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What If...?

Das Universum, in welchem sich die Avengers erfolgreich formierten, Ultron und letztendlich auch Thanos bezwangen, ist nur eines von vielen Universen. Nur eine einzige Entscheidung, die den Verlauf der Geschichte ändert, kann ein anderes Universum erschaffen - sind es viele, entstehen unendliche Multiversen, in denen die uns bekannten Geschichten gänzlich anders oder leicht abgewandelt verliefen. Der mysteriöse "Watcher", eine Urkreatur jenseits der Universen, überwacht diese Geschichten, kann jedoch selbst nicht eingreifen. Die Zuschauer nimmt er nun mit ins Multiversum, um aufzuzeigen, was abseits des bekannten Universums geschehen ist. So präsentiert er unter anderem, dass nicht Peter Quill zum berüchtigten Star-Lord wurde, sondern der wakandanische Prinz T'Challa... und dass Stephen Strange ohne den Verlust seiner Hände womöglich eine grausame, dunkle Seite an sich offenbart hätte.

Lange haben wir Marvel-Fans uns gefragt, wohin die Reise nach dem großartigen Abschluss der Infinity-Saga in "Avengers Endgame" gehen würde - wie sollte man dieses gigantische, emotionale und perfekt über Jahre durchgeplante Finale noch toppen? Ob das irgendwann möglich ist, steht natürlich noch in den Sternen, doch mittlerweile wissen wir, dass die Macher mit einem gänzlich frischen Story-Arc locker dafür sorgen können, die vergangenen Ereignisse des MCU in ihrer reinen Größe locker zu überbieten: Mit der Einführung des Multiversums stehen Tor und Tür offen für Geschichten aus gänzlich anderen Universen und plötzlich scheint alles möglich - sogar die Übernahme von Filmfiguren, die bislang eigentlich gar kein Teil des Franchise waren. Und wer mit dieser Idee beim Ende der "Loki"-Serie noch ein wenig fremdelte und ihre wahren Ausmaße nicht begriff, der dürfte gut beraten sein, einen Blick in "What If...?" zu werfen. Die Wichtigkeit der ersten (und hoffentlich letzten) Zeichentrickserie im MCU für kommende Filme und Serien lässt sich zwar noch nicht wirklich absehen, aber immerhin zeigt sie auf, was dieses Multiversum ist... und was darin möglich ist. 
Der Kern der Sache und somit die Möglichkeit für allerlei kreative Ideen liegt darin, dass in anderen Universen die uns bekannten Geschichten (zum Beispiel die Gründung der Avengers-Inititative, die Geburt von Iron Man oder die Transformation von Steve Rogers zu Captain America) völlig anders ablaufen könnten. Und in den ersten sieben von neun Folgen präsentiert uns "What If...?" im Grunde auch nicht mehr als sieben voneinander losgelöste Geschichten, in denen bekannte Figuren auf unbekannten, weil völlig abgeänderten Story-Pfaden wandern. Da hier alle Zügel losgelassen wurden und man auf innere Logik pfeifen kann, können die Macher hier sehr kreativ zu Werke gehen und mit ihren bekannten Helden, Nebenfiguren und Story-Arcs lustig herumspielen. Das ist in manchen Folgen durchaus spaßig, wenn beispielsweise Thanos als gutmütiger Kerl dargestellt wird, der seine Massenmord-Pläne (zumindest zeitweise) aufgibt und somit die ganze Geschichte verändert. Es schießt in einigen absurden Folgen aber auch deutlich übers Ziel hinaus - denn eine Zombieapokalypse unter den Marvelhelden mit teils drastischer Zeichentrickgewalt, aber ohne jede Dramatik macht in ihrer extremen Überdrehtheit dann ebenso wenig Laune wie ein komplett veralberter Party-Thor, der die Erde mit seinen Feierlichkeiten zu vernichten droht. Auch wenn alles möglich ist: Die Macher wollen hier manchmal etwas zu viel und überschreiten die Grenze zur nervigen Protzerei das ein ums andere Mal - da hoffe ich, dass diese Geschichten in der Zukunft des MCU keine Rolle mehr spielen, denn dann wäre mir das Ganze irgendwann doch zu abgedreht und auch zu kindisch.
Dahingehend sagte mir auch der optische Stil nicht wirklich zu. Obwohl sich die Macher mit der Rückkehr zahlreicher Figuren in Cameos und Nebenrollen Mühe gaben, das Multiversum für Kenner lebendig zu halten, fehlt dem Zeichentrickstil der letzte Schliff. Zu detailarm, oftmals zu glatt wirken die Figuren hier - besonders in Nahaufnahmen, wo keinerlei Fältchen oder Merkmale zu sehen sind, wirken die Charaktere vollkommen leblos und in ihrer überzogenen Gestik auch etwas merkwürdig. Oftmals wirken die Figuren gar so glatt, dass trotz originaler deutscher Synchronsprecher echte Wiedererkennungs-Schwierigkeiten auftreten. Ein ähnlich zweischneidiges Schwert sind die Actionszenen, zu denen die Serie zu gut der Hälfte besteht, denn diese wirken nicht nur austauschbar, sondern in der Grenzenlosigkeit des Zeichentrick auch nicht mehr wirklich fassbar. Das gilt auch für die Geschichten an sich, die mit einem enorm hohen Tempo dahinrasen und weniger Storys als viel mehr Nummernrevuen präsentieren, die keinerlei schwungvolle Dramaturgie besitzen - es sind teilweise grandiose Ideen, aber ohne Herz oder Seele.
Zum Ende der Staffel schließt man dann doch noch einen Bogen und bringt eine Geschichte in Gang, die dramaturgisch tatsächlich mal Spannung aufbereitet und die Größe der Multiversum-Idee auch für die Zukunft des MCU fassbar macht. Zwar wird auch dies wieder in einem gigantischen, endlosen Mega-Showdown erstickt, doch bekommen wir mit der ganz frischen Figur des "Watcher" immerhin eine Art Knotenpunkt, der uns die ganze Story logisch betrachten lässt. Fasst man dieses Grundkonzept in dieser Form weiter an, könnten uns sehr große MCU-Ereignisse ins Haus stehen, die tatsächlich noch mal eine ganz neue Form des Kinos nach sich ziehen. Übertreibt man es damit nicht und findet man in der Pre-Endgame-Ära noch zu alter Form zurück (denn mittlerweile laufen die durchweg unterhaltsamen Serien und Filme ja im Grunde nur nebeneinander her und es fehlt noch an einem echten Ziel für das gesamte Franchise), dann dürfen wir uns in ein paar Jahren auf weitere Marvel-Phasen freuen, die mit den alten mithalten können. Doch die Karten sind noch offen, denn ich bin ebenso offen wie skeptisch für die Multiversums-Abenteuer... und "What If...?" zeigt auf beeindruckende Weise zu beiden Teilen, was dabei richtig gut und was richtig mies werden könnte.

Fazit: Als kreativer Ausblick auf das, was im MCU nun prinzipiell möglich wäre, liefert "What If" eine Wagenladung an Action und Irrsinn. Das ist allerdings oftmals etwas zu viel, zu albern, zu abgedreht, obwohl einige Geschichten in ihrer Summe durchaus Schwung haben.

Note: 3-





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