"Sleepless" war vor einiger Zeit Teil des Angebots des Amazon-Film-Freitags (die Kritik zu diesem Werk folgt demnächst) und auch ein weiterer Thriller aus dem Jahr 2017, den ich damals im Kino verpasst habe, war dort für nur einen Euro zum Leihen erhältlich. Es ist schon erstaunlich, dass ich "Live by Night" im Kino verpasst habe, stand dieser doch auf meiner Top-Liste für Filme 2017 - auch war ich von Ben Afflecks Regieleistungen zuvor mehr als begeistert und freute mich bereits sehr auf seinen neuesten Thriller, der sich diesmal um das Mafia-Genre in den 30er Jahren drehen sollte. Selbst die mauen Kritiken konnten mir meine Vorfreude nicht trüben, denn das schaffte erst der Film an sich...
LIVE BY NIGHT
Im Jahr 1926 wendet sich der ehemalige Kriegsveteran Joe Coughlin (Ben Affleck) vom Gesetz und seinem Vater Thomas (Brendan Gleeson), dem stellvertretenden Polizeipräsidenten, ab und taucht in die Kriminalität ein. Nach einem dreijährigen Gefängnisaufenthalt stellt er sich in die Dienste des italienischen Mafiosi Maso Pescatore (Remo Girone) an und versucht gemeinsam mit seinem Partner Dion Bartolo (Chris Messina) das Glücksspiel zu legalisieren, um viellecht schon bald auf ungefährliche Art und Weise eine Menge Geld zu verdienen. Dabei stehen Coughlin jedoch nicht nur feindliche Gruppen und die Polizei im Weg, sondern auch der Klu-Klux-Klan und die katholische Kirche...
Ich bin ein großer Fan von Ben Afflecks vorherigen Regiearbeiten. Sowohl in "The Town" als auch im mehrfach oscarprämierten "Argo" (unter anderem für den Hauptpreis als bester Film) bewies der ehemalige "Armageddon"-Star, dass er definitiv kein meisterhafter Schauspieler, dafür aber ein brillanter Regisseur mit dem richtigen Auge für tolle Bilder ist. Affleck war in der Lage, intensive Drehbücher ebenso intensiv umzusetzen, ohne dabei effekthascherisch zu wirken oder seine zumeist sehr komplex ausgearbeiteten Charaktere aus den Augen zu verlieren. Ähnliches, wenn nicht gar mehr, erwartete ich auch von "Live by Night" - Afflecks Regiekunst vereint mit einem meiner liebsten Genres: Dem Mafiadrama. Das konnte doch nur gut werden, oder? Nein, ist es tatsächlich nicht geworden, denn zum ersten Mal in seiner Regiekarriere tappt Affleck in genau die Fallen, denen er zuvor so gekonnt ausgewichen ist: Spannungsarmut, flache Charaktere, eine Story ohne wirkliche Höhepunkte und fehlende Emotionen.
In einem normalen Film kann es sich schon verheerend auswirken, wenn nur bei einem dieser vier Faktoren etwas schiefläuft, doch in "Live by Night" finden wir über weite Strecken alle diese Formen wieder, was die 129 Minuten doch schon zu einer recht feinen Geduldsprobe macht. Dem Film fehlt es an Figuren, mit denen wir mitfiebern - gerade der von Ben Affleck doch recht steif und unnahbar dargebotene Joe Coughlin funktioniert niemals als wirklicher Bindungscharakter, wirkt glatt und kantenlos. Wir erfahren viel zu wenig über ihn, seine Gefühle wirken behauptet, aber niemals wirklich gespürt... was im Grunde auch auf die anderen Charaktere zutrifft. Zwar zieht sich die namhafte Nebendarsteller-Riege rund um "Harry Potter"-Star Brendan Gleeson, der wunderbaren Elle Fanning oder den gleich aus seinen vorigen Werken mit hinübergezerrten Chris Cooper und Titus Welliver doch wesentlich markanter aus der Affäre und gerade Fanning liefert mit ihrem Dialog an einem Cafetisch eine der wenigen wirklich guten Szenen des Films ab - dennoch bekommen sie einfach zu wenig zu tun.
Das Drehbuch holpert in ermüdendem Tempo von einer Station zur nächsten, Konflikte sind da, werden aber viel zu spät und damit auf sehr plötzliche Art zum Explodieren gebracht. Zuvor wohnen wir einem sehr geschwätzigen Werk bei, welches seiner Handlung niemals irgendeine Art der Dringlichkeit einhauchen und somit den rasch gelangweilten Zuschauer niemals packen kann. Der schlussendliche Shoot-Out wirkt dabei auch bereits wie eine lästige Pflichtübung, um es den Kritikern zumindest zu verwehren, dass Action-Freunde hier nicht im Geringsten auf ihre Kosten kommen. Doch egal ob es kracht oder eben (zur meisten Zeit) nicht - das Regieführen hat Affleck dennoch nicht verlernt. Ihm ist diesmal sicherlich kein gutes Skript gelungen - sogar eines, welches vollkommen frei von jedweder Überraschung ist - und auch schauspielerisch bleibt er unter seinen bereits limitierten Fähigkeiten, aber immerhin sieht das Werk mal wieder grandios aus. Düstere und herrlich atmosphärische Bilder lassen "Live by Night" letztendlich sicher größer wirken als es die Handlung eigentlich hergibt, doch das stört wenig, wenn die Aufnahmen so grandios aussehen und visuell immer wieder fasznierende Spielereien ermöglichen.
Fazit: Langatmiger Crime-Thriller, der seine schwachbrüstige Handlung ebenso verschenkt wie seine Charaktere, die im Grunde viel zu glatt gezeichnet bleiben. Visuell ein Meisterwerk und auch technisch absolut auf der Höhe lässt das Drehbuch diesmal jedoch arg zu wünschen übrig.
Note: 4+
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