In den Wochen seit der schockierenden Enthüllung der Missbrauchsskandale in Hollywood stellten sich viele Filmfans eine signifikante Frage: Darf man Werke der Herren Weinstein, Spacey und Co. überhaupt noch guten Gewissens ansehen, sich gar von ihnen unterhalten fühlen? Als Filmliebhaber und Fan des Kinos kann es für mich nur eine wirklich richtige Antwort geben: Ja, natürlich darf man das. Denn in diesem Fall muss man einfach immer noch zwischen der Privatperson eines Kevin Spacey zum Beispiel und seinem "Berufsbild" unterscheiden. Spacey mag, wie sich nun öffentlich herausstellte, ein schrecklicher Missetäter sein (auch wenn ein Richterspruch noch aussteht - generell muss er weiterhin als unschuldig gelten, da nicht die Twitter-Tipper verantwortlich sind, einen Mann vollkommen zu beschuldigen, aber das ist ein anderes Thema und würde zu ausschweifend werden), dass er ein begnadeter Schauspieler ist, lässt sich aber dennoch nicht von der Hand weisen - ein Schauspieler, dem ich trotz allem immer noch gerne zusehe, da er mich in seinen Rollen schier packt. Zudem muss man anmerken, dass die Werke nicht alleine Weinstein und Spacey sind - etliche andere Schauspieler, Regisseure, Ausstatter, Kameraleute, Make-Up-Artists und weitere Positionen sind an einer solchen Produktion beteiligt. Sollen wir ihre Arbeit nun verschmähen, da sich unter der riesigen Crew ein schwarzes Schaf versteckte? Nein, sicherlich nicht und so freute ich mich sehr auf die fünfte Staffel der intriganten Politserie "House of Cards"... mit dem Wissen, dass dies Kevin Spaceys (wenn auch nicht zuvor geplante) Abschiedsvorstellung darstellen würde.
HOUSE OF CARDS - STAFFEL 5
Präsident Francis Underwood (Kevin Spacey) hat ICO den Krieg erklärt - es scheint die einzige Chance zu sein, seine Position im Duell gegen den weitaus beliebteren Präsidentschaftskandidaten William Conway (Joel Kinnaman) noch zu schützen. Der Kampf ist dennoch nicht ausgestanden, denn auch wenn Francis und seine Frau Claire (Robin Wright) gemeinsam mit ihrem Stabschef Doug Stamper (Michael Kelly) alles daran setzen, die Bürger auf ihre Seite zu lotsen und wenn sie die Regeln und Gesetze dabei noch so sehr verbiegen müssen... Conway hat einen Lauf und läuft Underwood dabei weitestgehend den Rang ab. Um den Sitz im Oval Office zu behalten, greift Francis einmal mehr zu Methoden, die nicht mit dem Gesetz vereinbar sind. Unterdessen versucht auch Tom Hammerschmidt (Boris McGiver) weiterhin, dem Präsidenten auf die Schliche zu kommen und die Wahrheit hinter dem Tod Zoe Barnes' (Kate Mara) aufzuklären, wobei er den wahren Taten immer näherkommt...
Ein wenig enttäuscht war ich schon. Nach dem hervorragend getimten Cliffhanger, der die vierte Staffel beendete, fährt der Auftakt der fünften Season erst einmal deutlich einige Schritte zurück und steigt wieder in den erbitterten Wahlkampf ein, den Underwood mit Conway austrägt. Vom großen "Krieg" und vom Chaos ist weiterhin die Rede, trotzdem bleibt die Serie gesittet, ruhig... etwas zu ruhig vielleicht. "House of Cards" zeichnete sich niemals dadurch aus, den Zuschauer durch enorm hohes Tempo zu fesseln, legte mehr Wert auf eine sorgfältige Zeichnung der Geschehnisse hinter den Türen den Weißen Hauses und entwickelte durch die herausragend geschriebenen Charaktere einen gewissen Sog. Dies hat sich auch in der nunmehr fünften Staffel nicht geändert, doch auch als Fan der Serie (obwohl die Qualität der ersten beiden Seasons nicht mehr erreicht wird, sehe ich sie weiterhin sehr, sehr gerne) muss man anmerken, dass sie sich bisweilen ein wenig im Kreis zu drehen scheint.
Es ist immer noch mehr als unterhaltsam, streckenweise entlarvend und spannend und in den zündenen Dialogen herausragend geschrieben, trotzdem verliert das Hauptargument der Serie, die drückende Manipulation, das Herausschlawinern aus den größten Missetaten, das Ins-Messer-laufen-lassen von Kollegen und Mitstreitern, mittlerweile an Fahrt. Das kann daran liegen, dass es eben nicht mehr neu ist - selbst ein solch faszinierendes Konzept kann sich nach fünf Staffeln irgendwann ein wenig ermüden und an frischen Ansätzen mangelt es der Serie an diesem Punkt leider noch ein wenig. Nicht falsch verstehen, das ist immer noch auf hohem Niveau, so richtig Gas geben sie jedoch erst während der letzten drei Folgen, wenn man sich traut, das ganze Gesamtbild ein wenig durchzuschütteln und einige Änderungen vorzugeben... Änderungen, die noch mehr Gewicht erfahren, wenn man bedenkt, dass wir Kevin Spacey nun eben nicht mehr sehen werden und die somit einen seltsamen, wenn auch irgendwie - man kann es nicht anders sagen - passenden Beigeschmack erfahren.
Und auch wenn der letzte Funke diesmal fehlt, ich mich durch einige Folgen ein wenig quälen musste, man manch einen Charakter doch zum wiederholten Male durchs Boxhorn jagt, anderen, wesentlich uninteressanteren Figuren zu viel Zeit gönnt und langwierige Dialoge, die letztendlich wenig Gewicht für die Handlung haben, zum großen Staatsakt herausputzt, ich hatte wieder einmal meinen Spaß. Das liegt daran, dass die Macher weiterhin ein großes, Ganzes im Auge haben und sich diesmal mit weniger Leichtigkeit, dafür aber mit viel Hirn und Diabolik auf das Ende zubewegen. Dass dieses auch schon vor dem Spacey-Skandal mit der sechsten Staffel geplant gewesen war, merkt man der fünften Season an, die sich etwas langsam, aber dann doch wieder arg passend auf ihren großen Showdown zubewegt. Zum anderen ist die Serie weiterhin ein optischer Hochgenuss: Kamera und Ausstattung agieren nach wie vor auf absolutem Kinoniveau, der Soundtrack stimmt noch immer wunderbar, die ganze Serie sieht von vorne bis hinten einfach großartig aus.
Und dann sind da natürlich noch die Schauspieler, an deren Kopf noch immer "21"-Star Kevin Spacey steht, der in der (anscheinend letzten) Rolle seines Lebens einmal mehr grandios aufspielt. "Forrest Gump"-Star Robin Wright rückt neben Spacey noch mehr in den Fokus und darf einige interessante Seiten aufziehen, während Michael Kelly ebenfalls fantastisch ist, sich jedoch dem Skript beugen muss, welches seine Figur mittlerweile spürbar im Kreis dreht. Keiner der Schauspieler ist auch nur annähernd fehlbesetzt, über "Scream"-Star Neve Campbell bis hin zu dem brillanten Lars Mikkelsen als furchtbar intriganter, russischer Präsident stechen zwei jedoch noch einmal ganz besonders heraus: Jayne Atkinson vermag es erneut als Cathy Durant das Ebenbild einer Politikerin auf filmischer Basis perfekt herauszustellen und verschwindet gar hinter ihrer Rolle, während Boris McGiver als eifriger, getriebener Journalist abseits von der Politik für den spannendsten und dringlichsten Plot der gesamten Staffel sorgt.
Fazit: Ganz frisch ist das nicht mehr, dreht sich mal im Kreis, wirkt hier etwas langwierig. Dank hervorragender Schauspieler, erneut gestochen scharfen Dialogen und hochspannenden Finalfolgen werden wir für manch einen Hänger jedoch entschädigt, wenn perfekt zur finalen Staffel übergeleitet wird.
Note: 3
Kommentare
Kommentar veröffentlichen