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Schneemann

Mir ist aufgefallen, dass ich mittlerweile wesentlich weniger lese als früher. Zwar gelobe ich Besserung (zurzeit lese ich zum Beispiel Stephen Kings Riesenwälzer "The Stand" und schreibe außerdem an einem eigenen Roman), dennoch muss es wieder mehr werden. Besonders auffällig gestaltet sich dies, dass ich in Kritiken zu Romanverfilmungen immer wieder die Entschuldigung anbringen muss, die Vorlage nicht zu kennen und nur den Film bewerten zu können... so auch nun wieder geschehen beim seit gestern in den deutschen Kinos laufenden "Schneemann". Nun, wo ich den Film jedoch gesehen habe, bin ich nicht überzeugt, dass ich mir die Buchvorlage irgendwann noch anschaffen mag, denn das Werk überzeugt kaum...

SCHNEEMANN


Detective Harry Hole (Michael Fassbender) ist abgebrannt. Er lebt getrennt von seiner Freundin Rakel (Charlotte Gainsbourg) und deren jugendlichen Sohn, hat sich dem Alkohol hingegeben und hofft auf einen neuen Fall, der ihn wieder gefangennimmt. Als dieser tatsächlich kommt, ist Harry jedoch erst mal überfordert. Gemeinsam mit seiner neuen Kollegin Katrine Bratt (Rebecca Ferguson) jagt er einen unbekannten Killer, der während des Schneefalls Frauen ermordet, enthauptet und die Köpfe anschließend zur Schau stellt. Harry und Rakel stellen schnell erste Verbindungen unter den Opfern fest und kommen den ersten Verdächtigen schließlich ganz nahe...

Jo Nesbo hat bereits eine ganze Buchreihe über die kniffligen Fälle des norwegischen Detectives Harry Hole geschrieben - "Schneemann", die erste Kinoverfilmung dieser Reihe, ist jedoch bereits der siebte Film... und es rächt sich schnell, dass man nicht einfach von Beginn an startete und gleich mit einem der populärsten Werke loslegen wollte. Denn gerade die Hauptfigur, die die verschiedenen Werke verbindet, kommt hier erstaunlich lasch daher, womit nicht Michael Fassbender als Schauspieler kritisiert werden soll. Natürlich, Fassbender war auch schon mal besser, dennoch gibt er hier eine routinierte und weitestgehend kraftvolle Performance - die Schwächen des Drehbuchs, die letztendlich auch auf seine Figur übergreifen, kann er jedoch nicht ausbremsen. Harry Hole wirkt wie das wandelnde Klischee eines Detectives: Ein ganz schlauer Kopf und ein harter Hund im Job, der jedoch sein Privatleben vernachlässigt und selbstverständlich auch ein Alkoholproblem hat. Holes private Scherereien wirken wie ein Klotz am Bein der Thriller-Geschichte, seine Konflikte mit Freundin und Sohn haben etwas hölzernes und das Finale speist diese auch noch mit ein - hier wird tatsächlich ein Klischee nach dem anderen gejagt. 
Auch die anderen Charaktere, obwohl von namhaften Stars wie den für "Whiplash" mit dem Oscar ausgezeichneten J.K. Simmons oder auch die seit "Mission: Impossible" in aller Munde gelegene Rebecca Ferguson dargeboten, können nie echtes Feuer entfachen, werden vom Skript auf ihre reinen Fähigkeiten zurechtgestutzt, entwickeln kein echtes Eigenleben. Man darf sich schon fragen, was solch grandiose Schauspieler, welche allein mit ihrem Namen bereits die Kassen zum Klingeln bringen (insbesondere "Alien"-Star Fassbender) dazu brachte, sich für dieses doch recht marode und klischeehafte Skript zur Verfügung zu stellen. Die Stars werden nicht gefordert und der Film fügt dem Genre auch rein gar nichts Neues hinzu - es ist nicht mehr, aber eben auch nicht weniger als ein kleiner Krimi in eisbedeckter Landschaft, die Hatz nach einem Killer. Das Befragen von Zeugen, das Jagen eines unbekannten Gesichts, das Zusammensetzen der richtigen Hinweise - all dies kann spannend sein, unterscheidet sich hier aber so gut wie gar nicht von den herkömmlichen TV-Krimis und wirkt somit auf der großen Leinwand doch arg schwach auf der Brust. 
Erschwerend kommt hinzu, dass die Geschichte, wo es ihr doch schon an Tempo und Gewitztheit fehlt, nie ganz zu packen vermag. Die letztendliche Auflösung des bösen Übeltäters kommt sicherlich ein wenig überraschend, dennoch muss man sein Gehirn doch schon ein wenig ad acta legen, damit diese noch Sinn ergibt. Die Macher haben den Zuschauer clever an der Nase herumgeführt und dennoch noch mal einige wahnwitzige Zufälle und Verbindungen eingeschleust, wobei "Schneemann" mehr als einmal das Rad des Realismus überdreht - für einen bodenständigen Thriller sicherlich kein gutes Zeichen. Am Ende bleiben also einige hübsche Bilder des verschneiten Norwegens, manch eine spannende Einzelszene und inszenatorische Routine, was insgesamt schon eine ziemlich schwache Vorstellung ist. Die großen Namen täuschen hier über einen Film hinweg, der belangloser ist, als es der nette Trailer vorgab zu sein.

Fazit: "Schneemann" gestaltet sich recht altbacken und tempoarm, kann seine einfallslose Geschichte niemals wirklich packend gestalten. Trotz gut aufgelegter Darsteller bleibt die Handlung blass, der Thriller-Plot ohne echte Dringlichkeit und die Auflösung schwach auf der Brust.

Note: 4






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