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Ausnahmesituation

Sie werden oft zu wenig gewürdigt: Musikalische Untermalungen sind für Filme ungemein wichtig. Ein richtiger Score zum richtigen Moment kann eine einzelne Szene ungemein aufwerten, ein wiedererkennbares Titelthema kann zum modernen Klassiker werden. Ebenso sehr fällt es auf, wenn ein bestimmter Soundtrack nicht gelungen ist. "Ausnahmesituation" beispielsweise ist ein im Kern sehr ernstes Drama, dessen Wohlfühl-Familien-Score jedoch oftmals der Tragik im Wege steht...

AUSNAHMESITUATION


John Francis Crowley (Brendan Fraser) hat mit seiner Frau Aileen (Keri Russell) drei Kinder, von denen zwei an der Muskelkrankheit Morbus Pompe leiden: Beide Kinder haben nur eine Lebenserwartung von wenigen Jahren, ihre Zeit läuft ab. Doch Crowley will nicht aufgeben und sucht fieberhaft nach Informationen über ein mögliches Heilmittel. Dabei stößt er auf die Forschungen des Wissenschaftlers Dr. Robert Stonehill (Harrison Ford) und beschließt sich, diese zu finanzieren, obwohl er dafür eigentlich nicht genügend Geld besitzt. Crowley und Stonehill arbeiten ab diesem Moment zusammen...

"Ausnahmesituation" macht einen ganz großen Fehler, der viel von dem eigentlich großen Potenzial verschüttet. Das Thema ist ein sehr ernstes, es beruht gar tatsächlich auf einer wahren Begebenheit und ein guter Regisseur hätte in Kombination mit einem starken Drehbuch sicherlich ein intensives, emotionales Drama erschaffen können. Und emotional ist auch dieser Film geworden, leider dann aber doch eher auf die leichte Art. Er nimmt sein Thema zwar ernst und erschafft in der Laufzeit von 105 Minuten auch einige Szenen, die nicht gerade leichte Kost sind, insgesamt macht man es sich hier aber doch zu einfach. Der Überlebenskampf der Kinder, welche mit ihrer schrecklichen Krankheit leben müssen, bis sie sehr früh sterben, wird hier kaum thematisiert, sodass Zuschauern, die sich nicht zuvor über das Krankheitsbild informiert haben, die Schlagkraft des Themas kaum deutlich gemacht werden kann. Es ist offensichtlich, dass die Macher angesichts der Familienfreundlichkeit einiges entschärft haben, wozu dann auch der dudelige Soundtrack passt, der schwer an nette Unterhaltung wie "Im Dutzend billiger" erinnert... was mit all seinem Pathos und den tränendrückenden Klaviersolos wirklich nicht passt und einfach nur aufgesetzt wirkt. Einige Male schießt man hier dann mit der deutlichen "Friede Freude Eierkuchen"-Mentalität weit übers Ziel hinaus, sodass man diese wahre Geschichte schließlich kaum mehr glauben will. Aber sie schaffen es dennoch, das Werk irgendwie zu retten. Auch wenn zu wenig Aufmerksamkeit auf die wirklich schwierigen Aspekte gelegt wird (wie man das richtig macht, zeigte "Beim Leben meiner Schwester" nur wenige Jahre zuvor), ist der Handlungsstrang rund um den für seine Kinder kämpfenden John Crowley gelungen. Wie er alles daran setzt, seine Familie zu retten, wie er sich in den obersten Etagen Feinde macht, seinen Job vernachlässigt und schwere Entscheidungen treffen muss, das ist bewegend und passend eingefangen. Brendan Fraser macht dabei in der Hauptrolle einen mehr als soliden Job und überzieht glücklicherweise auch nicht, was er zuvor ja schon mehrfach getan hat. Mit einem wie gewohnt knurrigen Harrison Ford kann er natürlich nicht konkurrieren, aber das muss er auch nicht, denn der bringt seine ganz eigene Energie in den Film und überzeugt sowohl durch seinen rustikalen, egoistischen Charme und auch durch seine sensibleren Seiten. Eine klare Extrabetonung verdient sich auch "Sherlock Holmes"-Bösewicht Jared Harris als gar nicht mal so einseitiger Geldgeber der Forschungen. "Ausnahmesituation" hätte mit weniger Pathos und etwas mehr Mut also sicherlich ein besserer Film werden können, dank gut aufgelegter Schauspieler und einer schönen Geschichte ist dieses Drama aber doch noch einen näheren Blick wert.

Note: 3


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