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Baby Driver

Edgar Wright ist ein Regisseur, der ganz genau weiß, was er will. Einer, der es sogar so sehr weiß und sich auch dafür einsetzt, dass er sogar während der bereits laufenden Produktion die Regie des MCU-Beitrags "Ant-Man" fallen ließ, da ihm das Studio zu sehr in seine Visionen hereinquatschte. Wenn dieser Mann - nebenbei auch der Macher meines wahrgewordenen Nerd-Traums "Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt" - nun einen Film macht, den er schon seit seiner Jugend, als er zum Business stieß, machen wollte, dann sind die Erwartungen natürlich weit oben. Und diesmal ist dies auch, ganz im Gegensatz zu Nolans zeitgleich angelaufenen Kriegs-Thriller "Dunkirk", vollkommen berechtigt, denn "Baby Driver" ist einer der besten Filme, die ich in den letzten Monaten sehen durfte.

BABY DRIVER


Seit einem Unfall in seiner Kindheit leidet Baby (Ansel Elgort) an einem Hörschaden. Um das Summen in seinen Ohren zu übertönen, hört er fast durchgehend über Kopfhörer Musik. Mittlerweile arbeitet er, um Schulden abzubezahlen, für den Ganoven Doc (Kevin Spacey): Er fährt das Fluchtauto, während seine Kollegen mit Waffengewalt Banken überfallen. Für diesen Job scheint Baby wie geboren, dennoch möchte er nun, da er die Schulden endlich getilgt hat, aussteigen. Dies möchte Doc jedoch nicht zulassen und zwingt Baby zum Weitermachen. Dieser hat indes mit der jungen Kellnerin Deborah (Lily James) eine Frau fürs Leben gefunden und plant, mit ihr zu verschwinden... sehr zum Ärger von Doc und dem gefährlichen Verbrecher Bats (Jamie Foxx), die den jungen Fahrer brauchen, um noch mehr Geld zu machen.

Einhundert Prozent positive Kritiken vereinte dieser Film vor seinem offiziellen Kinostart bei Rotten Tomatoes! Nun ist dieser Wert seit dem Start zwar auf 94 Prozent gesunken (was immer noch ein beeindruckender Wert für einen Action-Thriller im Mainstream ist), dennoch sollte man sich davon nicht abhalten lassen, ein Kinoticket für Edward Wrights Werk zu ziehen, würde einem doch sonst eines der wundervollsten Kunstwerke dieses Kinojahres entgehen. Selten haben wir einen Film gesehen, in welchem die Musik einen solch hohen Stellenwert einnimmt: Sie ist nicht nur für die Handlung und die wunderbar personifizierte Hauptfigur unendlich wichtig, sondern schlägt sich sogar bis in die komplette Inszenierung durch. Der Film gewinnt seinen kompletten Drive durch die großartige Musikauswahl im wohl besten Soundtrack dieses Kinojahres, schneidet ganze Szenen komplett nach den Songs und lässt sogar Kugeln und Räder im Takt fliegen und quietschen. Das hat ein ungeheures Tempo und ist schlichtweg herausragend gut inszeniert, wobei die Actionszenen durch ihre Rasanz, den perfekten Schnitt und ihre Ideenvielfalt zum Besten gehören, was wir seit langem in diesem Genre zu sehen bekommen haben. 
Innerhalb dieser technischen Perfektion gelingt es Wright dann auch, "Baby Driver" über seine enorm flott verstreichende Laufzeit von 113 Minuten verschiedene Tonarten zu geben, die dennoch absolut Sinn ergeben und die Handlung stets in die richtige Richtung treiben. So beginnt er als rasanter Action-Thriller mit viel subtilem Witz, fährt später auf romantische und dramatische Schienen und endet als knallhartes Psychospiel, in welchem es in Sachen Hochspannung und während des explosiven Finales richtig knallt. Wright hopst dabei nicht durch die Genres, sondern lässt den Film seine eigene Fahrt fahren, wobei der Hauptcharakter (selten war ein Fahrer so sympathisch und zugleich so passend mit Background ausgestattet, um seine Eigenarten zu definieren) stets der Dreh- und Angelpunkt bleibt. Dabei überzeugt die herausragend geschriebene Liebesgeschichte ebenso wie Babys innerer Drang, aus dem brutalen Geschäft auszusteigen und lässt somit eine innere Dramatik zu, die man diesem Film kaum zuegtraut hätte - er wird dabei ebenso packend wie konsequent und traut sich auch ein ziemlich mutiges, weil so nicht unbedingt vorhergesehenes Ende zu und weicht dem Happy-End-Schmalz somit gekonnt genug aus. 
Für die Schauspieler ist dies natürlich ein gefundenes Fressen, können sie innerhalb dieses Skripts, aus welchem stets das Herzblut Wrights fließt, doch vollkommen freidrehen. Der absolute Durchbruch wird dies natürlich für "Die Bestimmung"-Star Ansel Elgort sein, der hier sicherlich eine Kultfigur erschaffen hat und noch nie so gut, so locker und so intensiv spielte wie hier. Elgort bestimmt und leitet den ganzen Film mit einem Charakter, den man so nur noch viel zu selten sieht und der sowohl von seiner Darstellung als auch von seinen inneren Handlungen heraus der Filmheld des Jahres sein dürfte. Ihm zur Seite steht eine wunderbare Lily James - zwischen ihr und Elgort spürhen die Funken regelrecht. Kevin Spacey ist als Mann am Hebel wie immer eine sichere Bank, überraschenderweise ist es neben ihm jedoch "Mad Men"-Star Jon Hamm, der sich die meisten Lorbeeren einheimsen darf und als gar nicht so einseitiger Verbrecher für großes Interesse sorgt. Jamie Foxx sollte man hier definitiv auch noch einmal hervorheben, während der Auftritt von "The Walking Dead"-Star Jon Bernthal leider sehr kurz ausfällt. 
Möchte man zum Abschluss doch noch einmal mäkeln, dann vielleicht, dass die Beziehung zwischen Baby und Deborah doch etwas sehr flott zu einer großen Tragweite stößt. Dass beide bereits nach ihrem zweiten Treffen die große, gemeinsame Flucht und ein Leben zu zweit planen, wirkt etwas weit hergeholt, dennoch trösten die charmanten Darstellungen Elgort und James darüber hinweg. Auch der letztendliche Showdown ist vielleicht einen Ticken zu lang und überschlägt die Grenzen der Logik mehr als nur einmal - da dieser zugleich aber auch enorm unterhaltsam und hervorragend inszeniert ist, möchte man es dem Film auch nicht zu stark anlasten.
Fazit: "Baby Driver" ist dank seiner herausragenden Inszenierung, des Herzbluts des Regisseurs, des fantastischen Ensembles und der ebenso herzlichen wie spannenden Geschichte der bisher beste Film des Jahres. Ein einzigartiges Action-Kunstwerk, welches verschiedene Töne abgrast und dabei auf höchster Ebene unterhält! Wahnsinn!

Note: 2+






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