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Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings

Im Grunde verbringt Shaun (Simu Liu) ein ereignisarmes Leben in Amerika - er arbeitet als Parkwächter, hängt mit seiner besten Freundin Katy (Awkwafina) ab und hat im Grunde kein großes Ziel. Dass er diese unauffällige Lebensart vorzieht, um seine düstere Vergangenheit zu verstecken, versteht Katy, als Shaun in einem Bus angegriffen wird: Shaun, dessen wahrer Name Shang-Chi lautet, ist der Sohn von Xu Wenwu (Tony Leung), dem gefürchteten Herrscher über die zehn Ringe. Dieser versucht nun eine neue Macht zu entfesseln, weswegen er hinter Shang-Chi und dessen Schwester Xialing (Meng'er Zhang) her ist... denn diese halten einen Teil der Macht an sich fest. Shang-Chi und Katy brechen auf, um Xialing vor größerem Unheil zu bewahren, geraten dabei jedoch in die Fänge des finsteren Herrschers... und in die der brerüchtigten Organisation der Zehn Ringe.

Ein bisschen wirkte es zuletzt so, als hätte das Marvel Cinematic Universe ein kleines Dramaturgie-Problem. Nach dem großen Showdown in "Avengers Endgame" mussten die Weichen ganz neu gestellt werden und wir befinden uns noch immer in der Phase des Wiederfindens. Dabei produzierten die Marvel Studios zwar weiterhin verlässlich gute bis sehr gute Serien und Filme innerhalb ihres Franchise, doch zum allerersten Mal in dessen Geschichte fehlt ein konkretes Ziel, eine allgemeine Bedrohung oder etwas ähnliches. Filme und Serien laufen weitestgehend nebeneinander her und noch ist nicht wirklich klar, was uns am Horizont erwartet... wir können also nur alles aufsaugen und abwarten, bis es sich wieder verschnürt. Da passt dann auch "Shang-Chi" perfekt rein, der nicht nur zum ersten Mal seit "Captain Marvel" wieder einen gänzlich frischen Superhelden einführt, sondern ebenfalls weitestgehend seine ganz eigene Tour fährt. Es gibt zwar weiterhin die Anspielungen auf die weiteren Helden, Ereignisse und Filme des MCU, aber im weitesten Sinne steht dieser Neuzugang noch für sich - und das erschließt dann ein ebenso frisches wie enorm unterhaltsames Action-Abenteuer.
Ein Action-Abenteuer, in welchem der Fantasy-Anteil noch einmal deutlich größer ausfällt als ohnehin von den Marvel-Filmen erwartet - man nähert sich thematisch schon mehr "Avatar" oder "Narnia" an als den letzten Superheldenstreifen. Aber das ist eben auch eine der großen Stärken des MCU, die mit jedem neuen Film etwas thematisch anderes liefern als der direkte Vorgänger und trotzdem das Kunststück vollbringen, all diese so verschiedenen Werke aus einem Guss wirken zu lassen. So haben wir nach dem spaßigen Highschool-Trip von Spider-Man und dem deutlich düstereren Agenten-Thriller der "Black Widow" nun ein waschechtes Fantasy-Abenteuer vor uns, welches vor allem in der zweiten Hälfte nicht mit spektakulären, bunten Computereffekten und großen, epischen Schlachten geizt. Das ist manchmal ein ziemlich blendender Genre-Kitsch, der in seiner inneren Logik aber hervorragend funktioniert und somit eine weitere, neue Tür im Marvel Cinematic Universe öffnet. Doch auch vorher haben wir eine ganze Menge gesehen, denn die weitestgehend handgemachten Martial-Arts-Fights der ersten Hälfte sind einige der spektakulärsten, trickreichsten und unterhaltsamsten Actionszenen dieses Blockbuster-Jahres - hervorragend choreographiert, brillant gefilmt, perfekt getimt. 
Da kann man "Schloss aus Glas"-Regisseur Destin Daniel Cretton nicht genug Lob zollen, denn der hält über kräftige 134 Minuten mit einem marveltypischen Potpurri aus Action, Humor und Dramaelementen das Tempo hoch und die Zuschauer elegant bei der Stange. Die Multimillionen-Dollar-Produktion gleitet ihm dabei nie aus den Händen, ihm gelingen einige der schönsten und fantasievollsten Bilder der letzten MCU-Jahre und trotzdem versteht er dieses Effektspektakel nicht als reines Blendwerk. Das Pacing funktioniert, ruhige Passagen wechseln sich mit spektakulären Actionszenen ab, wobei die Kampfchoreos und auch die visuellen Effektspektakel ihre eigene Seele nicht verlieren. Man mag anmerken, dass der eigentliche Plot und die Hintergründe rund um Shang-Chis Familie und seine Bestimmung eher dünn sind - der schnell in die Gänge kommende Plot dient im Grunde nur, um die Helden und Gegenspieler in Stellung zu bringen und wird durch eher klassische Legendenstoffe garniert. Dabei atmet der Film, sicherlich auch dank der passenden Besatzung vor und hinter der Kamera, sehr atmosphärisch die asiatische Kinokultur in Inszenierung, Plot und Ausstattung, was im Hollywood-Kino auch nicht unbedingt gang und gäbe ist.
Und dann gibt es mit Simu Liu ja auch noch einen neuen Helden-Darsteller, der für die Zukunft des MCU nicht unwichtig sein wird und womöglich sogar einen Platz in der ersten Garde einnehmen wird. Liu macht dabei in seinem Einstand einen starken Eindruck, wobei er physisch in den beeindruckenden Kampfszenen beeindruckt, aber auch einen durchweg charmanten, nicht zu glatten Helden gibt. Sein Sidekick wird diesmal von "Oceans 8"-Star Awkwafina gespielt, die mit ihrer rotzigen Art die Sympathien schnell auf ihrer Seite hat und ein exzellentes Comedy-Timing besitzt - beide funktionieren auch zusammen passend und spielen sich elegant die Bälle zu. Für weitere Lacher sorgt zudem noch ein alter Bekannter aus dem Marvel-Universum, dessen genaue Position ich hier aber nicht verraten mag. Für tiefere Töne ist dann tatsächlich der Antagonist zuständig, der von Tony Leung mit Würde und Kraft dargestellt wird. Obwohl auch seine Antriebe eher schwammig ausfallen, ist sein Wenwu sicherlich einer der überzeugenderen, weil kaum comichaften Bösewichte des Marvel-Universums.

Fazit: Eine fantasievolle, spektakuläre und sehr unterhaltsame neue Achterbahnfahrt des MCU, die mit Charme einen neuen Helden einführt und dabei großartige Actionszenen sowie atmosphärische Fantasy-Einlagen bietet. Das ist frisch, spaßig und hat optisch enorm viel zu bieten - ein sehr schönes Kapitel des Marvel-Kosmos.

Note: 2-





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