In der Schauspielschule wurde ich nicht nur darin unterrichtet, wie ich mich am besten vor der Kamera und auf der Bühne mache und wie ich meine Persönlichkeit schule. Nein, natürlich stand auch Filmgeschichte auf dem Schulplan und dabei kam ich auch stets mit Klassikern in Berührung, die ich immer schon einmal gesehen haben wollte, aber bislang nie dazu kam. Ausschnitte wurden dabei auch aus "Harold und Maude" gezeigt, einen Film, den ich immer sehen wollte, von welchem ich das Ende jedoch bereits kannte. Gespoilert gefallen mir viele Werke nicht mehr so gut, weswegen es nun eine Weile dauerte, bis ich mir den Klassiker in voller Länge ansah... dank des Angebots von Amazon Prime, wo der Film zur Verfügung stand.
HAROLD UND MAUDE
Der zwanzigjährige Harold (Bud Cort) lebt bei seiner strengen Mutter (Vivian Pickles), ist noch immer Junggeselle und hat keine Freunde. Dies dürfte an seiner enormen Zuneigung zum Thema Tod liegen, vollführt er doch im Beisein seiner davon schon lange nicht mehr beeindruckten Mutter immer wieder spektakuläre Suizidversuche und bleibt darüber hinaus lieber allein. Nur für den Besuch von fremden Beerdigungen wagt er sich gerne aus dem Haus und trifft dabei eines Tages die achtzigjährige Seniorin Maude (Ruth Gordon), die ähnliche, skurille Eigenschaften aufweist. Nach kurzem Zögern beschließt Harold, mehr Zeit mit ihr zu verbringen und es entwickelt sich eine ganz besondere Freundschaft...
Es verwundert nicht unbedingt, dass "Harold und Maude" bei seiner Premiere im Jahr 1971 bei den Kritikern nicht sonderlich gut wegkam, spricht dieser Film doch im Grunde alle Themen mit enormer Ironie an, um (damals) glatt als kontrovers durchzugehen. Da wird über das Militär nicht nur hergezogen, es wird sogar regelrecht lächerlich gemacht, die Partnerfindung ist sowieso eine ganz furchtbare Sache, während der Tod eine Erlösung, im speziellen Fall sogar ein Hobby sein kann, wenn man das Besuchen von Beerdigungen denn so nennen möchte. Nein, konventionell ist dieser Film ganz sicher nicht, was er auch in seinem Fokus herausstellt, in welchen die Beziehung einer alten Seniorin und eines in seiner eigenen Gedankenwelt verlorenen Jungspundes steht. Aber genau das macht auch den Reiz des Werkes aus, der mit diesen Themen, die damals doch eher hinter vorgehaltener Hand besproche wurden, so offen und auch offenherzig umgeht und sich dabei nie um einen schrägen Spruch verlegen ist.
In unserer Welt würden Harold und Maude sicherlich als total verrückte Idioten angesehen werden, die Bäume klauen und den Straßenverkehr gefährden - im Film dreht Regisseur Hal Ashby dieses Bild jedoch um, erlaubt uns Einblicke in die Seelenwelt der beiden Protagonisten und lässt sie dabei nicht zu bloßen Abziehbildern, sondern zu echten Menschen werden. Außenseitern, sicherlich, dafür aber die menschlichsten Protagonisten in einer sonst sehr steifen Welt. Alles um sie herum, über Harolds entnervte Mutter (Vivian Pickles in einer grandios-komischen Nebenrolle), die Dates, welche sie ihrem Sohn aussucht und einem überforderten Straßenpolizisten, der übrigens von Tom Skerritt gespielt wird, ist eine reine Karikatur - Menschen, die das wahre Leben nicht sehen, sich zu viele unnötige Gedanken machen, die das Leben leben, ohne es eben wirklich zu leben. Am besten zu sehen ist dies bei Harolds Onkel, einem wahren Militärfanatiker, welcher sich den Krieg zurückwünscht und auch seinen Neffen einziehen lassen möchte - wie Maude ihren jungen Freund aus dieser Misere befreit, ist die wohl witzigste und cleverste Szene des ganzen Filmes.
Dennoch habe ich auch einiges zu meckern, denn gerade die im Fokus stehende Beziehung, auch wenn sie noch herzlich und witzig dargeboten wird, empfand ich als unglaubwürdig. Nun macht "Harold und Maude" aus seiner überspitzten Übertreibung im Hinblick auf die komödiantischen Elemente kein Geheimnis (was dann auch nicht jedermanns Sache sein wird, hätte man den Witz doch auch subtiler einspielen können), doch in den wärmeren, ruhigeren Momenten fehlt es dennoch noch am letzten Funken Empathie. Dass sich hier die zwei richtigen zufällig gefunden haben und jeder sich einen solchen Partner wünschen würde, der ihn voll und ganz versteht (ganz gleich welchen Alters oder Geschlechts), unterschreibe ich völlig, dennoch wirkte all dies ein wenig unvollständig, nicht richtig zu Ende gedacht. Das Herz spricht es somit zwar an, auch dank der fabelhaften Darstellungen von Ruth Gordon und Bud Cort, die schlichtweg meisterlich miteinander harmonieren... dennoch bleibt die Beziehung streckenweise nur eine Fassade und wird doch etwas zu selten beleuchtet, traut sich kaum, kritisch zu hinterfragen oder die Protagonisten von dem Podest der Bewunderung, welche wir zwanghaft für sie empfinden wollen, herunterzuholen, um nach anderen Möglichkeiten außer dem Suizid zu suchen.
Fazit: Wunderbar gespielt, anarchistisch, witzig und sehr, sehr warmherzig. Gerade die im Fokus stehende, wunderbar unkonventionelle Beziehung der beiden Hauptpersonen wirkt dennoch ein wenig engstirnig und hinterlässt somit einen etwas faden Beigeschmack.
Note: 3+
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