Direkt zum Hauptbereich

Bleed For This

Seitdem Sylvester Stallone 2016 mit "Creed" bewies, dass die Fortsetzung alter Marken in neuem Gewand nicht zwangsläufig eine schlechte Idee sein muss, holte er auch den Boxer-Film wieder zurück in die moderne Kinolandschaft. Dieser war zwar eigentlich nie wirklich weg, trotzdem schien es schwer, aus der Thematik noch etwas wirklich Neues zu machen - selbst die wahren Geschichten hinter diesem brutalen Sport gleichen sich schließlich doch irgendwie. Das gilt auch für "Bleed for this", der im Grunde ein Box-Film wie jeder andere ist und dem Thema nichts Neues hinzufügt. Er ist bravourös inszeniert, darüber hinaus fehlt es dem Werk jedoch an Besonderem...

BLEED FOR THIS


1988: Vinny Pazienza (Miles Teller) lebt für den Boxsport und konnte sich nach einigen Rückschlägen endlich wieder für wichtigere Kämpfe qualifizieren, wobei ihn seine Familie und sein engagierter Trainer Kevin Rooney (Aaron Eckhart) mit Leibeskräften unterstützen. Ein fataler Autounfall scheint seine Träume jedoch zu durchkreuzen: Bei dem Aufprall auf einen anderen Wagen bricht sich Vinny das Genick und ist nach einer Notfall-Operation auf mehrere Stahlschienen angewiesen, die seinen gebrochenen Hals stützen. Das Laufen muss neu erlernt werden, der Boxring ist Geschichte. Doch dies will Vinny nicht wahr sein und beginnt auf eigene Faust damit, sich ins Training zu stürzen, gegen den Rat der Menschen um ihn herum...

Natürlich ist der Fall ein anderer, wenn es um die Geschichte von Vinny Pazienza geht, denn sein Leidensweg und der Kampf zurück in den Ring ist auch im wahren Leben, auf dem dieser Film basiert, ein extrem beeindruckender gewesen. Dass sich ein Mann trotz eines Genickbruchs (!) und der daraus resultierenden, ständigen Gefahr eines Bruchs der gesamten Wirbelsäule dennoch erneut in den Ring schwingen möchte, das ist in der Geschichte des Boxsports schon einzigartig - leicht verständlich, dass sich einige Produzenten (darunter auch "Casino"-Regisseur Martin Scorsese als Executive Producer) mehr als nur gut vorstellen konnten, diesen Plot auf Film zu bannen. Natürlich ist die Moral der Geschichte dabei ein wenig zwiegespalten, denn ob Pazienza nun als wirklich gutes Vorbild gelten darf, sei mal so dahingestellt: Der Kerl war schlichtweg wahnsinnig, sich, seinen Körper und sein Leben so in Gefahr zu bringen.
Dies verblasst jedoch angesichts der Tatsache, dass er seinen Traum niemals aufgab und sich diesen von einem brutalen Wink des Schicksals ebenso wenig zerstören lassen wollte wie von den Menschen in seinem Umfeld, die ihn nach dem tragischen Unfall schlichtweg nur noch bemutterten. Dem Film fehlt es hier ein wenig an sensiblem Boden, hier hätte man im Grunde noch ein wenig intensiver auf die einzelnen Beweggründe der Figuren eingehen können, konnte ich doch Mutter und Schwester, die ihren Sohn bzw. Bruder vor weiteren Schäden schützen wollten, doch mindestens ebenso gut verstehen wie den eisenharten Willen des Protagonisten. Hier bleibt "Bleed for this" leider ein wenig oberflächlich und kümmert sich nicht gut genug um seine Figuren, bricht den zentralen Konflikt auf den Kampf des jungen Mannes ins Leben zurück herunter, obwohl hier sicherlich mehr möglich gewesen wäre.
Hätte man sich solch emotionalem Ballast stärker gewidmet, hätte das Werk auch aus der langen Reihe an Box-Dramen herausstechen können, da im Kern aber im Grunde die gleiche Geschichte erzählt wird wie in einzelnen Filmen der "Rocky"-Saga, bekommen wir nur sehr wenig Neues geboten: Hüben wie drüben kämpft sich ein Außenseiter zurück ins Rampenlicht und muss auf dem Weg enorme Rückschläge einstecken, die es zu überwinden gilt, damit das Ziel am Ende erreicht werden kann. Das ist eine zeitlose Geschichte und sie packt heute noch immer genauso wie damals - dank einer teils cleveren und mutigen Inszenierung von Regisseur Ben Younger, der die zentralen Plotpoints nicht Mainstream-mäßig ausschlachtet, sieht das auch alles extrem gut aus und hat einen flotten, passenden Soundtrack zu bieten.
Auch Miles Teller muss man hervorheben, denn der beweist nach dem überragenden "Whiplash" nun schon zum zweiten Mal, dass mit ihm über die kommenden Jahre hinweg noch mehr als nur zu rechnen ist - einer der vielversprechendsten und talentiertesten Jungstars unserer Zeit, der sich auch hier wieder intensiv, aber niemals überziehend aufs Feld schwingt und dennoch nahbar bleibt. Da verblasst sogar ein routinierter Aaron Eckhart, während Katey Sagal und Ted Levine gut sind... sie mir aber weitestgehend deswegen in Erinnerung blieben, dass ich sie aufgrund des fortgeschrittenen Alters beinahe nicht mehr erkannt hätte. Eine stilvolle Extrabenotung verdient sich auch "Harry Potter"-Star Ciaran Hinds, der im Verlauf der Handlung als Vinnys Vater einige sehr gelungene Entwicklungen durchmacht.

Fazit: Stark inszeniertes Boxer-Drama mit einem herausragenden Miles Teller in der Hauptrolle. Die Geschichte des wahren Kämpfers, der sich zurück ins Leben schwingt, ist zeitlos, das Rad wird hier nicht neu erfunden. Hätte man etwas mehr Wert auf die zentralen, ruhigeren Konflikte am Rande gelegt, hätte aber auch dabei ein wesentlich gewichtigeres Werk herauskommen können.

Note: 3





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Meine Erstsichtungen vom 08.07.24 bis zum 14.07.24

Girl You Know It's True: Musiker-Biopic von Simon Verhoeven, mit Tijan Njie, Elan Ben Ali, Matthias Schweighöfer, Bella Dayne, Mitsou Young und Graham Rogers Dem Film über das umstrittene Musik-Duo Milli Vanilli gelingt das Kunststück, einerseits ungemein unterhaltsam zu sein und andererseits einen der größten Skandale der Musikgeschichte zu erzählen, ohne ihn großartig auszuschlachten. Stattdessen gibt der Film den beiden verrufenen Künstlern ihre Würde zurück, indem er die Hintergründe des Aufstiegs und Falls der beiden Ikonen genau dezidiert und dabei nicht wütend mit dem Finger auf einen bestimmten Schuldigen zeigt - das ist dann auch für Kenner noch hochinteressant, bisweilen spannend und mit einigen emotionalen Tiefschlägen ausgestattet. Trotz einiger Längen hält Simon Verhoevens Regie den Film durchweg am Leben, die Musikszenen sind energetisch inszeniert. Zudem wissen nicht nur Tijan Njie und Elan Ben Ali in den Hauptrollen durchweg zu überzeugen, sondern auch Matthias Schw...

Cold Comes the Night

Die alleinerziehende Mutter Chloe (Alice Eve) leitet ein heruntergekommenes Motel, wo immer wieder zwielichtige Gäste eintrudeln und sogar die örtlichen Prostituierten ein Zimmer nehmen, um sich mit ihren Kunden zu vergnügen. Für Chloes Tochter Sophia (Ursula Parker) ist dies kein geeigneter Wohnort, findet das Jugendamt, und droht deswegen sogar damit, sie Chloe wegzunehmen. Als eines Abends ein mysteriöser Reisender (Bryan Cranston) um ein Zimmer für eine Nacht bittet und sich bereits am Empfang merkwürdig verhält, wird Chloe bereits hellhörig. In der Nacht fallen plötzlich Schüsse und zwei Bewohner der Appartements werden tot aufgefunden. Doch ist dies erst der Beginn einer wahren Tortur, durch welche Chloe in den nächsten Stunden noch wird gehen müssen... Es gibt durchaus einige Filme, bei denen ich mich nachträglich mehr als gewundert habe, warum diese nicht das Licht der Leinwand erblickt haben, sondern direkt für den Heimkinomarkt ausgewertet wurden - noch vor Zeiten von großen ...