Direkt zum Hauptbereich

Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis

In einer Zeit, in der so gut wie jede Berufsgruppe bereits irgendwie ihren eigenen Film bekommen hat (besonders, wenn sie innerhalb ihrer Arbeit Heldentaten zu vollbringen haben), war es an der Zeit, sich auch einmal denen zu widmen, die außerhalb des Rampenlichts stehen, die nicht einmal helfen, sondern das Leid anderer vermarkten. Mit "Nightcrawler" ist hier also nicht der berühmte Teleporter aus "X-Men 2" und "X-Men: Apocalypse" gemeint, sondern freie Kameramänner, die Unglücke und Morde filmen, um diese an Nachrichtensender zu verkaufen. Diese Thematik wird von Regisseur Dan Gilroy in einem hochspannenden, zynischen und grandios gespielten Thriller verwendet...

NIGHTCRAWLER


Louis Bloom (Jake Gyllenhaal) braucht dringend Geld. Als er während eines Unfalls auf der Autobahn zwei Kameramänner beobachtet, die anscheinend ihren Unterhalt damit verdienen, schreckliche Unglücke zu filmen und diese an Nachrichtensender zu verkaufen, denkt Bloom um, kauft sich eine Kamera und macht sich selbst an die Arbeit. Er hört den Polizeifunk ab, um anschließend zu diversen Tatorten zu düsen und die Folgen der Geschehnisse auf Film zu bannen. Ins Geschäft kommt er schließlich mit dem Sender KWLA und deren Vorsitzender Nina Romina (Rene Russo) und steigt in der Branche rasch auf... so rasch, dass Bloom auf der Suche nach der nächsten Story schon bald immer skrupelloser vorgeht.

Zu erst einmal muss man sagen, dass "Nightcrawler" hervorragend besetzt ist. Riz Ahmed in einer tragenden Nebenrolle ist ebenso gut gecastet wie die grandiose Rene Russo, die jüngere Kinogänger noch aus den "Thor"-Filmen kennen dürften und zudem ist auch der jüngst verstorbene "Titanic"-Star Bill Paxton in seiner letzten Kinorolle zu sehen, nachdem er anschließend nur noch im Fernsehen auftrat. Seine Rolle fällt dabei nicht groß aus, ist aber dennoch prägend genug, um einen gewissen Eindruck zu hinterlassen. 
Wie man von den Trailern erwarten konnte, überstrahlt der Hauptdarsteller, auf den der Film wie zugeschnitten ist, aber natürlich den Rest des Ensembles: Jake Gyllenhall spielt seinen Louis Bloom wie gewohnt immer wieder am Rande der Überzeichnung, ist dabei schlichtweg so elektrisierend gut, agiert so intensiv und detailliert, dass man seinen Blick kaum abwenden kann. Er ist kaum wiederzuerkennen unter der fettigen Haarmähne, mit dem ausgemergelten Körper, dem eingefallenen Gesicht und diesem stets leicht irren Blick. Gyllenhaal ist immer gut, weswegen man nicht pauschal sagen kann, ob diese Leistung hier zu den besten in seiner beeindruckenden Vita zählt. Sobald der Abspann rollt, will einem dieser Gedanke aber auch nicht mehr wirklich aus dem Kopf, denn dieser Mann legt auch hier wieder eine solch geniale Leistung aufs Parkett, dass er etliche Preise verdient gehabt hätte... letztendlich reichte es aber nicht einmal für eine Nominierung bei den Oscars. 
Macht aber nichts, denn "Nightcrawler" muss sich nicht über etwaige Filmpreise vermarkten, er ist auch so gut genug. Regisseur Dan Gilroy inszeniert das großartige Drehbuch spannend wie einen Thriller, selbst in ruhigen Dialogszenen steckt eine solche Kraft, so viel Intensität, dass man kaum eine Minute frei durchatmen kann. Jede Einzelszene ist für sich gut, als gesamtes Werk gewinnt der Film dann hoch. Einige Schönheitsfehler schleichen sich dabei aber doch ein. Sie stören zwar kaum, sollten aber dennoch erwähnt werden. So wird die Hauptfigur des Louis Bloom gerade in der zweiten Hälfte etwas arg überzeichnet. Er tut plötzlich Dinge, die ohnehin nicht nachzuvollziehen sind, der Entwicklung dieses Charakters aber auch nicht zuträglich sind. Die Wandlung zum skrupellosen Menschen, der sogar die Polizei behindert, ist zwar glaubwürdig, manche seiner Taten sind gerade während des Showdowns dann aber doch hart an der Grenze der Glaubwürdigkeit angelegt. 
Mit Glaubwürdigkeit hat der Film ansonsten aber kein Problem, was bei dieser Thematik schon erstaunlich ist: Den Autoren gelingt es, die Geschichte und das Thema an sich bemerkenswert zynisch und finster zu halten, ohne die Aktionen jedoch zu überzeichnen. Wenn man genauer darüber nachdenkt, erscheint es mehr als nur möglich, dass die wahren "Nightcrawler" ebenso vorgehen, weswegen wir hier einem sehr realistischen, ernsthaften Film zusehen, der uns solcherlei Momente als sehr nachvollziehbar präsentiert. Der Film übertreibt es schließlich nur im Bezug auf seine erschreckend agierende Hauptfigur, nicht jedoch auf die Handlung an sich und gerade die Szenen im Nachrichtensender scheinen, als hätte man sie direkt dort gefilmt. Man kann sich kaum vorstellen, dass es dort anders zugehen soll als hier geschildert.
Fazit: "Nightcrawler" ist hochspannend, hervorragend gefilmt, bravourös gespielt, zynisch und aufrüttelnd. Gegen Ende überzeichnet der Film seine Hauptfigur ein wenig, was der Intensität und auch Gyllenhaals Leistung aber kaum einen Abbruch tut.

Note: 2




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se