Tim Burton ist ein Genie und kaum einer hat wohl eine solch (fast) makellose Biographie vorzuweisen wie dieser Regisseur. Klar, da tummelt sich dann auch mal ein "Planet der Affen" oder "Dark Shadows", die mir weniger schmecken, aber auf einen kleinen Flop kommen dann doch stets zuverlässig zwei oder drei Meisterwerke wie "Sleepy Hollow" und "Sweeney Todd". Den Status eines Meisterwerks kann man "Edward mit den Scherenhänden", einem der ersten großen Werke Burtons, mit welchem er Johnny Depp weltweit berühmt machte, sicherlich nicht geben, dennoch ist es gewohnt fantasie- und humorvolle Unterhaltung.
EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN
Peg Bogg (Dianne Wiest) staunt nicht schlecht. Als sie einige Häuser ihrer kleinen Vorstadt abklappert, um Kunden ihre neue Kosmetiklinie anzudrehen, trifft sie in einem finsteren, verlassenen Schloss auf den einsamen Edward (Johnny Depp). Dieser wurde einst von einem Erfinder (Vincent Price) entwickelt, welcher jedoch starb, bevor er sein Werk vollenden konnte, weshalb Edward nun keine Hände, sondern Scheren an dessen Stelle hat. Peg beschließt, den armen Jungen mit zu sich und zu ihrer Familie zu nehmen. Dort zieht er schnell die Aufmerksamkeit der tratschfreudigen Nachbarschaft auf sich und verliebt sich in Pegs Tochter Kim (Winona Ryder)...
"Edward Scissorhands" ist von vorne bis hinten ein typisches Burton-Werk. Die Story ist abgefahren, skurill und frei von Logik, in ihrem eigenen Kosmos aber durchaus kohärent und spannend. Die Figuren werden, obwohl sie durchaus nicht mehr als Klischees verkörpern, mit angenehm viel Tiefe bedacht, es fällt leicht sie zu lieben, da Burton ihnen viel Zeit widmet und mit viel Humor dazu in der Lage ist, die Charaktere mit Leben zu füllen. Dies gelingt ihm gewohnt spielend, durch kleine Kamerafahrten, wenige Sätze, einfache Szenarien entwirft er eine Welt, die so obskur, aber dennoch so interessant und echt ist, dass man sich kaum sattsehen kann. Für die namhaften Schauspieler ist dies natürlich perfekt, um sich austoben zu können und Johnny Depp bewies auch dort schon ein beinahe perfektes Gespür für humoristisches Timing und spielt auch in den emotionalen Momenten ganz groß auf. Ihm gegenüber stehen eine fantastische Dianne Wiest, ein wunderbar zurückgenommener und nuancierter Alan Arkin und eine sympathische, allerdings etwas unterforderte Winona Ryder. Für Filmkenner sind auch noch weitere bekannte Gesichter, wie der bereits verstorbene Vincent Price, Anthony Michael Hall oder Conchata Ferrell (Berta aus "Two and a Half Men") mit von der Partie... ein starkes Ensemble insgesamt, dass sich immer wieder passend die Klinke in die Hand drückt und Comedy, Tragik und Thriller vereint. Hier spielt Burton natürlich auf vertrautem Gebiet, denn in solch skurillen Genre-Mixen war er ja schon immer am besten. Hüben wie drüben kommt auch, trotz unverständlicher FSK-6-Freigabe, immer eine Spur Horror dazu, was den Mischmasch perfekt macht. Hinzu kommt noch ein fantastischer Soundtrack von Burtons Stammkomponisten Danny Elfman, der besonders mit dem Titelthema Gänsehaut verursacht und sich in seinen Melodien immer wieder neu erfindet. Handwerklich und schauspielerisch ist der Film definitiv ohne Makel, auch seine Story ist berührend und schmeichelhaft... dennoch wollte der Funke für mich letztendlich nicht überspringen. Vielleicht lag es an den kleinen Längen, den mit der Zeit Überhand nehmenden, nicht nachvollziehbaren Handlungen der Figuren (besonders Familienvater Bill, der immer äußerst passiv agiert, ist jemand, aus dem ich nicht schlau wurde) oder auch einfach an einem zwar spannenden, aber etwas aus der Spur laufenden Finale, welches die zuvor so stille Tragikomödie ins Genre eines Actionfilms presst, was kaum passt. Das sind zwar alles nur kleine Mankos, aber sie summieren sich, sodass der Spaß an dem Film nicht dauerhaft bleibt und sich einige kleine Ärgernisse herausstellen. Dennoch ein überzeugendes Werk vom Meister des Fantastischen und Obskuren, welches mit viel Fantasie, Herz, Witz und Charme an den Mann gebracht wird und eine der vielen Leistungen Johnny Depps innehat, die ihn zurecht zu einem der größten Stars in Hollywood machten.
Note: 3+
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