Direkt zum Hauptbereich

Focus

Will Smith brauchte 2015 dringend mal wieder einen neuen Hit. Seit "I Am Legend" 2007 liefen seine Filme allesamt recht deutlich unter den Erwartungen und 2013 winkte mit dem Mega-Flop "After Earth" glatt der negative Höhepunkt seiner Karriere. Auch "Focus" sah nun nicht unbedingt danach aus, als würde es der nächste große Blockbuster werden... aber möglicherweise ein guter Film, der auch Smith wieder ein wenig ins rechte Licht rücken würde. Herausgekommen ist dabei ein ebenso unterhaltsamer wie unnötig verworrener Trip in eine Welt der Betrüger, der nach und nach immer mehr an Tempo und Esprit verliert.

FOCUS


Als die junge Taschendiebin Jess Barrett (Margot Robbie) versucht, den ebenfalls im Betrüger-Business lebenden Nicky Spurgeon (Will Smith) zu überfallen, wird sie von ihm ziemlich rasch enttarnt. Dennoch sieht Nicky Potenzial in ihr und nimmt sie in sein rund dreißigköpfiges Team auf, welches unter der Woche mit Diebstählen und Trickbetrügereien Millionen verdient. Jess lernt schnell und steigt in der Branche auf, wobei sie sich auch auf eine Beziehung mit Nicky einlässt. Dieser gerät jedoch bald in einen gefährlichen Job und die Wege der Verbrecher kreuzen sich dabei auf unvorhergesehene Weise...

Ja, unvorhergesehen ist hier tatsächlich das richtige Wort, wenn man von der ersten Hälfte des Filmes "Focus" spricht. Ich habe nicht zu viel erwartet, aber die ersten fünfzig Minuten haben mich dann doch gänzlich überzeugt. Die beiden Regisseure Glenn Ficarra und John Requa spielen auf clevere Art und Weise mit den Erwartungen des Zuschauers, schaffen es durch manch einen Trick sogar, diesen ab und an hinters Licht zu führen. Der Einstieg in die Welt der Menschen, die sich an den Reichen bedienen, ihnen ihre Sachen abluchsen und dabei selbst einiges an Geld verdienen, ist ebenso kurzweilig wie interessant gelungen, lässt jede Menge Spielraum für frechen Witz, flotte Einzelszenen, tolle Bilder und einer Prise Romantik. 
Das ist nicht sonderlich anspruchsvoll, dafür aber sehr charmant und auch wenn es der Handlung an Originalität fehlt, gelingen den Machern einige hervorragende Ideen, die das Publikum überraschen. Einer der Zwischenhöhepunkte ist dabei ein außer Kontrolle geratenes Wettspiel in einem Football-Stadion, wo die Autoren sämtliche Grenzen der Logik arg dehnen, dafür aber auch für einen enorm hohen Unterhaltungsfaktor sorgen, der innerhalb der ganzen Prämisse des Filmes enorm stimmig ist. Ich hatte bereits begonnen, sehr viel Spaß mit "Focus" zu haben und war bereit, den Film zu mögen... leider ist der Höhepunkt dann jedoch bereits verflogen, denn in der zweiten Hälfte lässt das Werk ordentlich federn. 
Nach einem sehr plötzlichen, schlecht gewählten Zeitsprung beginnt beinahe eine ganz neue Geschichte, welche nur noch ansatzweise mit dem flotten Beginn zu tun hat und die beiden Hauptfiguren in einen "Fall" hineinschickt, der linearer und düsterer abläuft. Der Spaß von zuvor weicht einer recht wirren und langatmigen Erzählweise und hier verstrickt man sich dann doch das ein ums andere Mal in einem bösen Klischee. Die Geschichte verliert mit der Einführung eines neuen Geschäfts für Nicky und der Einführung des Klischee-Spaniers Garriga enorm an Fahrt und verlässt sich urplötzlich nur noch auf altbekannte Genre-Ware. Das war zwar auch zuvor nicht anders, hatte dann aber immerhin so viel Charme, Witz und Tempo, dass man darüber gerne hinwegsah. Mit dieser angetackerten Verräter-Geschichte hat man sich aber keinen Gefallen getan, lässt man manche Figuren doch sinnlos fallen, während ganze Beziehungen neu thematisiert werden müssen. 
Im Falle der Liebesgeschichte zwischen Nicky und Jess ist das doppelt keine gute Idee, werden beide doch auseinandergerissen, als man ihr die gegenseitigen Gefühle gerade abkaufen wollte (zuvor wirkte die ganze Romantik nämlich doch etwas zweckdienlich). Im weiteren Verlauf sprühen dann leider kaum mehr Funken, da sich die Macher darauf versteifen, unbedingt ein wenig Thriller-Spannung einzubringen... was angesichts der wenigen guten Ideen dann doch deutlich nach hinten losgeht und den Film trotz eines ganz netten Showdowns in der zweiten Hälfte eher ausdümpeln lässt. 
Will Smith und Margot Robbie, die ein Jahr später auch für den zwiespältig aufgenommenen "Suicide Squad" vor der Kamera standen, schlagen sich in beiden Geschichten sehr gut, wobei Robbie ihrem Co-Partner doch die lange Nase zeigt. Während Smith gewohnt solide ist, zeigt Robbie mit einer gnadenlos guten Ausstrahlung sowie viel Charme und Sexappeal, dass man von ihr in den nächsten Jahren noch eine Menge hören wird. In weiteren Nebenrollen sind unter anderem B.D. Wong und Rodrigo Santoro zu sehen, die Fans aus Werken wie "Jurassic Park" oder der grandiosen Mystery-Serie "Lost" kennen dürften.
Fazit: Nach einem starken Einstieg in der ersten Hälfte, der vor Witz, Charme und Einfallsreichtum glänzt, fällt "Focus" nach der Halbzeit leider in eine ebenso unspannende wie klischeehafte Thriller-Story ab. Immerhin sorgt Margot Robbie aber auch dann noch für einiges an Leben, während Will Smith solide agiert.

Note: 3




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se