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Loving (2016)

Die Ehe ist ein Menschenrecht, ganz gleich zwischen wem. Dass dies nicht immer und erst recht nicht in jedem Fall so ist, ist bekannt - so wurde die gleichgeschlechtliche Ehe sogar erst im vergangenen Jahr in Deutschland erlaubt und auch die "gemischtrassige" Ehe, wie man sie einst nannte, war gar mal eine Straftat. Dass ist aus heutiger Sicht und gerade für junge Leute wie mich kaum noch vorstellbar, doch in den 50ern und früher war dies ein klares Gesetz, so gruselig sich dies auch anhören mag. "Loving" erzählt die persönliche Geschichte eines sich liebenden Paares, welches sich gegen dieses Gesetz stellt, ist als Film jedoch weitestgehend unaufregend und unaufdringlich geraten...

LOVING


In den 50er Jahren werden Richard Loving (Joel Edgerton) und seine farbige Ehefrau Mildred (Ruth Negga) verhaftet, da die gemischtrassige Ehe gegen das Gesetz im Bundesstaat Virginia verstößt. Die beiden fliehen aus dem Staat, kehren jedoch bald darauf zurück, um das Urteil mit Hilfe eines unvoreingenommenen Anwalts anzufechten. Das setzt etliche Hebel in Gang, die Lovings machen sich Feinde, sorgen aber auch für Aufruhr... schon bald könnten sie gar die Chance erhalten, das Gesetz abzuschaffen. Dabei müssen sie im Angesicht der Presse aber auch Einbußen ihrer Privatsphäre hinnehmen und sich mit gewissen Menschen auseinandersetzen, welche Richard und Mildred als Verachter der menschlichen Rasse ansehen...

Es ist im Grunde die Art von "Midnight Special"-Regisseur Jeff Nichols, seine Filme möglichst unaufgeregt, gar schon entschleunigt zu erzählen. Das stößt beim Mainstream-Publikum natürlich auf wenig Gegenliebe, trotzdem muss man Nichols für seine eigene Art irgendwie mögen - er biedert sich nicht mal bei den Oscars an, zu denen sämtliche Filmemacher über Spielberg bis hin zu Nolan stets gegen Jahresende schielen, verzichtet auf hochdramatische Gesten, auf einen kohärenten Spannungsbogen oder tränendrückende Emotionen. Stattdessen erzählt er auch sein Drama "Loving" als schlichtweg hochrealistische, etwas unterdrückte Geschichte über Liebe und Geborgenheit, eingebunden in einen wichtigen historischen Kontext, schön inszeniert, ausgestattet mit talentierten und zurückgenommen agierenden Darstellern, bei denen man sich kaum entscheiden kann, wer denn nun besser ist: Die ungemein ausdrucksstarke und für diese Rolle tatsächlich oscarnominierte Ruth Negga oder doch "Exodus"-Star Joel Edgerton in der eigentlichen Hauptrolle, der hier einige enorm gewichtige Szenen zum Besten gibt. 
Das ist alles löblich gemacht, es reicht aber eben auch nicht zu mehr als einem höchstens soliden Film. Man muss sich wirklich schon auf Nichols' Stil einlassen, um dem Werk einige sicherlich beabsichtigte Längen zu verzeihen und sich abwenden von all den anderen Dramen der letzten Jahre, die mit mehr Kraft daherkommen. Nichols will gar keine Kraft zeigen, er will einfach nur seine Geschichte erzählen, in schönen Einzelszenen, mit ruhigen Dialogen, ohne Spannung oder Action - er will einfach nur zwei Figuren porträtieren, die sich gegenseitig lieben und für diese Liebe auch bereit sind, Risiken einzugehen. Wer ein kraftvolles Drama sehen möchte, ist in der Liga rund um "Titanic" oder "Die Verurteilten" besser bedient und auch mir haben diese beiden Werke wesentlich besser gefallen. 
Problematisch an "Loving" ist schließlich nämlich doch, dass es in dem historischen Kontext, dem sich Nichols hier angenommen hat, wirklich um etwas geht, dass es eine enorme Bedeutung in der amerikanischen Geschichte hat, die bis heute ihre unübersehbaren Nachwirkungen nach sich zieht. Nichols jedoch inszeniert diese Geschichte, als wäre das alles zwar irgendwie wichtig, aber vielleicht doch nicht ganz so sehr. Die Charaktere leiden, aber sie wirken dennoch so, als könnten sie kaum bedroht werden, als würde es für sie vielleicht doch nicht um zu viel gehen. 
In Einzelszenen kann die gegenseitige Liebe der beiden Protagonisten mit wenigen Worten und einer phänomenalen Kamera faszinierend dargestellt werden, in wiederum anderen Momenten wirkt der Film aber so, als wolle er sich nicht aufplustern, bloß nicht zu hektisch werden, was ihn doch wesentlich zu sehr entschleunigt, das Werk gar einige Male auf der Stelle treten lässt - einige Szenen, zum Beispiel ein doch etwas überdramatisch hergeführter Autounfall, hätten der Schere zum Opfer fallen können, ohne dass dabei ein Substanzverlust zu befürchten gewesen wäre. Das hat dann nur wenig Spannung zu bieten, dafür aber umso mehr Tiefgang, wenn man sich denn darauf einlässt - mir ist dies über die teils recht langen zwei Stunden aber sicherlich nicht immer wirklich gelungen.

Fazit: Stark gespieltes Drama, wunderbar inszeniert, entschleunigt und leise. Die Geschichte tritt leider bisweilen auf der Stelle, hätte sicherlich etwas mutiger und gewichtiger erzählt werden können. Trotzdem ist es schön, dass Nichols seinem ruhigen Stil treu bleibt, auch wenn ich mit diesem hier weniger anfangen konnte.

Note: 3-








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