Jonathan Larson (Andrew Garfield) steht kurz vor seinem dreißigsten Geburtstag und hat nichts von dem erreicht, was er sich bis hierhin vorgenommen hat. Das Musical, an welchem er seit acht Jahren arbeitet, steht kurz vor einer Voraufführung und er steckt all die Hoffnungen in diesen Tag - dort soll sein Werk endlich die Beachtung finden, die es nie erhalten hat. Doch die Angst davor, dass dieser Traum vielleicht doch platzt und er sein Leben weiterhin in seiner winzigen Appartement-Wohnung und in einem Job in einem Diner leben muss, sucht ihn immer wieder heim und nimmt auch seine Beziehungen in Beschlag. Seine Freundin Susan (Alexandra Shipp) möchte Jon auf diesem Weg begleiten, findet für sich jedoch keinen Platz in seinem Kopf. Und auch Jonathans Freunde werden von seiner Energie, die er einzig und allein für diesen einen Traum aufbringt, schier überrannt...
Die Geschichte von Jonathan Larston, der den Broadway, das Musical-Theater und das, wofür es steht, nachwirkend verändert hat, ist eine, mit der sich wohl jeder Künstler identifizieren kann. Die Geschichte, wie es dazu kam und welche Hürden Larston nehmen musste, um überhaupt zu solch einer wegweisenden Gestalt zu werden, hat Lin-Manuel Miranda in einem Mix aus Drama und natürlich Musical selbst inszeniert. Dabei hat der Film schon mal sowieso alles, was von einem solchen Werk erwartet werden kann: Die Songs, selbst aus Larstons Feder, sind herzzerreißend schön, oft von herrlichem Witz, großartig gesungen und geschrieben und mit einer Kraft gesegnet, welche dem modernen Thema niemals im Weg steht. Der gesamte Cast ist brillant, die einzelnen Musical-Szenen von überwältigender Energie und die großen Konflikte, die wie in ähnlicher Form bereits im starken "La La Land" sehen konnten, werden mit Tiefsinn, Nachvollziehbarkeit und echtem Realismus angegangen. Denn der Traum, den Larston hegt, ist nicht unbedingt auch einer für seine Mitmenschen und hier spielt der Film seine Trümpfe dann mit aller Macht aus.
Denn es gibt zwar durchaus Hoffnung, aber sie ist gering. Und wie "Tick Tick Boom" seine schillernde Hauptfigur und ihr Leben präsentiert, dürfte für jeden Künstler und jeden, der wirklich mal etwas von Wirkung erschaffen wollte, der perfekte Balanceakt der Verständnis sein. Denn wir verstehen sowohl das Herz, mit welchem Larston seinen Traum erfüllen will und jede weitere Ladung Energie, die er hineinsteckt. Aber der Film spart auch die dunklen Seiten eines solchen Lebens nicht aus - mit besonders viel Verve wird dabei beschrieben, wie sein Lebensstil die Menschen um ihn herum beflügeln kann... aber auch, wie es sie negativ beeinflusst. Die Beziehung zu seiner Freundin, die Freundschaft zu seinem besten Kumpel aus Kindertagen, sogar das Verhältnis zu Arbeitskollegen - Mirandas Werk ist unglaublich treffsicher darin aufzuzeigen, was für eine Wirkung dieser Mensch hatte. Er macht Larstons teils egomanisches Verhalten zu keiner simplen Entschuldigungsfaselei, sondern nimmt Anspruch darauf, was ein Künstlerleben bedeutet. Auch die treffsicheren Seitenhiebe auf die Theaterwirtschaft an sich, die zwar immer wieder nach ganz neuen, kreativen Ideen suchen, diese dann aber nicht finanzieren wollen, weswegen sie doch lieber nur nach einem neuen "Cats" oder "Starlight Express" Ausschau halten, wird bemerkenswert gut eingefangen.
Andrew Garfield spielt diesen Lebemann in allen Formen und Farben seines Daseins mit grandioser Vielfalt. Stets nah am Rande des Overacting macht er den Gedankenwust, seine Ängste, beinahe sogar seine Lebenspanik absolut greifbar und vereint diese in beeindruckenden, glaubwürdigen Gesangs-Performances mit Herz und herrlich schrägem Humor. Darüber hinaus ist der gesamte Cast mehr als nur stark gewählt und es reicht dem Film oftmals, nur ein paar Figuren auftreten zu lassen, um bereits unser Herz für sie zu erwecken - dafür sind oftmals nicht mal Dialogzeilen notwendig. Mit einer erfrischend temporeichen Inszenierung, die sich in den passenden Momenten Ruhezeiten gönnt, um die tiefsitzenden, komplexen Konflikte seiner Figuren auszuarbeiten, bildet sich ein ungemein ruhiges Bild. Wir lachen, weinen und fühlen mit, ohne dass es dabei (mit der Ausnahme einiger weniger Momente, was man bei einem Musical aber durchaus erwartet) zu kitschig werden würde. Miranda hat all seine Charaktere, seine Hauptfigur und das Thema auf beste Art und Weise im Griff, regt zum Nachdenken an und hilft Menschen zu verstehen, was Träume sind, was man für sie tun sollte und wo auch die Grenze erreicht ist. Ein durchweg fabelhafter Film, immer noch hochaktuell und schlichtweg umwerfend schön.
Fazit: Mit komplexen Konflikten, ehrlichen Auseinandersetzungen, großartigen Songs, einer wunderbaren Inszenierung und einem fabelhaften Hauptdarsteller gelingt hier ein herzerwärmendes, aber auch unangenehm ehrliches Musical-Drama, welches so nur sehr selten gibt. Treffsicher, provokant, leichtfüßig und noch lange nachhallend für all die, die für ihre Träume kämpfen... und für die, die verstehen wollen, was die Träume der anderen womöglich wert sind.
Note: 1-
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