Nachdem Viggo Mortensen mit dem zukünftigen König Aragorn die Rolle seines Lebens in allen drei monumentalen "Der Herr der Ringe"-Filmen gespielt hatte, widmete er sich anschließend weitestgehend dem kleinen Kino. Zwar spielte er auch nach dem Abschluss der Trilogie vereinzelt in größeren Blockbustern wie "Hidalgo" mit, darüber hinaus war er jedoch meistens in Dramen und Indie-Filmen zu sehen, die Kritiker begeisterten und dabei nicht sonderlich viele Zuschauer sammelten. Einer seiner Höhepunkte dürfte dabei der letztjährige "Captain Fantastic" sein, für den Mortensen sogar für einen Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert wurde...
CAPTAIN FANTASTIC
Seit gut zehn Jahren lebt Benjamin (Viggo Mortensen) mit seinen sechs Kindern in den Wäldern der Nordwestküste der USA. Fernab von jeglicher Zivilisation haben sie sich hier ihre eigene, kleine Welt aufgebaut: Ben unterrichtet seine Kinder sowohl in Literatur und Ethik als auch im Jagen und Klettern, in Selbstverteidigung und Sport. Als Bens Frau, die Mutter seiner Kinder, jedoch verstirbt, muss er aus seinem eigenen Idyll ausbrechen. Ben macht sich gemeinsam mit dem Nachwuchs auf zur Beerdigung, von der ihn sein Schwiegervater Jack (Frank Langella) dringend fernhalten will. Auf der Reise machen die Kinder die ersten Erfahrungen in der Zivilisation... und müssen die großen Unterschiede zwischen den beiden Lebensweisen erkennen.
Eigentlich habe ich mir nicht viel von "Captain Fantastic" erwartet. Ich rechnete bereits mit einem recht einfühlsamen Drama, welches den moralischen Zeigefinger zu hoch zeigen und somit manch einen Unterton vergraben würde. Überraschenderweise bekam ich beinahe das genaue Gegenteil, denn Matt Ross' Regie-Debüt ist tatsächlich sehr gut gelungen und unterhält fast bis zur letzten Minute. Die Geschichte eines Vaters, der mit seinen sechs Kindern abseits der Zivilisation im Wald lebt und schließlich aufbrechen muss, um tatsächlich einen Fuß in "unsere Welt" zu setzen, wird mit viel Witz und Gefühl erzählt. Spaßige und nachdenkliche Szenen geben sich dabei durchgehend die Klinke in die Hand, sorgen sowohl für Lacher als auch für manch einen Moment der ungeheuchelten und nachvollziehbaren Dramatik.
Ganz besonders stark sind die Momente, in denen Bens Kinder mit der Außenwelt konfrontiert werden und entweder, durch manch ein soziales Defizit, in ihr versagen oder, durch Bens außerordentliche Lehrmethoden, mehr als bravourös in ihr bestehen. Wie Matt Ross beide Welten gegeneinanderstellt und sich dabei nie so ganz auf eine Seite schlägt, das verdient schon ein großes Lob. Er stellt seine Hauptfigur nicht als klaren Helden dar, sondern hinterfragt in der zweiten Hälfte des Filmes auch seine Methoden, was einen auch als Zuschauer nachdenklich macht. Sicherlich haben seine Pläne ihre guten Seiten, andererseits bringt er seine Kinder auch mehr als einmal in Gefahr, was er später auch selbst einsehen muss. Hier bleibt Ross überraschend unparteiisch, was ich dem Film, der Bens Methoden anfangs noch in den Himmel lobt, so kaum mehr zugetraut hätte.
Ganz besonders stark wird es auch immer dann, wenn Ben seinem Nachwuchs ohne Scheu und ohne Verschönerungen gewisse Fragen beantwortet und sich später sogar dafür rechtfertigen muss. Eine andere Mutter beschwört, dass sie ihre Kinder schützen würde, wenn sie ihnen nicht immer all die brutale Realität auf den Teller legt, während Ben aussagt, er würde seine Kinder niemals belügen wollen. Beide Seiten kann man hierbei mehr als verstehen, beide Seiten haben ihre Defizite und ihre Vorteile... wie Ross diese darlegt und dabei außerordentlich glaubwürdig bleibt, das ist eine großartige Leistung.
In einigen Momenten verlässt er aber auch den Grat der Glaubwürdigkeit und drückt einige Male zu oft manch einen Klischee-Hebel. Das gilt zum einen für das etwas rührselige, doch etwas zu einfach abgehandelte Ende als auch für manch einen Zug der Hauptfigur. Ihr Leben im Wald hat etwas einfaches, etwas ruhiges, wenn jedoch gleich zu Beginn sein ältester Sohn nach bestandener Jagd in einem unheimlichen Ritus zum Mann gekrönt wird, dann übertreibt man es hier doch ein wenig... besonders da sich Ben selbst nur wenige Minuten später mit dem Bus in die Stadt aufmacht, um selbstgebaute Dinge für echtes Bargeld einzutauschen. Hier wirkt es nicht immer stimmig, welche Welt man sich hier aufgebaut hat, was aber trotzdem streckenweise zu dem von mehreren Seiten beleuchteten Benjamin passen mag.
Dieser wird indes von Viggo Mortensen gespielt, der hier sicherlich eine der besten Performances seiner an Highlights nicht unbedingt armen Karriere abliefert: Kraftvoll, einfühlsam, tief und unglaublich nuanciert spielt sich Mortensen hier rasch in die Herzen der Zuschauer. Gleiches gilt für die Kinderdarsteller, die hier enorm glaubwürdig wirken... gerade die Jüngsten spielen, als hätten sie nie etwas anderes getan und dürften, bei passender Filmauswahl, in dem Business vielleicht auch noch eine rosige Zukunft in Aussicht haben.
Fazit: Trotz manch eines Klischees und einigen unangenehmen Übertreibungen unterhält "Captain Fantasic" sowohl als einfühlsames Drama als auch als amüsantes Aufeinandertreffen zweier Welten. Viggo Mortensen verleiht dem Film dabei mit einer brillanten Performance ein Eigenleben.
Note: 2-
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