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Bone Tomahawk

1895: Bright Hope ist ein recht friedliches Städtchen im Wilden Westen, in welchem Sheriff Franklin Hunt (Kurt Russell) gemeinsam mit seinem Deputy Chicory (Richard Jenkins) für Recht und Ordnung sorgt. Doch mit der Ruhe ist es alsbald vorbei, als drei Menschen von einem offenbar gewalttätigen, namenlosen Kannibalenstamm entführt werden... darunter auch die Ärztin Samantha O'Dwyer (Lili Simmons). Hunt beschließt rasch, den Spuren der Entführer durch die gefährliche Prärie zu folgen, um die drei Menschen zu retten. Begleitet wird er dabei von Chicory, Samanthas besorgtem, jedoch am Bein verletzten Ehemann Arthur (Patrick Wilson) sowie dem berühmten und von sich selbst eingenommenen Indianerjäger John Brooder (Matthew Fox). Besonders die Anwesenheit von letzterem soll noch für Unruhe in der Gruppe sorgen...

Es ist schon ein recht merkwürdiger Hybrid, den der zuvor eher unbeschriebene Regisseur S. Craig Zahler hier zum Jahresbeginn 2016 hervorgebracht hat. Mit einem sehr schmalen Budget ausgestattet, aber dennoch mit extrem namhaften Stars in Haupt- und Nebenrollen, ist "Bone Tomahawk" zu weiten Teilen ein grober Western, allerdings mit aktuellen Themen und außerhalb des Gewandes der Klassiker. In gewissen Momenten wechselt der Film jedoch ins grobe Splatter-Genre und liefert mit der Symbionte aus einem recht harten Westernabenteuer, inklusive diverser Charakterdynamiken, und einem Kannibalen-Thriller eine Mixtur ab, die es so sicherlich auch noch nicht gab. Als Vorbild für einen dialoglastigen Film, dessen Gespräche sich auch mal um unterhaltsamen Nonsens drehen können und dessen Gewaltakte sehr rau und plötzlich explodieren, diente sicherlich ein gewisser Quentin Tarantino - wohl mehr als ein Zufall, dass dessen zumindest in Western-Ansätzen ähnlich gearteter (und zudem auch mit Kurt Russell als Hauptdarsteller besetzter) "The Hateful Eight" beinahe zeitgleich in die Lichtspielhäuser kam. 
Und auch wenn Zahlers Inszenierung selbstverständlich nicht mit dem Genie eines Tarantino mithalten kann, so entwickelt "Bone Tomahawk" in seinen beiden ersten von drei Akten einen gewissen Sog. Sicher, etwas Sitzfleisch muss man mitbringen, denn ganz im Stil seines Vorbilds Quentin nimmt sich auch Zahler viel Zeit, um sein Setting, seine Figuren und deren Beweggründe und Eigenschaften in Form von manchmal messerscharfen, mal aber auch recht unsinnigen Dialogen aufzustellen. Das mag man einerseits vielleicht als recht schamlose Kopie empfinden (auch weil die Dialoggefechte an den meisten Stellen nicht mal am Thron des Genies kratzen), aber die gemeinsame Reise von vier völlig unterschiedlichen Männern, die jedoch am selben Strang ziehen, hat einen gewissen Reiz. Dabei ist es nicht unbedingt der Versuch, dem Western-Genre durch die prinzipiell recht aktuelle Thematik der Probleme zwischen verschiedenen Ethnien mehr Tiefe einzuhauchen, indem auch Rassismus, Gleichheit und Heimat angesprochen werden - diese Versuche, eine Diskussion anzufangen, bleiben nämlich weitestgehend nur in einem recht beliebigen Ansatz stecken. 
Wesentlich interessanter da das Zusammenspiel der vier Männer, die miteinander auskommen müssen und dabei jeder auf seine ganz eigene Art mit der harten Prärie zurechtkommt. Dieses Zusammenspiel kann in gewissen Fällen, wenn der Mord an scheinbar unschuldigen Männern besprochen werden muss, etwas Intensives haben, was den Kessel zum Brodeln bringt. Aber Zahler erlaubt sich auch sympathische, humorvolle Momente, in denen er die Figuren recht ungeniert und mit echter Freude über Unsinnigkeiten sinnieren lässt... zum Beispiel, wie es möglich sein soll, in einer Badewanne ein Buch zu lesen, ohne dieses nasszumachen. Dank seiner enorm spielfreudigen Darsteller gleicht Zahler seine teilweise recht magere Inszenierung und die vielversprechenden Ansätze ebenso wie einige (sicherlich gewollte) Längen in solcherlei freien Momenten wieder aus. Herausragen tut dabei zwar "Lost"-Star Matthew Fox mit der schillerndsten der vier Hauptrollen durchaus, als wahrer Szenendieb erweist sich jedoch Richard Jenkins, der selbst in der prekärsten Situation mit einer ebenso sympathischen wie schrägen Naivität und einem ewigen Plappermaul aufwartet und dabei das Herz der Geschichte wesentlich mehr darzustellen vermag als der doch recht blasse, kantenlose Held, der seine Ehefrau zu retten versucht.
Der Tonfall verändert sich dann im letzten Akt zu einem als solcher recht harten Tobak, für welchen der Film letztendlich auch berühmt wurde... obwohl die brutalen Splatter-Akte des Showdowns eben nur einen sehr kleinen Teil von "Bone Tomahawk" ausmachen. Und selbst dieses Versprechen, einen wirklich drastischen Splatter-Horror abzuliefern, löst der Film nur zum Teil ein. Denn zum einen sind die Gewaltausbrüche ein ziemlich harter Bruch in einem ansonsten wesentlich ruhiger ablaufenden Streifen und zum anderen sind diese Szenen, bis auf einen recht drastischen Moment, nun auch nicht so hart, dass man ihn gleich mit starkem Tobak wie "The Green Inferno" vergleichen müsste. Der Film wirkt, da er auch während seines Finales eher generisch bleibt, bemerkenswert unrund und verkauft seine zuvor sehr sauber ausgearbeitete Charakterstudie gegen einen recht mauen Horror-Einheitsbrei. Somit ist er auf den letzten Schritten deutlich weniger clever, als er zu sein vorgibt... es wirkt so, als wolle das Team auf den letzten Metern noch rasch das abliefern, wofür viele blutdürstige Splatter-Fans eigentlich erst Geld ausgegeben haben. Trotz allerlei Blutvergießen dümpelt "Bone Tomahawk" also eher zu seinem recht simplen Schluss und bleibt somit am allerwenigsten durch das in Erinnerung, was er in seiner Marketing-Kampagne an vorderste Front gestellt hatte.

Fazit: In einem recht kruden Mix aus dialoglastigem, langsam erzählten Western-Abenteuer und blutigem Splatter-Horror bleibt dieser Film eher in vielversprechenden Ansätzen stecken statt sein Potenzial wirklich auszukosten. In Erinnerung bleiben jedoch sympathische Charaktermomente, schöne Bilder und spielfreudige Darsteller, die dem mauen Skript etwas mehr Substanz verleihen.

Note: 3-





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