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Die Verlegerin

Da hatte Mr. Spielberg offensichtlich doch noch ein bisschen Zeit übrig. Der "Indiana Jones"-Kult-Regisseur ist ja bekannt dafür, oftmals ein paar Jahre herumgehen zu lassen, um sich dann gleich mit mehreren, oftmals enorm unterschiedlichen Produktionen zurückzumelden... so geschehen zum Beispiel im Jahr 1993 mit "Jurassic Park" und "Schindlers Liste" oder 2005, als er die Kinos mit seinem "Krieg der Welten"-Remake zum Erbeben brachte, um kurz darauf mit "München" ein intensives und wichtiges Drama vorzulegen. Auch 2018 ist ein solches Jahr und nur gut anderthalb Monate vor seinem neuen Sci-Fi-Knüller "Ready Player One" bekommt nun auch Deutschland seinen neuen Film zu sehen... der dann auch bei den Oscars mitmischen könnte.

DIE VERLEGERIN


Seit vier Präsidentschaften werden bereits immer neue amerikanische Soldaten entsandt, um endlich den Vietnamkrieg für sich zu entscheiden und auch wenn Verteidigungsminister Robert McNamara (Bruce Greenwood) vor Kameras eine gute Miene aufsetzt ist klar, dass all dies nichts bringen wird. Das ist Präsident Nixon im Weißen Haus ebenso klar wie der Führungsriege seines Beraterstabes, trotzdem führen sie den Krieg weiter, um sich eine Schmach zu ersparen. Als die Presse Wind von der Sache bekommt, ist ein Skandal zum Greifen nah... und Katharine Graham (Meryl Streep) und Ben Bradlee (Tom Hanks) von dem noch arg belächelten Blatt "Washington Post" gehen der Sache auf den Grund, um womöglich eine unglaubliche Geschichte zu veröffentlichen.

Die Geschichte der Pentagon Papers hat die Pressefreiheit verändert... ein Stoff wie gemacht für Steven Spielberg, der sich ja bereits seit Dekaden nicht nur auf grandiose Blockbuster-Unterhaltung, sondern auch auf prestigeträchtige Dramen, vornehmlich nach einer wahren Begebenheit und mit politischem Brennstoff, versteht, die dann auch gerne mal den ein oder anderen Oscar mit nach Hause nehmen. Auf eine der goldenen Trophäen wird er dieses Jahr zwar wohl verzichten müssen, da "Die Verlegerin" nur in zwei Kategorien nominiert ist und dabei wohl keine reele Chance auf einen Gewinn hat, aber das tut dem Filmvergnügen, welches er nun erneut erschaffen hat, kaum einen Abbruch. 
Ich gebe zu, dass es mir zu Beginn schwer fiel, mich in die Handlung einzufinden, da ich mit dem historischen Kontext nicht genügend vertraut bin alsdass ich sofort wissen konnte, wie der Hase läuft. Gerade für Unwissende dürfte die Geschichte während der ersten Dreiviertelstunde dabei vielleicht noch ein wenig ziellos vor sich hinlaufen und manch eine etwas geschwätzige Länge verursachen, trotzdem entwickelt das Werk bereits nach wenigen Minuten einen gewissen Sog. Spielberg nimmt sich Zeit, um die Figuren einzuführen und noch mehr Zeit, um die prikäre Situation auszuspielen. Er gibt sämtlichen Personen Raum zur Entfaltung und dem Zuschauer sogar noch spannende Einblicke in den Alltag einer Zeitung... so spannend hat wohl noch nie jemand bebildert, wie solch eine Druckerpresse funktioniert und was für eine grandiose Organisation es von der Erstellung der Titelseite bis hin zum Verschnüren und Ausliefern der Blätter in die Automaten ist. 
Spielbergs Inszenierung steht dabei wieder für sich - sein Stammkameramann Janusz Kaminski sorgt für unvergleichliche, aber niemals protzige Bilder, "Star Wars"-Komponist John Williams entwirft einen wunderschönen, klassischen Soundtrack und in Sachen Ausstattung und Szenenbild, wobei die 60er Jahre schier aus der Leinwand auferstehen, muss man wohl kaum weiteres Lob aussprechen... auf solcherlei Dinge versteht sich unser Steven einfach. Wenn er die Papers-Affäre ab der zweiten Hälfte schließlich wie einen reißerischen Thriller inszeniert, ohne dabei aber allzu effekthascherisch vorzugehen und trotz enorm vieler Dialoge den Zuschauer durchgehend zu packen vermag, ist man schließlich gebannt. Es braucht wohl wirklich einen ikonischen Regisseur wie ihn, um selbst eine minutenlange Diskussion über vollkommen durcheinandergeratene Seiten eines geheimen Regierungsprotokolls ohne pochenden Soundtrack oder wilde Schnitte noch so spannend zu inszenieren.
Spielberg setzt lieber auf wunderbar wirkende Plansequenzen, er ist schnell, aber dennoch mit seliger Ruhe am Werk, beweist Sinn für herrlich trockenen Humor, nimmt seine Figuren aber dennoch ernst. Schauspielerisch ist es Meryl Streep, die ihre erneute Oscarnominierung einfährt, doch auch wenn sie zweifellos gewohnt brillant agiert, so kommt einem genau dies doch eher wie ein Standard vor, wird sie doch ohnehin jedes Jahr aufs neue nominiert. Ich empfand "Inferno"-Star Tom Hanks in der männlichen und ähnlich großen Hauptrolle als mindestens ebenso stark und möchte auch einen herrlich charismatischen Tracy Letts, den manch einer sicher noch aus der Thriller-Serie "Homeland" kennt, sowie "Nebraska"-Star Bob Odenkirk hervorheben, die in kleinen, aber gewichtigen Rollen eine grandios charmante Atmosphäre verbreiten.

Fazit: "Die Verlegerin" mäandert in der ersten Hälfte etwas ziellos vor sich hin, bevor Spielberg endlich zu alten Qualitäten zurückrudert und die Pentagon-Paper-Affäre mit Witz, Intelligenz und ruhiger Dramatik in seinem historischen Kontext hochspannend inszeniert - eine packende Geschichtsstunde mit starken Darstellern und einer brillanten Inszenierung.

Note: 2-






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