Musical-Verfilmungen sind immer eine heikle Angelegenheit, denn nicht immer gelingt es den Filmemachern, die Imposanz eines Stückes von der Bühne auf die Leinwand zu übertragen. Kein Wunder, dass es seit der Premiere von "Les Miserables" im Jahr 1985 noch so lange dauerte, bis sich endlich jemand an eine Verfilmung dieses in New York ununterbrochen laufenden Epos' zu wagen. Doch das Wagnis hat sich gelohnt: Neben jubelnden Kritikern, drei Oscars und einem hohen Einspielergebnis ist auch noch ein wirklich guter Film dabei herausgekommen.
LES MISERABLES
Jean Valjean (Hugh Jackman) flieht vor dem Gesetz und baut sich in den Jahren vor der Französischen Revolution 1832 ein neues Leben auf, wird von dem brutalen und eiskalten Inspektor Javert (Russell Crowe) jedoch noch immer gejagt. Valjeans Flucht führt ihn zu einem jungen Waisenkind, welches er aufzieht, um damit seine früheren Sünden zu begleichen. Die kleine Cosette (Amanda Seyfried) wächst bei ihm auf, doch als die Revolution schließlich beginnt und Cosette sich in den jungen Rebellen Marius (Eddie Redmayne) verliebt, droht Valjeans neues Leben langsam zu zerbrechen...
"Les Miserables" unterscheidet sich schon allein von seinem wesentlich härteren und schmutzigeren Ton von anderen Musicals. Hier gibt es keinen Glanz und Glamour, hier wird wahre, ehrliche Dramatik aufgezeigt und dies auch ohne Verschönerungen, ganz gleich, ob es sich dabei um unerwiderte Liebe, um Prostitution, Kindesmisshandlung oder um den Krieg handelt, der etliche Todesopfer fordert. Diesem Tonfall bleibt auch die Verfilmung treu und einige Male muss man angesichts der Brutalität und des morbiden Humors, der tiefen Dramatik und dem mehr als konsequenten Umgang mit den Hauptfiguren schon schwer schlucken.
Da zeigt bereits die erste Szene, in was für einer Art Film wir uns hier befinden. Zu mächtigem Gesang sehen wir hunderte Sklaven, die ein gigantisches Schiff aufs Trockendoch hieven, Gänsehaut ist dabei vorprogrammiert. Während der nächsten zweieinhalb Stunden findet Regisseur und Oscar-Preisträger Tom Hooper immer wieder grandiose Bilder. Dank einer phänomenalen Ausstattung und einer meisterhaften Kameratechnik bringt er ein wahres Epos auf die Bühne, er kleckert nicht, er klotz: "Les Miserables" sieht durchgehend viel teurer aus als die noch recht moderaten 60 Millionen Dollar Budget und schenkt uns Bilder, an die wir uns noch lange erinnern.
Die etwas schleppende Erzählweise kann aber auch durch solcherlei Eye-Catcher nicht ganz ausgeglichen werden. Zwar ist es wichtig, die actionlastigere zweite Hälfte punktgenau vorzubereiten, dennoch hätte man sich in der ersten Hälfte durchaus ein wenig mehr Fahrt gewünscht, denn es gibt doch einige deutliche Längen zu beklagen. Auch wurde selbst mir als Musical-Fan ein wenig zu viel gesungen, einige Dialogpassagen mehr hätten dem Werk wenig geschadet, besonders da sich manches Lied doch etwas im Kreis zu drehen droht und die Geschichte um Jean Valjean selbst mit fortschreitender Dauer immer langsamer vom Fleck kommt. Da man sich jedoch so viel Zeit nahm, wächst die Dramatik immer weiter und kann sich in der zweiten Hälfte vollkommen entladen. Mit den besten Songs des ganzen Musicals und einigen großartigen Szenen, während welchen sich Filmfans mehrfach die Tränen wegwischen müssen, wird uns hier wahres Kinofutter präsentiert, sowohl für die Augen als auch fürs Herz. Nicht jeder Subplot weiß dabei vollkommen zu überzeugen, so zum Beispiel die Nebenhandlung um die doch etwas nervigen Schankenbesitzer, insgesamt findet Hooper aber ein nettes, nicht zu schnelles Tempo, um uns zu packen, auch wenn man das Gesamtprodukt ein wenig hätte straffen können.
Die Schauspieler wurden indes mehr als bei anderen Musical-Produktionen gefordert: Wo in anderen Musicals wie "Sweeney Todd" die Songs schon Wochen zuvor im Studio eingesungen werden und am Set dann zum Playback agiert wird, so ließ Hooper seine Stars hier live singen, was definitiv ein Plus an Ausdruck und Ausstrahlung zur Folge hat. Am stärksten im Gedächtnis bleibt hier die für diese Rolle mit dem Oscar ausgezeichnete Anne Hathaway, die in ihren Einzelszenen so dermaßen intensiv zur Sache geht, dass man die Augen kaum abwenden kann. Hugh Jackman und Russell Crowe müssen da erwartungsgemäß zurückstecken, überzeugen aber auch durch gewaltige Präsenz, während Eddie Redmayne als Jungspund, der seine große Liebe trifft, überzeugt. Diese wird von Amanda Seyfried verkörpert, die im direkten Vergleich weniger zu tun hat, und der von der aus dem Original-Musical herübergeholten Samantha Barks als Eponine mehrfach die Schau gestohlen wird.
Fazit: Bildgewaltiges Musical mit grandiosen Schauspielern, wunderbaren Songs und rührender, bewegender Dramatik. Zwischendurch gibt es deutliche Längen, die Geschichte und besonders Tom Hoopers gewaltige Inszenierung wissen dennoch zu packen.
Note: 2-
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