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Alles Geld der Welt

Kann ein Schauspieler, der einen im Grunde bereits so gut wie fertiggestellten Film maßgeblich mitgeprägt hat, tatsächlich noch restlos aus diesem entfernt und ersetzt werden? Ja, er kann, wie wir nach dem Skandal um "21"-Star Kevin Spacey nur zu gut wissen, denn Ridley Scott war die heftige Presse um die Set-Exzesse des ehemaligen Megastars dann eben doch etwas zu suspekt, weswegen er diesen durch Christopher Plummer ersetzte. Die Geschichte ging durch die Medien, fachte Diskussionen an, spülte die Me-Too-Debatte nach oben und sorgte für ein Umdenken in Hollywood. "Alles Geld der Welt" dürfte somit bereits jetzt einer der meistdiskutierten Filme der nächsten Zeit sein, was aber über die Qualität erst einmal gar nichts aussagt, weswegen ich mich nun der Frage stellte: Kann ein Film, der in so kurzer Zeit so hermetisch abgeändert wurde, denn noch gut sein?

ALLES GELD DER WELT


Jean Paul Getty (Christopher Plummer) ist der Vorsitzende von Getty Oil und macht mit seinen Geschäften Abermillionen - er wird als einer der reichsten Männer der Welt geführt. Als sein Enkelsohn John (Charlie Plummer), zu dem er jedoch keinen Kontakt hält, entführt wird, wobei die Täter insgesamt siebzehn Millionen Dollar erpressen wollen, wendet sich Johns Mutter Gail (Michelle Williams) an ihren Schwiegervater... dieser zeigt sich jedoch uneinsichtig und möchte nicht einen einzigen Cent erübrigen. Stattdessen setzt Getty den CIA-Vermittler Fletcher Chase (Mark Wahlberg) auf die Entführer an und gibt Gail somit eine kleine Chance, ihren Sohn vielleicht doch noch lebend zurückzubekommen.

Die Geschichte darum, wie dieser Film entstand ist sicher größer als der Film selbst, was aber auch keine Überraschung ist. Es mag sarkastisch und irgendwie böse klingen, doch einem Ridley Scott kann diese enorme Werbung (und sei sie letztendlich auch noch so negativ, wenn es um Kevin Spacey geht) eben nur gelegen kommen. Der Eventcharakter eines neuen Scott-Films ist doch eher in die Nullflaute gerutscht, sein letzter wirklich starker Film ist mit "Der Marsianer" auch schon zweieinhalb Jahre her und seitdem hat er eben auch schon die "Alien"-Reihe in die falsche Richtung befördert, wobei sich in der Vita des einst so meisterhaften Regisseurs auch schon enttäuschende Werke wie "Exodus" oder der unglaublich miese "The Counselor" tummeln. 
Ganz so schlimm wird es dieses Mal dann zum Glück nicht, nein, ganz im Gegenteil, Scott hat einen guten Film gemacht, dem man das seit Ende Oktober recht hektische Nachproduzieren etlicher Szenen nicht anmerkt. Würde man es nicht wissen, man würde kaum glauben, dass noch so viel an den Film getan wurde, wirkt er doch wie aus einem Guss. Kevin Spacey habe ich dabei nicht vermisst, da sich "Remember"-Star Christopher Plummer hier doch auch als Idealbesetzung erweist, der eine schlichtweg großartige Leistung darbietet. Ob es dafür gleich einen Oscar als bester Nebendarsteller hageln wird, wage ich zu bezweifeln, sieht seine Nominierung doch eher wie ein Zeichen gegen den sexuellen Machtmissbrauch aus... dass er seine Sache aber dennoch fantastisch macht, ist niemals von der Hand zu weisen. 
"Pain & Gain"-Star Mark Wahlberg gefällt als wortkarger CIA-Vermittler, doch wird ihm von Michelle Williams recht deutlich die Schau gestohlen, denn die zurzeit auch mit dem Familien-Musical "Greatest Showman" in den Kinos beheimatete Schauspielerin wirft sich mit schier unglaublichem Elan in ihre Rolle, ohne dabei unangenehm zu überzeichnen. Das Duell der drei Top-Stars macht dank aufrüttelnder Leistungen also durchaus Laune, darüber hinaus weiß Scott auch in seinen älteren Jahren noch immer, wie man spannende Szenen kreiert, sie packend inszeniert, wie man eine Kamera positioniert und seine Schauspieler führt. Dementsprechend sieht das alles sehr gut aus, hat Schwung und schöne Bilder zu bieten und ist in einigen Momenten auch angenehm spannend. 
Einige Längen gibt es aber noch obendrauf, denn die Geschichte muss eben so erzählt werden, wie sie wirklich passiert ist, weswegen sich der Plot im Mittelteil, wenn die Entführungen, Fluchtversuche und Rettungsaktionen, die natürlich nach hinten losgehen, um den Film nicht zu rasch enden zu lassen und auch mit der True Story d'accord zu bleiben, sich wiederholen, doch ein wenig zieht. Auch wirken die Charaktere dabei nicht immer wirklich rund auserzählt, einige auf dem Papier interessante Beziehungen, insbesondere zwischen dem jungen John und seinen ausgefuchsten Entführern, sind es leider auf der Leinwand nicht mehr. Das ist etwas schade, verliert der Film abseits von seiner treffsicheren Thriller-Spannung hier doch ein wenig an Wert, was "Alles Geld der Welt" zu einer spannenden Hatz, aber eben auch nicht zu mehr macht.

Fazit: Trickreicher Thriller mit hervorragend aufgelegter Besetzung und einer professionellen Regie, dem jedoch der letzte Funke fehlt. Die Geschichte dreht sich ab und an im Kreis, die Charaktere sind nicht immer rund geschrieben... das kostet Abzüge in der B-Note, wobei die Produktionsgeschichte des Films dann letztendlich doch etwas aufregender und krasser ist als das Werk selbst.

Note: 3+






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