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Dunkirk (2017)

Wenn sich der von Filmfreaks mittlerweile als absolutes Wunderkind angesehene Christopher Nolan dazu entscheidet, eine Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg zu verfilmen, dann ist man als Filmfan natürlich sofort Feuer und Flamme. Wieso sollte der Mann, der mit der "The Dark Knight"-Trilogie, dem brillanten "Inception" und den fast ebenso starken "Interstellar" mehrfach Filmgeschichte schrieb, denn einen Film diesen doch recht ausgelatschten Genres machen, wenn er nicht etwas wirklich Großes zu erzählen hat? Dementsprechend aufgeregt war ich, als ich endlich im Kinosessel Platz nehmen konnte... und umso ernüchterter habe ich ihn gut zwei Stunden später wieder verlassen.

DUNKIRK


1940, Frankreich. Die britischen und französischen Truppen wurden von den Deutschen eingekesselt und warten nun auf Rettung vom Wasser. Der britische Commander Bolton (Kenneth Branagh) harrt am Strand aus, stets in Befürchtung vor den auf sie niederrasselnden Bomben der Deutschen. Indes beschließt der Zivilist Dawson (Mark Rylance) per Boot nach Dünkirchen zu fahren, um dort den eingeschlossenen Truppen zu helfen. In der Luft nimmt es der Soldat Farrier (Tom Hardy) mit den deutschen Flugzeugen auf, stets unter Einsatz seines eigenen Lebens und mit dem sich langsam leerenden Tank als tödliche Gefahr...

Als die ersten klaren Infos zu "Dunkirk" erschienen, zeigten sich eingefleischte Nolan-Fans (inklusive mir) besorgt. Bereits die ersten Trailer machten keinen sonderlich starken Eindruck und als man dann vernehmen konnte, dass der Film (untypisch für den Mann, der Batman einen neuen filmischen Anstrich verlieh) nur 107 Minuten dauern und auch noch mit einer FSK-12 freigegeben würde, um mehr Publikumsresonanz zu erzielen, durfte man wirklich in Sorge sein. Ein unblutiger Kriegsfilm? Und das auch noch von Nolan persönlich? Nun gut, die Kritiken waren dann aber so fantastisch, dass ich mir eigentlich keine Sorgen mehr machte und locker mit einem mindestens sehr guten Film rechnete... die Enttäuschung war letztendlich groß und ich muss im Grunde genau die Punkte als Kritik anführen, von denen Kritiker und Experten bislang so begeistert waren. 
So stieß besonders die inszenatorische Tatsache, den Figuren kein Eigenleben zu gönnen und sie schlichtweg, als einzelne Alibis für all die Soldaten, die 1940 rund um Dünkirchen starben, in mehrere prikäre Situationen zu schicken, auf großes Lob. Ich jedoch konnte mich mit keiner der Figuren auch nur annähernd identifizieren, die wenigen Dialogfetzen haben sie weder geformt noch mir in irgendeiner Form nahkommen lassen... sie waren austauschbare Soldaten und Zivilisten, um die ich keine Sekunde lang gebangt habe. Das ist natürlich besonders für namhafte Mimen wie Tom Hardy, Mark Rylance und "Harry Potter"-Star Kenneth Branagh schade, die hier dementsprechend weit unter ihrem eigentlichen Niveau agieren und es ist ein Zeichen dafür, dass Christopher Nolan es weiterhin nicht beherrscht, emotional die richtigen Knöpfe zu drücken. In "Interstellar" und während der Lovestory von "Inception" gab es einige sehr bewegende Szenen, doch hier bleibt Nolan seinem vorigen, enorm kühlen Ton treu und hält die Figuren auf Abstand zum Zuschauer - die seltsame Verschwiegenheit aufgrund des Todes eines Kameraden, der hier einfach abgenickt wird, ist mir tatsächlich einige Male sauer aufgestoßen. 
Auf technischer Seite macht Nolan seine Sache hingegen wieder ziemlich gut. Die Actionszenen sind solide ausgefallen und wissen besonders durch das krachende Sounddesign zu überraschen - hier sehen wir nicht nur die tödlichen Fliegerbomben einschlagen, wir spüren es auch und wenn erneut ein feindlicher Flieger am Himmel auftaucht und die Soldaten sich aus purer Angst am Pier zusammenducken, dann ist das schon ziemlich intensiv inszeniert. Auf Dauer nutzen sich die Flugschlachten und die Sinkungen von gewissen Kriegsfrachtern jedoch ab, da Nolan keine Handlung um diese Einzelszenen herumstrickt. Er lässt einfach drei Plots ohne wirkliche Handlung zeitversetzt nebeneinander herlaufen, schneidet recht willkürlich zwischen diesen hin und her, vermag den Zuschauer jedoch niemals zu packen, da er sich mit den Figuren nicht anfreunden will, die durch die Bank weg blass bleiben. Immerhin wird man mit einem ziemlich spannenden Finale entschädigt, in welchem Nolan doch noch einige Male in die Trickkiste greift, um Adrenalin und Intensität zu erzeugen. Insgesamt ist das dennoch zu wenig und sicherlich Nolans schwächster Film seit über zwölf Jahren. Ein solides Experiment, welches aufgrund seiner Eigenarten bei Kritikern und Publikum gut ankam, mich jedoch vollkommen kaltgelassen hat.
Fazit: Nolan inszeniert die Wucht des Krieges inszenatorisch durchaus treffsicher, doch die Figuren in diesem Nichts an Handlung bleiben uns merkwürdig fern. Nolan arbeitet kühl und technisch, sodass auch der Zuschauer emotional völlig unbeteiligt bleibt. Eine Enttäuschung.

Note: 4+




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