Charles Shine (Clive Owen) führt ein weitestgehend normales Leben. Er arbeitet in einem gut bezahlten, allerdings auch hart umkämpften Job als Werbefachmann und fristet ein unaufgeregtes Familienleben mit seiner Frau Deanna (Melissa George) und der gemeinsamen Tochter Amy (Addison Timlin). Dieser alltägliche Trott ändert sich jedoch, als er auf dem Weg zur Arbeit die charmante Bankmitarbeiterin Lucinda Harris (Jennifer Aniston) kennenlernt und sich nach ersten Flirts auf einen Seitensprung mit ihr einlassen will. Während des Techtelmechtels werden beide im Hotelzimmer jedoch von dem Ganoven Philippe LaRoche (Vincent Cassel) überfallen. Als wäre dies nicht genug, terrorisiert LaRoche Shine in den nächsten Wochen und erpresst Geldbeträge von ihm. Da er seine Ehe nicht riskieren will, meidet Shine die Polizei und versucht andere Wege zu finden, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Für diese muss er jedoch den Pfad des gesetzestreuen Bürgers verlassen...
Mit diesem Film stand für viele Beteiligten einiges auf dem Spiel. Es war der erste große US-Film für Regisseur Mikael Hafstrom, der allerdings erst später mit dem Horrrofilm "Zimmer 1408" oder dem Mainstream-Actioner "Escape Plan" größere Erfolge feierte. Zudem wartete auch Hauptdarsteller Clive Owen nach einer Reihe finanziell gefloppter Filme auf den endlichen Durchbruch und für Jennifer Aniston war es die Chance, sich abseits diverser harmloser Komödien auch auf düsteren Ebenen als talentierte Schauspielerin zu beweisen. Alle drei machen ihre Sache hier nun aber gut: Hafstrom inszeniert solide und hat seinen Film unter Kontrolle, Owen ist ja sowieso immer gut und beherrscht die Geschichte mit einer eindringlichen Performance. Und trotz weniger Leinwandzeit zeigt auch Aniston, dass sie ohne Humor ebenfalls glänzen und sich in vielschichtigeren Rollen platzieren kann. Daneben überzeugt auch "Black Swan"-Star Vincent Cassel als gnadenloser Psychopath und die kleineren Nebenrollen sind mit Serienstars wie Giancarlo Esposito oder dem aus "The Walking Dead" bekannten David Morrissey sehr attraktiv besetzt worden.
Die Talente, die hier vor und hinter der Kamera versammelt wurden, reichen dann aber trotzdem nicht aus, um diesen Film zu retten. Schneidepunkt ist hierbei die Geschichte, die nicht nur bemerkenswert unspannend geraten ist, sondern auch noch Logiklöcher in der Größe des anfänglichen Egos des Protagonisten aufweist, die man schlichtweg kaum übersehen kann. Noch dazu handeln die meisten Figuren oftmals völlig unnachvollziehbar und die meisten Charaktere bekommen nicht die Tiefe zugestanden, mit welcher solch erstklassige Mimen eigentlich arbeiten sollten. Die zentrale Wendung des Plots, auf die "Entgleist" so stoisch hinarbeitet und die dann auch mit pompöser Musik untermalt wird, als würde hier der Killer eines neuen "Scream"-Films enttarnt werden, sehen wohl nicht nur Filmkenner bereits nach fünf Minuten kommen. Erstaunlich, dass der Plot so selbstsicher auf diesem Geheimnis herumreitet, obwohl man es bereits so früh enträtseln konnte - der arme (wenn auch zu Beginn ordentlich unsympathisch gezeichnete) Charles Shine wirkt angesichts der Tatsache, dass er solcherlei erst so spät aufdeckt, wie ein ziemlich naiver Trottel.
Immerhin ist das Finale als solches spannend inszeniert, auch wenn man rein moralisch ein paar Abzüge machen muss und nicht jeder mit der letzten Szene des Films einverstanden sein wird. Die muss dann aber auch hinsichtlich der enormen Logikschlenker eben einfach noch mal schlucken und sich klar machen, dass man hier keinen feinen Thriller sieht, der das Publikum mit Details verzückt. Stattdessen verhalten sich Haupt- und Nebencharaktere eben immer genauso, wie es der maue Plot gerade braucht und sogar Gesetzeshüter sehen in genau dem Moment weg, wenn es etwas zu gefährlich wird. Es ist tatsächlich ebenso ärgerlich wie überraschend, wie simpel es sich der Film in seiner an sich interessanten Ausgangssituation macht, indem er seine Figuren wie Spielbälle umherscheucht. Vielleicht sollte man sich über solch fades Plotdesign aber auch gar nicht aufregen, denn letztendlich ist "Entgleist" auch nur ein äußerst durchschnittlicher Thriller, der sich viel zu ernst nimmt und daher über seine eigenen Füße stolpert. Traurig ist nur, dass so viel großartiges Talent an einen solch mittelmäßigen Streifen verschwendet wurde.
Fazit: "Entgleist" ist ein vorhersehbarer, vor Logiklöchern strotzender und bemerkenswert unspannender Thriller, der dafür vor und hinter der Kamera einige ganz starke Talente versammelt. Diese verleihen dem Film einen gewissen Glanz, welchen man von der mauen Geschichte und den schwach geschriebenen Charakteren sonst nicht erwarten kann.
Note: 4+
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