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How to Get Away with Murder - Die dritte Staffel

Vier Monate sind vergangen, seit Wallace Mahoney (Adam Arkin), Vater von Wes Gibbins (Alfred Enoch), auf offener Straße von einem Unbekannten erschossen wurde. Das Leben der "Keating 5" hat sich über den Sommer anscheinend etwas beruhigt, wobei auch die Wogen zwischen den Studenten und Annalise Keating (Viola Davis) geglättet werden konnten. Doch dann kommt es an der Universität zu einem Denunzierungsversuch gegen Annalise, welche die Anwältin in Konflikt mit ihren Kollegen und Vorgesetzten bringt. Annalise vermutet, dass der sich auf der Flucht befindliche Frank (Charlie Weber) hinter dem Angriff steckt und setzt alles daran, ihn ausfindig zu machen. Währenddessen muss sie mit ihren Studenten auch eine ganz neue Herausforderung angehen, denn diese bekommen zum ersten Mal eigene Fälle an die Hand, die sie als angehende Anwälte selbst ausfechten müssen...

Nach der erzählerischen ziemlich wirren Beinahe-Bauchlandung der zweiten Staffel findet "How to Get Away with Murder" mit der dritten Season glücklicherweise wieder in stärkere Bahnen. Dies erreicht die Show durch einen ebenso simplen wie wichtigen Kniff - die Handlung springt zu Beginn gleich vier Monate vorwärts und bietet den Charakteren so zumindest ansatzweise eine Art Neuanfang. Das befreit die Show von dem enormen erzählerischen Ballast, der nur noch um seiner Wendungen wegen existierte, und bietet Potenzial, um durchzuatmen und den ganzen Kram anschließend zu ordnen. Sicher, das ist keine sehr elegante Lösung, mit dem ganzen Seemansgarn der Vorgängerstaffel aufzuräumen, aber es sorgt zumindest für etwas mehr Luft - und vom Tisch sind die ganzen Handlungsstränge damit ja auch nicht, nur nimmt man ein wenig Abstand, um sie ohne die ständige Pistole auf der Brust zu betrachten. Dadurch gelingt dann auch eine Erzählung, die deutlich fokussierter und griffiger ist, ohne jedoch an das grandiose Niveau der ersten Staffel heranzureichen. Drin sind dementsprechend endlich wieder mehr Emotionen und Szenen, die die Charaktere auch als Menschen und nicht nur als Spielbälle in einer Handlung zeichnen. Die Geschichte ist spannender, schürft tiefer und leistet sich deutlich weniger verrückte Überraschungen.
Auch Viola Davis kehrt als ganz klares Zentrum der Geschichte zurück. Auch wenn jeder Teil des Ensembles wieder seine nötige Zeit bekommt (besonders der anfangs noch etwas gewöhnungsbedürftige, später aber deutlich stärkere Handlungsstrang rund um Frank gefällt), so ist es doch Davis' Interpretation von Annalise Keating, die sich als absoluter Dreh- und Angelpunkt der ganzen Erzählung herausstellt und der Oscarpreisträgerin somit wieder etliche Gelegenheiten bietet, so richtig abzuliefern. Ich vermisse zwar weiterhin diesen gar unzerstörbaren Drachen der ersten Season, der selbst einem Wirbelsturm mit stoischer Miene standhalten könnte, doch auch in dieser selbstzerstörerischen, depressiven und aggressiven Form ist Davis eine echte Hausnummer. Alle anderen Darsteller machen ihre Sache weiterhin fantastisch, stehen aber natürlich in ihrem Schatten, was bei solch einer schauspielerischen Leistung wahrlich keine Schande ist. Immer noch dabei ist indes auch das Konzept eines zu Beginn noch in der Zukunft liegenden, schrecklichen Ereignisses, welches über die einzelnen Folgen hinweg immer weiter entblättert wird. Auch dieser Plot ist wesentlich gerissener und dramatischer erzählt als in der Vorgängerstaffel und hält so die Spannung bis zu einer schockierenden Auflösung hoch.
Man muss jedoch zugeben, dass einige dieser tief treffenden Überraschungen vor allem deswegen so gut funktionieren, weil die Serie den Zuschauer weniger elegant an der Nase herumführt. An einigen Stellen werden Schnitte, zeitliche Andeutungen und Szenenabfolgen bewusst so ad absurdum geführt, dass man auf die echte Lösung kaum kommen kann - ihre Wirkung entfaltet sie dennoch. Das ist dann zwar irgendwie etwas fies, aber immerhin deutlich besser erzählt als in der zweiten Staffel, die ja im Grunde nur Wendung an Wendung tackerte. Hier haben all diese falschen (und manchmal richtigen) Fährten jedoch zumeist auch emotionales Gewicht, was die Charaktere und ihre Handlungen fordert. Da wirkt sogar das "Jeder hat was mit jedem"-Prinzip in den romantisch angehauchten Storylines deutlich mehr Gravitas, da die zwischenmenschlichen Beziehungen endlich auch zur echten Charakterentwicklung beitragen. Ob man all die familiären Verstrickungen nun mag oder vor allem gegen Ende, wenn wirklich mit knallharten Bandagen gekämpft wird, als zu abgefahren empfinden wird, das sei jedem selbst überlassen. Fest steht, dass die Serie nun aber wieder einigermaßen im Sattel sitzt, solange sie dieses Niveau mindestens halten oder besser noch einmal übertrumpfen kann. Die zweite Season ist somit einigermaßen revidiert, doch trotz all der emotionalen Punches geht noch etwas mehr. Ich bin jedenfalls gespannt, wie es weitergeht.

Fazit: Dramaturgisch manchmal noch ein wenig holprig, aber insgesamt wieder eine deutlich spannendere Staffel, die sich wieder Zeit für ihre Charaktere, einzelne Geschichten und die Luft zum Atmen nimmt. Einigen kruden Wendungen zum Trotz ist diese Season ein klarer Fortschritt zur zweiten Staffel und macht wieder Lust auf mehr.

Note: 3+





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