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American History X

Es gibt so einige Filme, bei welchen Regisseure schließlich den Rückwärtsgang antreten und sich von ihren Werken distanzieren. So geschehen auch bei "American History X", welcher nach dem Dreh teils ohne das Wissen von Regisseur Tony Kaye rapide umgeschnitten wurde, sodass stellenweise ganze Messages umformuliert und stärker prägnant wurden, womit der Mann selbst so gar nicht zufrieden war, was die ein oder andere Klage nach sich zog. Ob der Film ein besserer geworden wäre, wenn Kaye von vorne bis hinten seine Vision hätte durchsetzen können, ist schwer zu sagen... doch auch so bleibt "American History X", welcher sich mit der amerikanischen Neonazi-Szene beschäftigt, ein Werk, welches noch lange nachwirkt.

AMERICAN HISTORY X

Derek Vinyard (Edward Norton) bewegt sich in der amerikanischen Neonazi-Szene und hat unter seinen Kumpanen einen gigantischen Ruf. Als er eines Tages wegen des Mordes an zwei Afroamerikanern eingebuchtet wird und (nur) dreieinhalb Jahre Gefängnisstrafe verbüßen muss, wandelt er sich bald von der Szene ab, erkennt, dass er damit sein Leben und das seiner Familie zerstört hat. Nach Dereks Freilassung beschließt er, die Scherben seiner kaputten Familie aufzusammeln und zu retten, was noch zu retten ist. Allerdings hat sich sein jüngerer Bruder Danny (Edward Furlong), welcher Derek seit jeher anhimmelte, nun bereits den Neonazis des Viertels angeschlossen und gerät in einen Kreis, dem er sich nicht mehr entziehen kann. Derek setzt alles daran, ihn zu befreien...

"American History X" verfügt über einige gelungene Stilmittel. Während ich mit den häufigen, überspitzten Zeitlupenaufnahmen, welche die Dramatik verstärken sollen, auf mich aber nur störend und aufgebauscht wirkten, nichts anfangen konnte, gefiel mir der sonstige Look erstaunlich gut. Die Rückblenden (und der Film besteht zu einem Großteil daraus) sind in Schwarz-Weiß gehalten, während die Gegenwart im üblichen Farbfilm abläuft. So fällt nicht nur die Übersicht leichter, auch wird klar, was für Derek nun vergangen ist und was sein jetziges Leben darstellen soll. Durch die Kraft der Bilder wird die Entwicklung der Figur klar gemacht, was erstaunlich gut funktioniert. Dass man schnell in die Geschichte hineingezogen wird, liegt auch an den durchgehend großartigen Leistungen der agierenden Schauspieler. Edward Norton spielt sich die Seele aus dem Leib und konnte sich mit diesem bravourösen Spiel in Hollywood festigen. "Terminator 2"-Star Edward Furlong steht dem in (fast) nichts nach, sowohl der auszutragende Konflikt als auch die brüderliche Liebe zwischen den beiden liefert ausreichend Zündstoff, um die zwei Mimen zu Höchstleistungen anzutreiben. Die Geschichte an sich ist intensiv, fesselt, sorgt für Gänsehaut und Unwohlsein. Der realistische Ton ist hart und schockiert und auch wenn es im Mittelteil einige Längen gibt und die ein oder andere Wendung einer wichtigen Figur etwas zu plötzlich kommt, bleibt die Story hängen und trifft genau dahin, wo es wehtut. Ein aufrüttelnder Film, der zugleich bewegt und betrifft. Die Zuschauer sollten ein dickes Fell mitbringen, denn sowohl die Brutalität als auch die schockierenden Szenen, in welchen die Taten der Neonazis in den Mittelpunkt gestellt werden, sind ganz schön harter Tobak. Trotzdem für jeden Filmfan ein Muss!

Note: 2



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