Manchmal sollte man doch ein wenig auf seine innere Stimme hören. Die enorm guten Kritiken veranlassten mich dazu, mich auf "Hell or High Water" zu freuen, es blieben dennoch hörbare Restzweifel. Zum einen deswegen, da mich der Trailer doch eher ratlos zurückblieb. Mitten in der Oscar-Saison lief der Film nun auch in Deutschland ziemlich unter der Hand, weswegen ich ihn in den Kinos auch direkt verpasste. Nun habe ich ihn im Heimkino nachgeholt und wurde tatsächlich ein wenig enttäuscht zurückgelassen...
HELL OR HIGH WATER
Toby Howard (Chris Pine) raubt gemeinsam mit seinem Bruder Tannen (Ben Foster) Banken in Texas aus, um seine Schulden abzubezahlen und seinen Kindern etwas bieten zu können. Dabei gehen sie zwar nach einer gewieften Taktik vor, dennoch kommt ihnen der Ranger Marcus Hamilton (Jeff Bridges) bald auf die Schliche. Gemeinsam mit seinem Partner Alberto Parker (Gil Birmingham) versucht er herauszufinden, wo die beiden Brüder beim nächsten Halt zuschlagen werden. Beide Parteien kommen sich dabei gefährlich nahe...
"Hell or High Water" wurde von Kritikern geliebt, für vier Oscars nominiert und gilt insgeheim als einer der besten Filme des für viele doch eher schwachen Kinojahres 2016. Ich hätte vorgewarnt sein sollen, sagte man dies 2015 doch auch über den Thriller "Sicario", der mich ziemlich ratlos zurückließ und vom selben Autoren stammt. Und auch hier bin ich nun nicht wirklich überzeugt in den Abspann übergegangen und muss zugeben, vom Gesamtprodukt doch eher enttäuscht zu sein. Dabei hat dieser kaltschnäuzige Mix aus Thriller, Drama und Charakterstudie im Grunde sehr viel auf seiner Haben-Seite: Er ist fantastisch gefilmt, bringt eine wunderbare Atmosphäre mit, die uns Texas als Region und geschichtsträchtigen Ort schier greifbar machen lässt und lebt auch von einer brillanten Besetzung, die so nuanciert spielt, dass man ihnen nur applaudieren möchte.
Dennoch tröstete mich dies nicht über manch eine eklatante Schwäche hinweg, die mich "Hell or High Water" schon bald nur noch mit geringem Interesse verfolgen ließ. Zum einen erzählt die Geschichte hier rein gar nichts Neues. Es gelingt der Handlung sogar, an spannenden Eckpfeilern genau die Ausfahrt zu verpassen, welche alles noch einmal in eine überraschende, so noch nicht gesehene Richtung gedreht hätte... stattdessen verlässt man sich jedoch auch während den Schlüsselszenen nur auf Altbekanntes, lässt sogar den Showdown genauso ausfallen, wie man sich das zuvor gedacht hätte.
Die Charaktere an sich sind gut gezeichnet und mit Leben gefüllt, dennoch haben wir solcherlei Konstellationen schon mehr als einmal gesehen. Besonders deutlich wird dies beim Banken überfallenden Brüderpaar, welches so auch aus der Schublade für Bankräuber-Thriller stammen könnte. Der erste Bruder ist ein ruhiger Geselle, der das Geld braucht, um seiner Familie etwas zu bieten. Der andere ist natürlich ein grober Typ, der während eines Überfalls auch schon mal einen Zivilisten per Kopfschuss hinrichtet und beide durch seine egomanische, undurchdachte Art immer wieder in Gefahr bringt. Worauf dieser Konflikt hinausläuft und in welche dramaturgischen Abgründe dies abdriftet, dass kann sich wahrscheinlich jeder halbwegs versierte Filmkenner schon bald an einer Hand abzählen. Regisseur David Mackenzie und Autor Taylor Sheridan mühen sich besonders im Mittelteil redlich, die Figuren durch tiefsinnige und nett geschriebene Dialoge fernab von solcherlei Klischees zu definieren und über manch eine Strecke gelingt dies auch. Ein gutes Beispiel für das Gelingen der Charakteristika ist das ewige Foppen der beiden Ranger-Partner, wobei Hamilton seinem indianischen Kollegen aufgrund dessen Wurzeln stets einen neuen Spruch an den Hut klebt.
Darüber hinaus gibt es dann aber auch wenig zu holen und dass die Figuren letztendlich doch solide funktionieren, ist weniger dem Skript als viel mehr den Darstellern mitzugeben, die hier starke Performances abliefern. Jeff Bridges, "Star Trek"-Held Chris Pine und der ewige, unterschätzte Nebendarsteller Ben Foster agieren in bekannten Rahmenbedingungen, dabei jedoch so gewitzt und clever, dass man ihnen sehr gerne zusieht. Dass die Handlung über weite Strecken recht vorhersehbar vor sich hindümpelt und stets die Ausfahrt nimmt, die innerhalb der Klischees am einfachsten ist, dafür können diese talentierten Mimen ja nichts.
Fazit: Der atmosphärische Thriller ist ebenso herausragend gefilmt wie gespielt, verläuft sich jedoch in vorhersehbaren Klischees, weswegen die altbekannte Handlung über weite Strecken recht emotionslos verpufft.
Note: 4+
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