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Die Verführten (2017)

Trailer können in die Irre führen - manchmal versehentlich, manchmal auch absolut absichtlich. Das Studio, welches letztendlich für die Vermarktung verantwortlich sind (Regisseure haben dabei meistens kein wirkliches Mitspracherecht mehr), versuchen natürlich, das Werk passend für das potenzielle Publikum zu bewerben, was dazu führt, dass sehr eigensinnige Arthouse-Filme in der Filmvorschau ganz anders gezeigt werden. So dürften sich Mainstream-Zuschauer, die den Trailer zu Sofia Coppolas "Die Verführten" gesehen und sich auf einen bösartigen Thriller eingestellt haben, doch nach der Sichtung des eigentlichen Films verwundert die Augen gerieben haben, denn was sie bekommen haben, ist ein Kostüm-Drama... ein langsam und betulich erzähltes, dafür aber stark geschriebenes Stück Film.

DIE VERFÜHRTEN


1864: Der Bürgerkrieg tobt seit drei Jahren und in einem Mädchenpensionat lebt eine Handvoll junger Frauen und Mädchen zusammen, lernend und auf ihre Brüder und Männer wartend, die im Krieg teilweise bereits ihr Leben gelassen haben. Eines Tages findet die kleine Amy (Oona Laurence) bei der Pilzsuche im Wald den schwer verletzten "Rednack" John McBurnal (Colin Farrell) und bringt ihn ins Pensionat, wo er gesund gepflegt werden soll. Die restlichen Damen, darunter auch die strenge Hausmutter Martha Farnsworth (Nicole Kidman), ist erst dagegen, gibt jedoch wegen ihrem christlichen Glauben nach. Schon bald herrscht Unruhe im Haus, da der gutaussehende Soldat die Herzen der Frauen zum Schmelzen bringt...

Ich war zum Glück vorgewarnt, sonst wäre ich letzten Endes vielleicht auch ein wenig enttäuscht gewesen. Hätte ich, wie es der Trailer suggeriert, einen doch recht herben Thriller erwartet, der sogar mit "Saw"-Manirismen spielt, hätte mich der letztendliche Film wahrscheinlich eher untersättigt - somit ist die Enttäuschung manch eines uninformierten Zuschauers, der ein gänzlich anderes Genre erwartet hat, zumindest ein bisschen nachzuvollziehen. Natürlich gibt es in der zweiten Hälfte noch einige Szenen, in denen sich die Situation zuspitzt und entlädt, in der Gesamtsumme kommen diese jedoch nur auf wenige Filmminuten und gehören auch zu den schwächeren Momenten eines ansonsten recht intensiven Werks. 
Intensiv aber eben gerade nicht deswegen, weil man hier mit einer durchgehenden Spannung belastet wird, sondern weil sich die gut gezeichneten Figuren in den sehr ruhigen Dialogen oder etlichen Bildern, in denen auch mal kaum ein Wort gesprochen wird, so wunderbar ergänzen. Die fantastische Kameraarbeit, die Kostüme und die atmosphärische Ausstattung erschafft ein rundes Bild zur damaligen Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs und bildet das Setting für ein weniger romantisches als viel mehr dramatisch angehauchtes Quartett aus Figuren, die oftmals absichtlich untererzählt bleiben. Ihr Background ist weniger wichtig, wie sie in gewissen Momenten und Szenen im Jetzt und Heute agieren, hat mehr Ausdruckskraft. 
Das ist nicht immer wirklich leichte Kost, hat aber einen gewissen Drive und wird trotz des langsamen Tempos und einer Geschichte, in der eigentlich gar nicht so viel passiert, nie wirklich langweilig. Natürlich, wie es für Sofia Coppola typisch ist, fehlt es hier an echter Dringlichkeit. Ja, der Film plätschert manchmal vor sich hin, setzt eher auf subtile Inszenierungen, weniger auf eine echte Zuspitzung. Das dürfte dem ein oder anderen als Kalkül der Langatmigkeit ein Dorn im Auge sein, dank der treffsicheren Inszenierung, die sich weder hetzt noch irgendwem beweisen muss und das Auge auf die kleinen Gesten setzt, fühlt man sich dennoch gut unterhalten. 
Starke Leistungen bieten dabei auch die Schauspieler, wobei überraschenderweise nicht Nicole Kidman und Colin Farrell in den prominent herausgehobenen Hauptrollen das meiste Lob verdienen. Sie sind beide sehr gut, herausstechen tun jedoch zwei andere: Elle Fanning, die kleine Schwester der mittlerweile auf der Leinwand doch eher rar gewordenen Dakota Fanning und bekannt aus Filmen wie "Maleficent" und "Trumbo", weiß als kecke, junge Dame, in deren Gesicht sich unglaublich viel abspielt, wo jeder Blick noch Raum für etliche Interpretationen zulässt, zu begeistern. Mindestens ähnlich gut agiert "Hidden Figures"-Star Kirsten Dunst, die schließlich zu einer wichtigen Schlüsselfigur wird und innerhalb der heimlichen Konkurrenz im Haus der Damen für Feuer sorgt. Wirkliche Überraschungen fehlen im ruhigen Plot, weswegen gerade das letzte Drittel doch recht wirkungslos verpufft, die wirklich letzten Entscheidungen eher halbgar wirken. So wird auch dieses Werk von Ms. Coppola die Zuschauer erneut spalten und vielleicht wird diesmal auch kaum jemand wirklich zufrieden in den plötzlich rollenden Abspann gehen. Man kann aber nicht sagen, dass das Gesehene nicht auf irgendeine spezielle Art und Weise interessant war - Stoff zum Diskutieren ist anschließend also auf jeden Fall gegeben.

Fazit: Ruhiges Drama, welches viel Wert auf subtile Werte legt. Schauspielerisch und insbesondere inszenatorisch ein wahres Wunderwerk, wobei die Geschichte letztendlich aber nie ganz Schritt hält, da es an Dringlichkeit fehlt und der Story im letzten Drittel merklich die Luft ausgeht.

Note: 3+




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