Schauspielerinnen in Hollywood haben es ab Mitte vierzig meist ziemlich schwer, so fielen ehemalige Sternchen wie Julia Roberts in ein Karriereloch, aus welchem sie sich kaum mehr befreien können und kaum noch gute Rollen abstauben. Für Sandra Bullock war "Blind Side" demnach, nachdem sie sich bereits auf dem absteigenden Ast befunden hatte, ein wohltuender Silberstreif, der zu einem gigantischen Erfolg mit Oscars, Golden Globes, Kassenklingeln und so weiter wurde. Ist der Film als Ganzes aber auch gelungen?
BLIND SIDE
Michael Oher (Quinton Aaron), von allen nur "Big Mike" genannt, stammt aus den fiesesten Ecken Amerikas. Er hat es zum wiederholten Male, trotz unterdurchschnittlicher Noten, auf eine renommierte, diesmal gar christliche Highschool geschafft... doch dank seiner Leistungen sieht es so aus, als würde er dort nicht lange bleiben. Als Leigh Anne Tuohy (Sandra Bullock), deren zwei Kinder die gleiche Schule besuchen, Michael eines Abends in der Kälte herumstreunern sieht, beschließt sie, den Heimatlosen bei sich aufzunehmen. Gemeinsam mit ihrem Mann Sean (Tim McGraw) versucht sie, ihn durch die Highschool zu boxen und seinen Notenschnitt so zu verbessern, dass der sportlich begeisterte Hüne dem Footballteam beitreten kann...
Mal wieder eine wahre Geschichte und auch wenn der wahre "Big Mike" schlussendlich behauptete, dass der Film ihn als dumm und unfähig darstellen würde, was er in Wirklichkeit nie gewesen sei, so wirkt das Ganze dann doch einigermaßen rund. Natürlich hat Hollywood nachgeholfen und aus der bewegenden Story einen Feel-Good-Movie gemacht, der wirklich niemandem wehtut, immer mal wieder dramatisiert und genau weiß, wo er mit bedeutungsschwangeren Blicken, Zeitlupen und Musik Wirkung erzielen kann und muss. Das funktioniert nicht immer, denn mehrfach trägt "Blind Side" spürbar sehr dick auf, verliert seine Glaubwürdigkeit in heftigem Pathos oder doch sehr verschwurbelten, kitschigen Sätzen und Metaphern. Der Rest des Films ist jedoch sehr annehmbare Unterhaltung: Der Witz ist gut getimt und erinnert an ähnlich gestauchte Geschichten, in denen ein etwas verlorener Held den Weg zum Champion macht. Das hält keine großen Überraschungen bereit und wird sogar entsprechend konfliktarm aufbereitet, aber es macht schon Freude, den einsamen Michael dabei zu beobachten, wie er nach und nach zum Football-Held aufsteigt, während seine herzliche Familie ihn dabei unterstützt. So ist "Blind Side" sicherlich nach dem ABC des Coming-of-Age-Dramas gemacht, kann damit aber immer wieder in Sachen Herz und Humor Punkte holen und zwei Stunden lang wirklich fein unterhalten, wobei besonders in den emotional punktsicheren Football-Szenen tolle, kraftvolle Bilder entstehen. Eine Enttäuschung dabei ist Sandra Bullock. Diese liefert sicherlich eine sehr achtbare Vorstellung, sie dafür aber mit etlichen Preisen zu überhäufen, ist schlichtweg übertrieben. Ihre Sprüche sind wunderbar, ihre Präsenz ebenso, dennoch wäre da sicher auch mehr drin gewesen als eine packende, aber recht kalkulierte Darstellung einer herzensguten, strengen Dame. Ihr gegenüber gibt Newcomer Quinton Aaron eine interessantere Vorstellung und auch Kathy Bates versprüht in ihrer kleinen Nebenrolle einiges an Charme. So ist "Blind Side" also letztendlich ein sehr geradliniger, vorhersehbarer, aber auch sehr herzlicher Film mit viel Witz und Gefühl, der einiges an Potenzial dank dem Nicken hin zum Mainstream liegen lässt, aber trotz einiger kleinerer Längen wirklich gut unterhält. Und manchmal reicht das doch auch schon.
Note: 3+
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