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Get Out

Wenn ein Film vor dem Kinostart bereits neunundneunzig Prozent positiver Kritiken auf RottenTomatoes verzeichnet, dann schaut man schon mal neugierig, was genau das denn ist. Stammt dieses Werk dann auch noch aus einem Genre, welches in den letzten Jahren eher selten durch große Innovationen lebte, macht es noch neugieriger. Haben wir mit "Get Out" nun also endlich, vier Jahre nach dem grandiosen "The Cabin in the Woods", den nächsten großen Horrorklassiker am Start, der das Genre aus den Angeln hebt? Ich habe es gehofft und meine Erwartungen waren hoch, als ich endlich im Kinosaal Platz nehmen durfte...

GET OUT


Der sechsundzwanzigjährige Afroamerikaner Chris Washington (Daniel Kaluuya) fährt gemeinsam mit seiner Freundin Rose Armitage (Allison Williams) für ein Wochenende zu deren Eltern. Er ist nervös: Ihre Eltern wissen nicht, dass er schwarz ist, weswegen er sich um ihre Reaktionen sorgt. Das Elternpaar stellt sich dann zwar als einigermaßen freundlich heraus, dennoch erregen einige Dinge rund um das Grundstück der Armitages Chris' Unruhe. Als es zu einer großen Familienfeier kommt, wird Chris noch hellhöriger: Irgendetwas scheint in dieser reichen Gegend nicht zu stimmen und Chris glaubt rasch, dass er in Gefahr sein könnte...

Um es gleich vorab zu sagen: Nein, "Get Out" ist nicht der neue Horror-Klassiker, auf den jedermann gewartet hat, es ist bislang noch nicht einmal annähernd der beste Horrorfilm des Jahres, denn diesen Thron beansprucht weiterhin der Space-Schocker "Life" mit Jake Gyllenhaal und Rebecca Ferguson in den Hauptrollen. Schlecht ist das Regiedebüt des Schauspielers Jordan Peele zwar auch nicht geworden, angesichts des großen Hypes und der herausragenden Reviews muss er aber als recht faustdicke Enttäuschung gelten. 
Erst einmal muss man Peele jedoch zu Gute halten, dass er ein ordentliches Gefühl für passende Bilder gefunden hat. Durch gewagte Kameraufnahmen, rasante Close-Ups und einen schönen Sinn zur Ruhe gelingt es ihm, auch in Verbindung mit dem reizvollen Ton und der starken Musik, eine durchgehend bedrohliche Atmosphäre aufzubauen. Wir können Chris' ungutes Gefühl durch diese saubere und mutige Inszenierung nachvollziehen und gehen so sehr gerne mit ihm mit. Er funktioniert, auch dank einer starken schauspielerischen Leistung von Daniel Kaluuya, sehr gut als Sympathieträger und ist tatsächlich (das ist von Anfang an klar) der normalste unter einer ganzen Meute ansonsten ziemlich verschrobener und seltsamer Leute. 
Diesen Aspekt einer eventuellen Bedrohung, die irgendwie da ist und von Chris auch wahrgenommen wird, jedoch nicht wirklich zur Entfaltung kommt, sitzt Regisseur Peele weit über eine Stunde des Filmes auf und verhaspelt sich dabei doch in einigen langwierigen Momenten. Trotz einiger sehr atmosphärischer Momente, wie beispielsweise eine bereits im Trailer angedeutete unfreiwillige Hypnosesitzung, kommt die Geschichte des Filmes nicht so richtig in Fahrt. Man ruht sich auf Andeutungen aus, lässt den Hauptcharakter immer wieder sein Unwohlsein bekunden, obwohl er letztlich doch nichts dagegen unternimmt und dreht sich somit im Kreis. 
Aufgrund eines nur sehr spärlich dosierten Humors mag dann auch die letztliche Auflösung des ganzen Stückes nicht schmecken, denn hier wird es tatsächlich vollkommen obskur und blöde. Etliche Fragen bleiben bei diesem Wahnsinn dann auch noch offen, was von den Figuren gar so anerkannt wird, sodass man doch schon ziemlich unbefriedigt und verwirrt zurückgelassen wird. "The Cabin in the Woods" glänzte vor fünf Jahren zwar ebenfalls mit einer enorm krassen und verrückten Auflösung, nahm sich aber selbst nie wirklich ernst, was man von "Get Out" leider nicht behaupten kann, sodass sich manch ein bescheuerter Storykniff noch deutlicher sichtbar macht. Schwerwiegend fällt auch auf, dass einige dieser überraschenden Wendungen, trotz zuvor gelegter falscher Fährten, schon Meilen weit vorher zu erahnen sind... für einen Thriller natürlich tödlich. 
 Immerhin entschädigt ein angenehm spannendes und spektakuläres Finale für die zuvor andauernde Langsamkeit und die sehr krude Auflösung eines zuvor nett eingeführten Mysteriums, hier haben Horror-Fans dann tatsächlich noch mal Spaß und dürfen dank einiger netter Humor-Elemente auch wieder lachen. Zuvor wird man jedoch auf eine Geduldsprobe gestellt, die trotz atmosphärischer Highlights storytechnisch nie überzeugt und auch nur selten zu gruseln weiß.
Fazit: Die atmosphärische Grundstimmung haben die Macher hervorragend im Griff und warten auch mit einem starken Finale auf. Die zuvor nur arg langsam in die Gänge kommende Geschichte und eine enorm krude Auflösung stoßen jedoch ziemlich böse auf.

Note: 4+







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