Den letzten Film, den ich von Bong Joon-ho sah, war der von Kritikern und Fans sehr wohlwollend aufgenommene "Snowpiercer". Auch mit gefiel der Sci-Fi-Actioner gut, dennoch hatte das Werk einige deutliche Schwächen, weswegen ich dem neuesten Streich dieses sich dem Mainstream abgewandten Regisseurs doch ein wenig zweifelnd entgegensah. Netflix sicherte sich bereits früh die Verleihrechte an dem Fantasy-Abenteuer-Drama "Okja" und erhoffte sich anscheinend besonders durch die beachtenswerte Star-Besetzung einiges an Aufmerksamkeit. Und tatsächlich ist der Film nun auch die bisher beste Eigen-Filmproduktion des Streaming-Portals, die ich bislang gesehen habe... was angesichts der bisherigen qualitativen Flops aber nicht wirklich viel heißt.
OKJA
Das junge Mädchen Mija (Ahn Seo-hyeon) wächst in ihrer Heimat in Begleitung eines gigantischen Superschweines namens Okja auf, mit welchem sie ihre gesamte Freizeit verbringt. Okja jedoch wurde, ebenso wie fünfundzwanzig andere seiner Art auf der ganzen Welt, nur zu einem Zweck gezüchtet: Das intrigante Mega-Unternehmen "Mirando", angeführt von Konzernleiterin Lucy Mirando (Tilda Swinton) will das Fleisch der Schweine, welches enorm nahrhaft und wohlschmeckend daherkommt, in die Nahrungsindustrie einschleusen und damit Einnahmen in Milliardenhöhe garantieren. Als Okja zu diesen Zwecken nach Seoul verfrachtet wird, reist Mija ihr nach... und tut sich dort mit einigen Tierschutz-Aktivistin zusammen, um ihren besten Freund aus seiner misslichen Lage zu befreien.
Was nun erst einmal nach einem recht seichten, abenteuerlichen und auch emotional einigermaßen gut ausgestatteten Familienfilm klingt, der gerne den moralischen Zeigefinger erhebt, um auch unseren Kleineren etwas beizubringen, ist es natürlich nicht. Schließlich sitzt hier Bong Joon-ho am Hebel und der hat sich auch schon während seiner "Snowpiercer"-Produktion nicht unbedingt dadurch ausgestattet, sich irgendwie beim Mainstream anzubiedern. Von daher sei Familien auch dringend abgeraten, sich den Film gemeinsam mit ihren Kindern anzusehen und Lehren über die Wahrheit hinter der Fleischindustrie vielleicht auf anderen, weniger schmerzhaften Wegen zu erteilen. Tatsächlich wagt sich "Okja" nämlich in einige arg schmerzhafte, ehrliche und erschreckend brutale Gassen, in denen mit der Tierindustrie auf ebenso harte wie krasse Weise abgerechnet wird. Man muss sich streckenweise selbst daran erinnern, dass es doch nur ein Fantasy-Film ist, den man sich hier ansieht... doch auch dies hilft nicht, sind die Wahrheiten, und seien sie auch noch so plakativ und einseitig dargestellt, doch dennoch wahr genug, wenn man sie auf unsere wirkliche Realität bezieht. Besonders in der zweiten Hälfte liefert der Film einige enorm düstere Szenen und sorgt mit seinem harten Umgang für einiges an Intensität, das emotionale Finale ist dabei ebenso spannend wie erschreckend und dürfte niemanden wirklich kaltlassen.
Leider gelingt es Regisseur Joon-ho jedoch nicht, diese Atmosphäre dauerhaft zu halten, weswegen er während den nicht immer gänzlich aufregenden zwei Stunden doch ab und zu ungelenk zwischen mehreren Genres hin- und herhopst, wobei eine klare Zielgruppe nie ganz auszumachen ist. Gut, er will nicht im Mainstream landen und dieses Ziel erreicht er hier auch sehr deutlich, dennoch wird nie ganz klar, für welche Zuschauer der Film denn nun gemacht ist. Für Kinder, selbst für ältere, ist er zu brutal, zu düster und zu realistisch, um ihnen einen wirklichen, alptraum-freien Zugang zu verschaffen. Erwachsene werden in diesen Momenten besser zu unterhalten, dürften sich jedoch an den doch eher flachen Charakteren und einigen albernen Momenten stoßen, die hier ebenso aufgesetzt wie unnötig wirken und dem Film einen hyperaktiven, unlustigen Tonus geben, den man hier wahrlich nicht gebraucht hätte.
So springt "Okja" über tolle Actionszenen, die auf visueller Ebene aber oftmals auch etwas billig aussehen, hin zu emotional tiefschürfenden Szenen, die jedoch mit glaubwürdigeren, ausgereifteren Charakteren und einer komplexeren Handlung wesentlich mehr Fahrt gehabt hätten und wirkt dabei niemals wirklich rund. Gut und Böse sind hier sehr, sehr klar verteilt, dennoch erlaubt man sich sanfte Grauzonen... verfolgt diese aber nicht weiter. Ganze Handlungsstränge fallen dem plötzlichen Temposchub in der zweiten Hälfte zum Opfer, wobei die Figuren seltsam unauserzählt bleiben und auch ihre Beziehungen untereinander zu reinen Behauptungen verkommen.
Da bleibt selbst gestandenen Recken wie Tilda Swinton und Jake Gyllenhaal keine andere Wahl, als sich auf anstrengende Art und Weise als ebenso verachtenswerte wie schwachsinnige Antagonisten durch seine halbgare Handlung zu kaspern. Die einzigen Mitglieder des großen Casts, die hier tatsächlich stimmig besetzt sind und durch ihre Leistungen voll und ganz überzeugen, sind "Prisoners"-Star Paul Dano als gar nicht mal so einseitiger Aktivist und die gerade mal dreizehnjährige Newcomerin Ahn Seo-hyeon, die eine beeindruckend reife Leistung darbietet. Man muss zwar auch Lily Collins und "The Walking Dead"-Star Steven Yeun in überraschend großen Rollen loben, leider bleiben ihre Charaktere vom Skript aber streckenweise doch sträflich ungenutzt, wobei nettes Konfliktpotential liegengelassen wird.
Fazit: "Okja" geht als ziemlich düsterer, aber auch arg plakativer Fantasy-Thriller unter die Haut und brennt und seine ebenso ehrliche wie bittere Botschaft ein. Die albernen Bösewichter sowie eine recht kopflose und skurille Handlung stehen solch tollen Ideen jedoch oftmals im Weg.
Note: 3-
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