Direkt zum Hauptbereich

Jungle

Nicht jeder Mensch sollte sich wirklich für einen Abenteurer halten - zu oft hört man Geschichten von zumeist jungen Menschen, die im Dschungel hoffnungslos verloren gehen, weil sie die Gefahren dort unterschätzen. 2008 erzählte Sean Penns eindrucksvolles Werk "Into the Wild" von solch einem Fall und auch "Jungle" setzt sich genau mit einer solchen Thematik auseinander, beruht ebenfalls auf einer ebenso wahren wie unglaublichen Geschichte. Man kann daraus sicherlich noch etwas lernen, sich aber auch intensiv unterhalten lassen, sofern man sich denn von einem Film des Genres Abenteuer nicht etwas anderes erwartet...

JUNGLE


Im Jahr 1981 verschlägt es den ehrgeizigen Abenteurer Yossi Ghinsberg (Daniel Radcliffe) nach Bolivien. Dort erfährt er von einem selbsternannten Dschungel-Experten namens Karl Ruprechter (Thomas Kretschmann) von einem unentdeckten Menschenstamm tief im Herzen des Dschungels, auf keiner Karte verzeichnet, unberührt. Yossis Abenteuerherz ist sofort geweckt und gemeinsam mit zwei Freunden begleitet er Karl schließlich in die Tiefen des Dschungels. Doch dort lauern Gefahren, die sie zuvor unterschätzt haben und auch Karl selbst scheint ein Geheimnis zu verbergen, welches den drei jungen Männern noch zum Verhängnis werden könnte...

Viel erfährt man nicht über die handelnden Figuren, die sich hier meistens zu viert durch den dichten Dschungel schlagen und das ist auch gar nicht nötig. Da werden in sekundenlangen Rückblicken gemeinsame Essen am Familientisch und ein jähzorniger Vater gezeigt, ansonsten bleiben die Leben von Yossi, Kevin und Co. weitestgehend ein unbeschriebenes Blatt und das ist eigentlich sogar gut so. Im Grunde spielt es nämlich keine Rolle, wer oder was sie vorher waren, es ist sogar nicht ganz so wichtig, was sie überhaupt in Bolivien suchen, mit dem Unterschied, dass der eine ganz versessen darauf ist, den geheimnisvollen Stamm zu entdecken, während der andere sich mit der um ihn herum entwickelnden Situation schließlich alles andere als wohlfühlt. Im Dschungel sind sie aber letztendlich alle gleich und wenn sie sich mit hungrigen Jaguaren in der Nacht, bissigen Feuerameisen, den Wetterkapriolen, Hunger und reißenden Flüssen herumschlagen müssen, zählt die Vergangenheit nicht mehr. 
"Wolf Creek"-Regisseur Greg McLean gelingt es dennoch, dass uns die vier Männer nicht allzu fremd erscheinen und es dürfte an der ohnehin unmenschlich grausamen Situation liegen, die sie erleben, dass wir bis zum Ende mit ihnen mitfiebern. McLean gelingen einige Momente grausamen Realismus, bei welchem wir die Zähne zusammenbeißen, unsere Fingernägel vor niemals überspitzter, dafür umso treffsicherer Spannung abkauen wollen - wenn Daniel Radcliffes Yossi eines Tages im Dschungel eine merkwürdige Beule auf seiner Stirn untersucht, biedert sich McLean sogar bisweilen beim Body-Horror-Genre an. Er ist dann letztendlich doch eher ein Fan der lauteren Töne, lässt Flöße gegen Felsen und Köpfe gegen Steine krachen, traut sich für eine FSK-12-Freigabe einige recht heftige Bilder zu und entwickelt seine Geschichte linear. 
Es gibt kaum Subplots, es geht nur um den Kampf ums Überleben und ohne zusätzliches Gepäck erfährt die Story dann auch durchaus eine recht überzeugende Intensität. Einige Längen gibt es dabei obendrauf, nicht alle Figuren sind wirklich glaubwürdig charakterisiert und zu Beginn fehlt es dem Werk dann auch ein wenig an Schwung - die wunderbaren Aufnahmen des tödlichen Dschungels und einzelne Momente, die sich noch länger ins Gedächtnis des Zuschauers einbrennen, entschädigen jedoch für solche Schwächen. 
An vorderster Front, neben der beinharten Inszenierung des Regisseurs, ist es jedoch die Show von "Harry Potter"-Star Daniel Radcliffe. Dieser hat es in den letzten Jahren geschafft, sich durch Hauptrollen in erwachsenen Filmen wie "Die Frau in Schwarz" und "Horns" vom Image des Zauberlehrlings abzuheben und hier beweist er nun nicht nur erneut, sondern gar so eindrucksvoll wie noch nie, dass er einiges auf dem Kasten hat. Als bebrillter Auserwählter glänzte er nicht immer, in der One-Man-Show der zweiten Hälfte agiert er jedoch so furchteinflößend gut, mit einer solchen Kraft, so viel Wut und Verzweiflung, einem ganzen Strickmuster verschiedenster, großer Emotionen in wenigen Sekunden, dass man vor ihm nur den Hut ziehen kann. An seiner Seite agiert dann auch der deutsche Export Thomas Kretschmann, bekannt aus "King Kong" und "Wanted", mit gewohnt undurchsichtiger Präsenz.

Fazit: Intensiver und ebenso harter wie spannender Abenteuer-Rausch, der sich weniger für den Background seiner Figuren als für seine heftige und berauschende Inszenierung interessiert. Das besitzt manch eine Länge, ist aber so hochspannend und von Daniel Radcliffe so ergreifend gespielt, dass man seinen Blick doch kaum abwenden kann.

Note: 3+




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid