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How to Get Away with Murder - Die erste Staffel

Wes Gibbins (Alfred Enoch) ist der neueste Student an der Middleton Law School. Dort unterrichtet auch die gerissene Staatsanwältin Annalise Keating (Viola Davis), deren Kurs Wes besucht - und worin die potenziellen zukünftigen Anwälte in den cleversten und auch moralisch verwerflichsten Methoden unterrichtet werden, die es ermöglichen, ihre Klienten vor schweren Gerichtsurteilen zu bewahren. Annalise erkennt schon früh das Potenzial, welches in dem anfänglich schüchternen und nervösen Wes schlummert und nimmt ihn und vier weitere Studenten des Kurses in ihren Dunstkreis auf - sie sollen zukünftig direkt mit ihr zusammenarbeiten. Doch die fünf jungen Menschen geraten alsbald selbst in eine prekäre Situation und müssen die Methoden, die sie von Annalise selbst gelernt haben, viel früher als erwartet anwenden, um ihre eigenen Köpfe aus den Schlingen zu ziehen...

Es ist lange her, dass eine Serie für mich als echtes Suchtmittel fungiert hat. Zuletzt sah ich auf Netflix "Designated Survivor" und "The Americans" - beide konnten mich nur mäßig begeistern. Nun habe ich, da endlich alle Seasons auf dem Streaminggiganten verfügbar sind, mich endlich in die Welt von "How to Get Away with Murder" begeben können - die Thrillerserie, über die viele sprachen und die fast einstimmig begeisterte Kritiken bekam. Und ja, auch ich bin fast vollends begeistert nach der Sichtung der fünfzehn Episoden umfassenden ersten Staffel und kann behaupten, dass diese Folgen zum Besten gehören, was ich an Serien bislang in diesem Genre gesehen habe. Der Aufhänger ist dabei ebenso knackig wie originell und liefert nur den Auftakt zu einem enorm wendungsreichen Thriller-Plot, der immer wieder auf clevere Art und Weise seine Erzählmuster, seinen Tonfall und sein Tempo ändert. Dem Zuschauer wird dabei ein undurchsichtiges Puzzle geboten, welches sich mit jeder Folge ein Stück weiter zusammensetzt. Hilfreich sind dabei zahlreiche Wendungen, die uns die im Zentrum stehenden Fälle immer wieder aus einem neuen Blickwinkel betrachten lassen, und die ebenso glaubwürdig wie überraschend geschrieben sind. 
Dabei stützt sich diese erste Staffel aber nicht nur auf den fokussierten Plot rund um den Mord der vier Studenten und wie es zu diesem kam. "How to Get Away with Murder" ist eine erfrischende Symbionte aus Charakterelementen, bei welchem unsere zehn (!) Hauptfiguren erfrischend, gewitzt und dramatisch beleuchtet werden und auch die Interaktionen der Figuren untereinander für viel Brennstoff sorgen. Bisweilen funktionieren die Episoden auch ansatzweise nach einem "Fall der Woche"-Prinzip, wobei sich Annalise Keating und ihre Studenten in (fast) jeder Folge einem neuen Fall vor Gericht stellen müssen. Nicht alle diese Einzelplots sind gleich gut, doch negativ abfallen tut eigentlich keiner von ihnen. Noch dazu untermauern diese spannenden Storylines die Arbeit der Hauptfiguren und auch ihre moralischen Abwägungen - auf düstere und stellenweise schwarzhumorige Art und Weise wird uns präsentiert, dass es vor dem Gericht eigentlich keine Wahrheiten gibt, sondern nur der gewinnt, der am Ende die beste Geschichte erzählen kann... vollkommen egal, ob diese wahr ist. Es ist nur wichtig, dass sie von den richtigen Leuten geglaubt wird.
Die Serie nimmt sich dabei angenehm viel Zeit, um all ihren Figuren und deren Leben, Leidenschaften und Problemen gerecht zu werden. Da diese Plots erfrischend über die Episoden verteilt sind, bleibt das Tempo dennoch hoch und der Thriller kommt dementsprechend nicht zur Ruhe. Die Symbionte aus Charakterstudie, Krimi, Drama und Gerichtsthriller funktioniert deswegen so gut, da all diese Plots nicht stoisch nebeneinander herlaufen, sondern sich gegenseitig tangieren und in die Höhe schaukeln - keine Füller sind daher zu befürchten. Sogar im Mittelteil der Staffel, der von anderen Serien gleicher Länge ja gerne genutzt wird, um ein wenig Tempo rauszunehmen und sich leiseren, charakterbezogenen Plots zu widmen, tritt die Serie erneut aufs Gas und liefert dabei Antworten und Szenen, die man in dieser Form frühestens im Staffelfinale erwartet hätte... und all das, ohne die tiefe Charakterisierung der Figuren zu vernachlässigen. "How to Get Away with Murder" ist in seiner ersten Staffel ein Paradebeispiel für cleveres Writing, welches aber auch das Tempo nicht vergisst, das Herz anspricht und sogar noch mit Humor aufwartet.
Man mag letztendlich kritisieren, dass die zweite Staffelhälfte insgesamt nicht ganz an die Brillanz und die herrlich-verzwickte Spannung der ersten heranreicht - trotzdem sind auch die letzten fünf Folgen mit ihren ungemein schockierenden Wendungen noch immer verdammt gut. Auch nicht jeder Subplot funktioniert, so ist besonders die Geschichte rund um Studentin Mikaela und deren Probleme mit ihrem womöglich homosexuellen Verlobten eher lauwarm... doch das ist halb so schlimm, wenn dafür alle anderen Storys einen solch guten Job machen. Und sogar die obligatorischen Romanzen zwischen den Charakteren, wo scheinbar jeder etwas mit jedem hat, funktionieren unter dem Licht des Thrillers und den darüber hinaus erfrischend geschriebenen Figuren besser als erwartet. All diese Brillanz wird letztendlich aber noch die Krone durch die Hauptdarstellerin aufgesetzt, denn Oscarpreisträgerin Viola Davis beherrscht diese Serie durch ihre ungemeine Präsenz förmlich. Am Spiel der anderen Darsteller, unter ihnen auch der ehemalige "Harry Potter"-Star Alfred Enoch, gibt es rein gar nichts auszusetzen, doch Davis bleibt der unangefochtene Star, das Aushängeschild der Serie. Neben ihr stechen zudem noch die enorm rasche Inszenierung mit cleverem Schnitt und der energiegeladene Soundtrack hervor - ein stark geschnürtes Gesamtpaket, bei welchem man spürt, dass alle Beteiligten vor und hinter der Kamera, am Schreibtisch und in den Büros, wirklich alles gegeben haben.

Fazit: Ganz starke erste Staffel einer gehypten Thriller-Serie, die mit gut durchdachten Storys, spannenden Charakteren, überraschenden Wendungen und tollen Schauspielern aufwartet. Trotz des hohen Tempos bleibt genug Zeit, um die Figuren zu entwickeln und sogar das amerikanische Rechtssystem zu kritisieren - ein tolles Suchtmittel, bei welchem ich hoffe, dass die folgenden Seasons diese Qualität halten können.

Note: 2




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