Direkt zum Hauptbereich

Nocturnal Animals

Das Filmjahr 2016 war rückblickend kein wirklich Gutes, auch wenn mal wieder einige wunderbare Perlen dabei waren (was auch mein baldig auf diesem Blog erscheinender, kleiner Jahresrückblick aufzeigen soll), so gab es auf jeden guten Film wohl mindestens zwei herbe Enttäuschungen. Die Kritiker versprechen uns mit "Nocturnal Animals" zum Jahresende hin eines der grandiosen Highlights des Jahres, einen der besten Filme 2016, der hier in Deutschland quasi noch auf der Zielgerade anläuft. Ob diese Vorschuss-Lorbeeren gerechtfertigt sind oder ob es wir hier doch nur wieder mit einer filmischen Enttäuschung zu tun haben, könnt ihr in meiner Review lesen...

NOCTURNAL ANIMALS


Susan Morrow (Amy Adams) betreibt ein Kunstmuseum in Los Angeles. Eines Tages bekommt sie von ihrem Ex-Ehemann Edward Sheffield (Jake Gyllenhaal) ein Manuskript seines neuen Romanes zugeschickt, welchen er ihr gewidmet hat. Darin wird der Familienvater Tony Hastings (ebenfalls Jake Gyllenhaal) Opfer des Verbrechers Ray Marcus (Aaron Taylor-Johnson). Tony schwört auf Rache und schließt sich mit dem Polizisten Bobby Andes (Michael Shannon) zusammen. Je weiter Susan in dem Roman liest, desto mehr erkennt sie die Zusammenhänge zwischen der Geschichte und ihrem realen Leben... und begreift bald, wieso Edward ihr den Roman gewidmet hat.

Ebenso wie bei "Assassins Creed", den ich nur kurz vor "Nocturnal Animals" sah und dessen Kritik gestern auf meinem Blog online kam, halten auch diesmal die Kritiken ihr Wort: Der doppelbödige Thriller von Regisseur Tom Ford gibt uns kurz vor Jahresende noch einmal einen der besten Filme des ganzen Jahres. Für die Spitzenposition reicht es nicht, diese wird noch immer von einem anderen Drama belegt, aber unter die Top 5 dürfte "Nocturnal Animals" es locker schaffen, denn ich war schon lange nicht mehr so intensiv durchgeschüttelt nach einem Kinobesuch. 
Alleine die ersten Bilder des Vorspanns sind so dermaßen neben der Spur, so sehr weg von dem, was man erwartet, dass man bereits weiß, dass Ford hier noch Großes vorhat. Und in der folgenden Stunde entwickelt er dann tatsächlich einen grandiosen Thriller, der hochspannend inszeniert ist, mit Klischees spielt und diese umdreht und welcher mit einer Doppelbödigkeit ausgestattet ist, durch welche man die ganze Geschichte niemals vollständig durchschauen kann... selbst nach dem Rollen des Abspanns nicht, denn dort wird nach der letzten Szene, die auch mich bis jetzt noch einigermaßen verwirrt zurücklässt, noch einiges an Diskussionsbedarf aufkommen. Wie Ford die fiktive Geschichte aus Edwards Roman präsentiert und diese clever mit der Realität verknüpft, dabei immer wieder kleine Brotkrumen in richtige und falsche Richtungen ausstreut, das ist wahrlich meisterhaft. Auch bildhaft wird das Werk grandios inszeniert, mit einer fantastischen Kamera und einem herausragenden Setdesign entstehen dabei Bilder, die man so schnell nicht mehr vergisst und die zu den erinnerungswürdigsten und intensivsten des gesamten Kinojahres gehören dürften. 
Hätte man diese Schlagzahl durchgehalten, "Nocturnal Animals" wäre sicherlich der beste Film des Jahres und der einzige Film des Jahres geworden, der von mir mit einer Einser-Note ausgezeichnet worden wäre. Die meisterhafte erste Hälfte kann dann aber nicht mehr getoppt werden, denn obwohl Tom Ford uns noch immer cineastisch auf hervorragendem Niveau unterhält, kommt es schließlich doch zu einigen winzigen Längen und gerade die Auflösung des ganzen "Warum" ist ebenfalls ein wenig schwach auf der Brust, ebenso wie die finale Auseinandersetzung der beiden feindlichen Parteien, die nicht das selbe Feuer hat, wie deren erste Begegnung, welche es unter die besten Szenen der Filmgeschichte schaffen dürfte, denn eine solch intensive Spannung habe ich selbst in diesem Genre nur sehr selten erlebt. 
Getragen wird der Film auch durch ein fabelhaftes Schauspiel-Ensemble, welches sogar grandiose Talente wie Michael Sheen, Jena Malone, Isla Fisher und Armie Hammer in Nebenrollen zu Top-Leistungen bringt. Der Fokus liegt jedoch auf anderen vieren und man muss erneut beschreien, dass Jake Gyllenhaal endlich seinen Oscar bekommen muss, denn eine solche Leistung, in welcher er sich emotional schlichtweg vor dem Publikum entkleidet, scheint gar nicht mehr steigerbar zu sein: Ein weitere, meisterhafter Auftritt eines der talentiertesten Schauspielgesichter unserer Zeit. Neben ihm glänzt auch Amy Adams mit einer weiteren, zeitlosen Performance. Wie sie es schafft, in wenigen Sekunden nur durch ihren Ausdruck ganz große Emotionen und Zusammenhänge zu erschaffen, das ist schon ganz großes Schauspiel. Und dann sind da auch noch ein herrlicher Michael Shannon sowie Aaron Taylor-Johnson ist seiner womöglich besten, bisherigen Darstellerleistung, denn wenn er als ekelhaft kranker und psychopathischer Ray auftritt, dann frisst er beinahe die Leinwand auf.
Fazit: Herrlich verzwickter Thriller mit doppeltem Boden, der uns unvergessliche Bilder, meisterhafte Schauspieler und eine wendungsreiche Geschichte bietet, die uns den Boden unter den Füßen wegzieht. Intensives Kino der ganz besonderen Art!

Note: 2




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Meine Erstsichtungen vom 08.07.24 bis zum 14.07.24

Girl You Know It's True: Musiker-Biopic von Simon Verhoeven, mit Tijan Njie, Elan Ben Ali, Matthias Schweighöfer, Bella Dayne, Mitsou Young und Graham Rogers Dem Film über das umstrittene Musik-Duo Milli Vanilli gelingt das Kunststück, einerseits ungemein unterhaltsam zu sein und andererseits einen der größten Skandale der Musikgeschichte zu erzählen, ohne ihn großartig auszuschlachten. Stattdessen gibt der Film den beiden verrufenen Künstlern ihre Würde zurück, indem er die Hintergründe des Aufstiegs und Falls der beiden Ikonen genau dezidiert und dabei nicht wütend mit dem Finger auf einen bestimmten Schuldigen zeigt - das ist dann auch für Kenner noch hochinteressant, bisweilen spannend und mit einigen emotionalen Tiefschlägen ausgestattet. Trotz einiger Längen hält Simon Verhoevens Regie den Film durchweg am Leben, die Musikszenen sind energetisch inszeniert. Zudem wissen nicht nur Tijan Njie und Elan Ben Ali in den Hauptrollen durchweg zu überzeugen, sondern auch Matthias Schw...

Cold Comes the Night

Die alleinerziehende Mutter Chloe (Alice Eve) leitet ein heruntergekommenes Motel, wo immer wieder zwielichtige Gäste eintrudeln und sogar die örtlichen Prostituierten ein Zimmer nehmen, um sich mit ihren Kunden zu vergnügen. Für Chloes Tochter Sophia (Ursula Parker) ist dies kein geeigneter Wohnort, findet das Jugendamt, und droht deswegen sogar damit, sie Chloe wegzunehmen. Als eines Abends ein mysteriöser Reisender (Bryan Cranston) um ein Zimmer für eine Nacht bittet und sich bereits am Empfang merkwürdig verhält, wird Chloe bereits hellhörig. In der Nacht fallen plötzlich Schüsse und zwei Bewohner der Appartements werden tot aufgefunden. Doch ist dies erst der Beginn einer wahren Tortur, durch welche Chloe in den nächsten Stunden noch wird gehen müssen... Es gibt durchaus einige Filme, bei denen ich mich nachträglich mehr als gewundert habe, warum diese nicht das Licht der Leinwand erblickt haben, sondern direkt für den Heimkinomarkt ausgewertet wurden - noch vor Zeiten von großen ...