aber dennoch nicht, denn sobald man sich an den Look gewöhnt hat und auch die kreative Brutalität akzeptiert hat, bleibt kaum mehr etwas übrig. Die Story ist totaler Murks und ergibt von vorne bis hinten kaum einen Sinn, führt nur stets von einer Baller-Orgie zur nächsten Actionszene. Man fühlt sich, als würde man einem Freund bei einem mäßig guten Shooter über die Schulter gucken... was auf Dauer eben auch langweilig wird, wenn man mal nicht selbst an den Controller darf. Der Bösewicht ist lächerlich, der romantische Subplot um die ständig entführte Frau ist es ebenfalls, einzig Sharlo Copley holt in den Rollen (!) mit der meisten Screentime noch einiges raus... allerdings ist seine Background-Erklärung dann auch eher dürftig. Und der Hauptdarsteller? Den bekommen wir hier weder zu sehen noch zu hören, der stumme Charakter sagt kein einziges Wort und da wir das Geschehen eben ausschließlich aus seinem Blickwinkel verfolgen, bekommen wir ihn auch nicht zu Gesicht. So etwas muss man sich auch erstmal trauen, immerhin muss man den Machern aber zu Gute halten, dass dieser Mann namens Henry einem durch klitzekleine Gesten schnell sympathisch wird... ohne dass wir ihn sehen oder hören. Das bringt aber leider wenig, da sich das stupide Geballer, der makabere Humor und die vollkommen schwachsinnige Geschichte irgendwann wiederholen und nur mit Müh und Not auf 92 Minuten kommen. Es war ein wirklich nettes Experiment und ein Wagnis, aber ich brauche es nicht nochmal. Fazit: Reichlich obskurer, wilder und lauter Actionfilm mit neuartigem Look und frischen Ideen, dem jedoch schnell die Puste ausgeht und dessen lachhafte Geschichte so gar nicht zieht.
Note: 4
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