Direkt zum Hauptbereich

Three Billboards outside Ebbing, Missouri

So richtig anfixen tun mich die Oscars dieses Jahr nicht und damit scheine ich überraschenderweise recht allein dazustehen. Dies mag daran liegen, dass ich die Überraschungserfolge "Dunkirk" und "Get Out", die mit etlichen Nominierungen versehen wurden, niemals so sehr abgefeiert habe, eher sogar massiv von ihnen enttäuscht war und dass mich auch die restliche Oscarware bislang nicht richtig angefixt hat. "Die dunkelste Stunde" habe ich gar verpasst und "Three Billboards outside Ebbing, Missouri" nun auch erst gut zwei Wochen nach dem deutschen Start nachgeholt... Schuld war mein privater Umzug. Aber gut, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben oder so ähnlich, weswegen ich natürlich trotzdem einen Blick riskieren wollte.

THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI


Vor sieben Monaten wurde ihre Tochter brutal vergewaltigt und ermordet, nun geht Mildred Hayes (Frances McDormand) zum Angriff gegen die Polizei über: Sie mietet drei Billboards, auf welchen sie Sheriff Bill Willoughby (Woody Harrelson) anprangert und fragt, wieso es denn noch immer keine Verhaftung gegeben habe. Dies führt in der kleinen Stadt Ebbing bei Missouri zu einigen Vorkommnissen - Mildred macht sich die ersten Feinde, ebenso die Menschen, die sie bei der Suche nach Gerechtigkeit unterstützen. Die Frau lässt sich jedoch nicht unterkriegen und zieht wort- und auch mal faustgewandt gegen die Menschen in den Kampf, welche die Suche nach dem Täter behindern - darunter auch der labile und schnell aus der Haut fahrende Polizist Officer Jason Dixon (Sam Rockwell)...

Das klingt jetzt alles nicht so wirklich lustig und ist es im Kern natürlich auch nicht - Regisseur Martin McDonagh, der uns bereits mit "7 Psychos" bespaßte, schafft es aber dennoch, aus diesem Plot das Maximum an komödiantischem Timing herauszuholen, ohne dabei die tiefe Dramatik seiner Geschichte zu untergraben. Zu beschreiben, wie dies möglich ist, ist schwer, weswegen man sich vielleicht einfach selbst davon überzeugen sollte - solche Filme sind ohnehin so selten geworden, dass sich eine Sichtung so oder so lohnt. 
Die Geschichte an sich hetzt sich glücklicherweise nicht, ist aber auch nicht so langsam und trocken erzählt, wie es viele Oscar-Filme tun. Nein, "Three Billboards" hat genau das richtige Tempo, ist eigentlich keine Minute zu lang oder zu kurz, hätte gegen Ende vielleicht noch ein wenig zusätzliche Erzählung vertragen können, da mir dieses nicht gefiel, aber das mag anderen sicherlich anders gehen... und macht dementsprechend sehr viel Laune, beansprucht das Zwerchfell, aber auch unsere Seite der Moral. Der Film geht dabei etliche Wagnisse ein, ist ebenso mutig wie böse, ohne dabei aber gewollt zu wirken. 
So sprechen die Figuren streckenweise ziemlich fiese Dinge aus, die unangebracht, schier grausam sind, dennoch passen genau diese Äußerungen immer wieder in den Kontext einer schwarzen Komödie. Dabei suhlt man sich nicht im Wortwitz und verliert nie die eigentliche Dramatik der Geschichte aus den Augen, springt nicht ungelenk zwischen zwei Genres hin und her, sondern behält den ebenso eigensinnigen wie packenden Stil bei, was zu einem zumindest auf inszenatorischer Weise sehr runden Gesamtbild führt. Richtig rund ist die Geschichte dabei zwar gegen Ende nicht mehr, aber das sind eigentlich Kinkerlitzchen, die eh jeder Zuschauer anders aufnehmen wird. 
Leben tut der Film ohnehin am meisten von den handelnden Figuren, denn diese sind das Herz und die Seele, sie geben dem Werk die Luft zum Atmen. Besonders viel Spaß machen die Nebenfiguren, die niemals zu Kanonenfutter fabriziert werden, sondern stets, obwohl sie anfangs noch als Sidekicks eingeführt werden, immer eine kleine Entwicklung durchlaufen. Über den tumben Sergeant, die zickige Tochter und die neue, jugendliche Freundin des brutalen Ex-Ehemanns... all diese Figuren haben komödiantisches und zeitgleich auch dramatisches Potenzial, wobei sie nie zugunsten eines Gags oder einer Träne verraten werden, was die Charaktere ungemein lebhaft macht. Gerade deswegen sind sie eben auch manchmal so witzig, weil die Dialoge ebenso ungehemmt wie echt wirken, nicht darauf aus sind, stets mal einen Gag zu landen - es könnten auch Gespräche sein, die einige eher kurzsichtige, aber auch oftmals wortgewandte Menschen so auf dem Weg zur Arbeit in der Bahn austauschen. 
McDonagh muss dabei natürlich in erster Linie seinem großartigen Ensemble danken, denn ohne dieses wären solch starke Dialoge, die immer wieder von der schwarze Komödie hin zum packenden, aber auch nie überdramatisierten Drama wechseln und dennoch in Schwung bleiben, sicherlich kaum möglich gewesen. Neben Woody Harrelson, "Get Out"-Star Caleb Landry Jones und einem herrlich selbstironischen Peter Dinklage sind es natürlich die zwei größten Rollen, die hier auch nochmalig hervorstechen. Es sind beides keine Überraschungen und dennoch kann man oftmals nicht anders, als beiden mit offenem Mund erstaunt zu folgen: Frances McDormand ist schlichtweg brillant, trägt die vielschichtige Konzeption ihrer Figur, springt gelenk von bösem Anarcho-Humor hin zur leisen Sentimentalität und ist dabei schlichtweg entwaffnend gut. Fast noch besser agiert "Bad Sitter"-Star Sam Rockwell, dem auch die mutigsten Plots zugestanden werden, denn auch er ist nicht nur ein fieser Rassist und Frauenschläger. Nein, wenn seiner Figur schließlich auch noch vollkommen passende emotionale Abgründe zugeschrieben werden und er in einer der spannendsten Szenen der letzten Kinomonate etliche Plots zusammentackern darf, dann glänzt Rockwell in einer Paraderolle - der Oscar als bester Nebendarsteller nächsten Monat dürfte ihm nun kaum noch zu nehmen sein.

Fazit: "Three Billboards" gelingt der Spagat zwischen undramatischer und dadurch treffsicherer Sentimentalität, abgründigem Humor und entwaffnender Charakterstudie. Das wirkt nicht immer rund und verliert gegen Ende leider auch an Fahrt, ist dafür aber schauspielerisch durchgehend so brillant, dass einem in Einzelszenen der Atem stocken kann... wenn man sich denn nur auf dieses Experiment einlassen mag.

Note: 3+




Kommentare

  1. Der Film hat mich absolut überzeugt, was auch an der Hauptdarstellerin Frances McDormand gelegen hat. Mich hatte es sehr gewundert, dass "Three Billboards" als Komödie verkauft wird. Für mich hat in diesem Film die Dramatik überwogen.
    LG
    Sabienes

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid