Ihren Kopf konnte sie aus der Schlinge ziehen, doch die Geschehnisse rund um ihren Schützling Wes (Alfred Enoch) haben Annalise Keating (Viola Davis) schwer zugesetzt. Um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen entschließt sie sich zu einem Kahlschlag und distanziert sich von ihren Studenten Michaela (Aja Naomie King), Connor (Jack Falahee), Asher (Matt McGorry) und Laurel (Karla Souza). Die vier wollen sich nun selbstständig machen und außerhalb des Dunstkreises von Annalise erfolgreich in der Branche Fuß fassen. Annalise selbst kämpft derweil darum, wieder als Anwältin praktizieren zu dürfen - doch dies gelingt ihr nur, wenn sie ihre Alkoholkrankheit bekämpfen kann. Allein auf weiter Flur und sogar verlassen von ihrer Mitarbeiterin Bonnie (Liza Weil) kämpft sie eine einsame Schlacht, die alsbald erneut in einer Katastrophe zu enden droht...
Es war eine ganze Menge los in der dritten Staffel, auch wenn die Serie ihr Tempo dort zeitweise angenehm drosselte, um wirklich mal wieder zu Atem zu kommen. Und doch waren die dramatischen Einschnitte und Wendungen krass genug, um etliche Zuschauer zu schockieren. Als müsste auch die Show selbst all dies noch verarbeiten, sehen wir uns in den ersten Folgen mit einer Atmosphäre der Schockstarre konfrontiert. Auf inszenatorisch eindringliche Weise bekommen wir einen Einblick in das momentane Leben der Protagonisten und was die vorhergehenden Ereignisse eigentlich aus ihnen gemacht haben: Straftäter, teilweise gar Mörder, Lügner und durchweg seelisch gebrochene Menschen. Das klingt jetzt etwas "depressiver" als es erst klingen mag, denn "How to Get Away with Murder" hat auch in seiner vierten Staffel noch immer genügend herzliche Momente zu bieten, die besonders aus dem Zusammenspiel der Charaktere entstehen. Auch diesmal würfelt man die Verhältnisse vor allem zu Beginn auf spannende Art und Weise neu, wenn sich frische Arbeitsbeziehungen oder gar ganze Trennungen ergeben. Das ist dann nicht unbedingt vollkommen neu, bringt aber durchaus einen anderen Tonfall ein, der besonders Annalise vom Rest der Gang abkapselt.
Und diesen Ton nutzt man auch im Rest der Staffel, um den Plot zumindest teilweise in einen aktuelleren Rahmen zu pressen. Da wäre zum einen die neue Figur eines Therapeuten, gespielt von "Dexter"-Star Jimmy Smits, der wirklich neue Elemente und einen ganz und gar benötigten Schwung einbringt. Und was noch wichtiger ist: Die Serie versucht sich nun auch im Fokus an hochaktuellen und wichtigen Themen unserer Gesellschaft, was ihr einen deutlich gefestigteren Stand verleiht. So ist der Umgang mit Themen wie Rassismus, Sexismus, Depressionen oder auch der interessanten Frage, wie man eigentlich mit Rechten von Straftätern umgeht und wie man sie als Gesellschaft behandeln sollte, zwar manchmal ein wenig pathetisch, aber immer glaubwürdig geraten. Ein für Nichtkenner wie aus dem Boden gewachsenes Crossover-Event mit einer anderen Serie hätte man sich dahingehend zwar sparen können, aber auch das ist schließlich nett gemeint. Und innerhalb dieser politischen Brisanz entwickeln sich auch die Charaktere angenehm weiter und bekommen neue Reize zugesprochen. Auch wenn sie nicht alle etliche Sympathiepunkte einfahren (schließlich haben die meisten von ihnen bisweilen grausame Taten vollbracht und hören nun natürlich auch nicht damit auf), fiebern wir dennoch weiterhin mit ihnen mit.
Natürlich müssen aber auch, und das ist wohl am wichtigsten, zahlreiche Plots und Handlungsstränge der vorhergehenden Staffel fortgesetzt werden und dieser Ballast tut der Show weiterhin weniger gut. In all den düsteren Verstrickungen, Skandalen und Geheimniskrämereien, wo jeder Politiker einen Auftragskiller zur Hand hat und Millionäre in gigantische Verschwörungen einbezogen werden, ist die Logik längst flöten gegangen. Wirklich glaubwürdig wirken diese mal spannenden, mal auch ziemlich angestrengen Thriller-Plots besonders im direkten Kontrast mit den bodenständigeren Handlungen um Annalise' Sammelklage oder die privaten Nöte der Protagonisten nicht. In manchen Momenten wird es gar richtiggehend bescheuert, wenn sich Helden und Antihelden mit schlichtweg haarsträubenden Methoden daran machen, ihre Hälse aus der Schlinge zu ziehen und es ist wie gehabt bei all diesen Wendungen auch etwas zu viel. Auf dem Boden der Tatsachen gehalten wird die Show letztendlich noch von ihren meist menschlich agierenden Figuren, die auch einige überzeichnete Thriller-Wendungen noch goutierbar machen. Dass diese Serie aber irgendwann noch mal die überragende Qualität der ersten Season erreichen wird, das glaube ich nicht mehr. Bis dahin kann man sich, auch dank der weiterhin brillanten Leistung von Viola Davis, aber auch einfach sehr solide unterhalten lassen - eine gute Serie mit deutlichen Schwächen.
Fazit: In der vierten Staffel zeigt sich, dass diese Serie keinesfalls mehr ein herausragendes Ding seines Genres ist, sondern eher eine Show unter vielen. Das unterhält weiterhin solide und hält dank aktueller Themen und spannender Charaktere bei der Stange, leidet aber weiterhin unter einem ebenso temporeichen wie banal-verkomplizierten Thriller-Getue mit teilweise arg unglaubwürdigen und angestrengten Wendungen.
Note: 3
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