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Queen & Slim

Ernest Hines (Daniel Kaluuya) und Angela Johnson (Jodie Turner-Smith) hatten gerade ihr erstes Date, welches wenig erfolgversprechend verlief, als sie von einem weißen Polizisten angehalten werden. Dieser reagiert aggressiv auf Ernest und Angela und zieht schließlich seine Waffe. Angela erleidet einen Streifschuss, weswegen Ernest in Panik auf den Polizisten losgeht und ihn letztendlich mit dessen eigener Waffe erschießt. Wohlwissend, dass die beiden als schwarze Mitbürger kaum eine Chance auf eine faire Behandlung durch die örtliche Polizei haben, fliehen sie aus der Stadt. Die Tat der beiden jungen Menschen spricht sich unter der afroamerikanischen Bevölkerung schnell herum und sie werden gar als Helden gefeiert, obwohl sie dies weder beabsichtigten noch wollen. Auf der Flucht vor der Polizei bekommen sie daher immer wieder ungewohnte Hilfe und finden auf überraschende Art und Weise näher zueinander...

"Queen & Slim" beruht nicht auf einer wahren Geschichte, trifft aber natürlich voll den Zeitgeist. Denn mit dem Tonus auf der "Black Lives Matter"-Bewegung, einem der wichtigsten Themen unserer heutigen Gesellschaft, bringt die bisherige Musikvideo-Regisseurin Melina Matsoukas ihre Hauptfiguren in Situationen, die vielen Betroffenen mehr als bekannt vorkommen dürften und die leider ein Teil unserer heutigen Realität geworden sind. Trotz dieser Energie holpert die erste halbe Stunde des Films ein wenig und sogar der alles in Gang setzende, schicksalshafte Kampf mit dem rassistischen Polizisten wirkt in seiner Inszenierung noch ein wenig forciert, entwickelt keine echte, dramatische Dynamik. Mit der Zeit wird aber klarer, wohin Matsoukas mit ihrem Stil will: Sie inszeniert "Queen & Slim" zwar rein thematisch als politisches Pulverfass, voll auf der Höhe der Zeit, aufrüttelnd und provokant, legt darüber aber eher den Style eines Roadmovies. Und in diesem tritt eben diese politische Komponente immer wieder in den Hintergrund, was manchmal etwas verwirrend, in vielen Momenten aber auf überraschende Art und Weise homogen wirkt.
So können wir auch ohne ständiges Aufzeigen der Gefahrenlage, in welcher sich Ernest und Angela befinden, locker fühlen, was ihre Tat und ihre Wehrhaftigkeit auslöst. Matsoukas entwickelt ein feines Gespür für die atmosphärische Flucht, ohne dabei die teilweise extrem ruhige und beinahe lässige Entwicklung ihrer Charaktere aus den Augen verlieren. Tatsächlich bleibt das langsame Annähern der beiden Hauptfiguren der Fokus, während die politischen Auseinandersetzungen mit dem Thema zum stets präsenten, aber auch oftmals im Off geschehenen Hintergrund werden. Das klingt erstmal so, als würde Matsoukas damit am wichtigen Thema vorbei inszenieren, doch dem ist nicht so - sie drückt nur nicht so auf die Tube wie andere Regisseure. Trotzdem gelingen ihr einige intensive Szenen, die weniger mit stumpfen Feuergefechten, als viel mehr kleinen und deshalb umso schmerzhafteren Momenten ins Ziel treffen. Denn ein jeder reagiert anders auf die plötzliche Berühmtheit der beiden, die sie so selbstverständlich auch nicht gewollt haben... und dies führt zu diversen Konflikten, die so realistisch auch noch nicht angesprochen wurden in der Welt des Films.
Wie Angela und Ernest vor diesem bitterernsten Hintergrund trotzdem noch auf leichtfüßige und charmante, gar nicht mal so einseitige Weise charakerisiert und entwickelt werden, hat Stil, erfordert aber auch Geduld. Hin und wieder wird sich in zu vielen Einzelheiten zerfranst, nicht jeder Weg führt zu einem Ziel und mit der Figur des von "Ray"-Star Bokeem Woodbine gespielten Onkel Earl gibt es sogar einen Charakter, welcher der Handlung länger im Weg steht. Entschädigen tun dafür sehr sympathische Szenen, die Ernest und Angela fernab ihrer politischen Bedeutung als Menschen zeigen. Denn dass beide unter alltäglicher Diskriminierung leiden und sich gegen die gleiche Ungerechtigkeit zur Wehr setzen, heißt nicht, dass sie sich auch wirklich leiden können. Das führt zu einigen sehr charmanten Momenten, in denen sich die beiden über ihre derzeitige Position und den Verlauf ihrer Flucht nicht einig werden... und natürlich auch zur sanften Annäherung. Beinahe das Spiegelbild eines Buddy-Movies also, in welchem zwei gegensätzliche Figuren gezwungenermaßen zusammenarbeiten müssen, dies nur garniert mit einer Prise Romantik sowie einer enormen, gesellschaftlichen Bedeutung. Diese Verschnürung geht nicht immer auf, wirkt oftmals etwas unrund, streift gern den Weg des Plakativen und zerfasert bisweilen. Aber es ist auch eine interessante Inszenierung, der man hier zusieht, getragen von zwei Schauspielern auf der absoluten Höhe ihres Könnens. Und so auch schon wieder ziemlich sehenswert.

Fazit: Trotz seiner politischen Bedeutung tarnt Melina Matsoukas ihre Geschichte als teils charmantes, teils aufrüttelndes Road Movie, in welchem die Bindung der beiden Hauptfiguren eher im Fokus steht als der dramatische Diskriminierungshintergrund. Das ist so verbunden nicht immer rund, dafür aber stilvoll, ohne seine wichtige Botschaft zu vergessen.

Note: 3+





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