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1922 (2017)

Nebraska, 1922: Wilfried James (Thomas Jane) lebt mit seiner Frau Arlette (Molly Parker) und dem gemeinsamen Sohn Henry (Dylan Schmid) auf einer Farm und vierzig Hektar gutem Land. Arlette möchte das Grundstück zu einem hohen Geldpreis verschachern, mit ihrem Mann den Betrag teilen und somit eine Scheidung finanzieren. Wilfried jedoch will sein Land behalten und sorgt sich auch um seinen Sohn, den Arlette bei einer Scheidung bei sich behalten will. Da er ohne Geld und gutem Namen keinen anderen Ausweg sieht, schmiedet er gemeinsam mit Henry einen Plan, Arlette umzubringen. Henry zweifelt von Anfang an, obwohl er seinem Vater beistehen will, auch da er sehr unter der strengen Hand seiner Mutter leidet. Doch allein die finstere Idee des Vorhabens stellt Vater und Sohn vor große Probleme und moralische Zwickmühlen...

Netflix hat Stephen King voll und ganz für sich entdeckt. Wo das Kino nach wie vor seine namhaftesten und größten Erfolge neuverfilmt, nimmt sich der Streaminggigant immer wieder die kleineren Geschichten des Kultautors vor - die Geschichten, die nicht ganz so bekannt sind, aufgrund des großen Namens aber dennoch diverse schwarze Zahlen versprechen. Wer sich von dem im Jahr 2017 erschienenen "1922" nun aber waschechten Horror wie von den beiden "Es"-Verfilmungen erwartet, der liegt hier grundsätzlich falsch. Denn King ist nicht nur ein Meister des Schreckens, wenn es um Geister, Monster und böse Dämonen geht. Einige seiner besten Bücher erzählen von dem psychologischen Grauen und ebenso simpel wie treffsicher von dem Monster Mensch... und von den inneren Dämonen, die in uns wohnen und die uns sowohl bestärken als auch zerstören können. So erschafft der Film ein moralisches Dilemma, welches das Zeug für einen richtig starken Psycho-Thriller gehabt hätte - das nun Gesehene verbleibt aber eher im Bereich der vertanen Chancen.
So nimmt sich Regisseur Zak Hilditch in der ersten Hälfte zwar überraschend viel Zeit, um sowohl die Beziehung Arlettes zu den beiden Männern in ihrer Familie als auch den Konflikt zwischen Vater und Sohn auszutarieren und zu erzählen. Letztendlich bleibt dieser fokussierte Plot, der sich letztendlich vor allem um den mit sich und seinen Taten hadernden Wilfried James dreht, viel zu oberflächlich, um wirklich ein überzeugendes Psychogramm abzubildern. Mit niedrigem Tempo kann man zwar nachvollziehen, welche inneren Ängste und Dämonen ihn heimsuchen, doch muss sich Hilditch dabei auch auf altbekannte und hier eher unüberzeugende Varianten wie der Erzählerstimme und langen, bedeutungsschwangeren Blicken über prächtige Landschaften verlassen. Diese wirken in ihrer Breite zwar atmosphärisch, erlauben aber zu wenig Einblick in das kaputte Seelenleben seines Protagonisten und heucheln Tiefe eher dort vor, wo sie nicht ist. Zusammengeschnürt wird dies mit einigen wenigen, uninspiriert wirkenden Schauer- und Ekelszenen, die wohl nur noch im Film drin sind, um den typischen King-Horror, nach welchem sich die Zuschauer sehnen, noch mitzunehmen. Gebraucht hätte es solch hypnotische Szenen und die ständig aufziehenden Armeen von fiependen Ratten nämlich eigentlich nicht.
Geerdet wird der Film, der vor allem in der ersten Hälfte trotz latenter Oberflächlichkeit noch eine angenehm intensive und düstere Atmosphäre aufbauen kann, von seinem Hauptdarsteller. Thomas Jane hat durch Kinofilme wie dem extrem unterhaltsamen Hai-Actioner "Deep Blue Sea" und dem wesentlich gruseligeren "Der Nebel" (ebenfalls nach einer Vorlage von Stephen King) bereits genug Erfahrung im Horror-Genre und kann seinem Protagonisten auch hier im fortgeschritteneren Alter einen gewissen Stempel aufdrücken. Mit sonnengebräunter Haut, tiefen Falten und murmelnder Stimme könnte er auch glatt einem modernen Western entsprungen sein, wobei James in seiner facettenreichen Darstellung überzeugend zwischen Furcht, seinem eigenen inneren Kampf und überhöhter Selbstdarstellung wechselt. Die Nebenfiguren fallen da etwas blasser aus - besonders Dylan Schmid als Wilfrieds junger Sohn kann kein echtes Feuer entfachen. Da "1922" sich aber auch fast vollständig auf das Psychogramm des Vaters konzentriert, ist eine leisere Performance der restlichen Darsteller wohl auch irgendwie zweckdienlich, denn Jane kann dadurch noch mehr glänzen.

Fazit: Für ein psychotisches Drama zu oberflächlich, für einen Horrorfilm zu langsam und schlichtweg nicht gruselig genug. Trotz einer sogartigen Atmosphäre und eines starken Hauptdarstellers weiß "1922" nicht recht, was er nun sein will und bleibt deswegen in jeder seiner Entscheidungen zu blass und fahrig.

Note: 3-





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