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Colonia Dignidad - Es gibt kein Zurück

Die Geschichte rund um die deutsche Sekte "Colonia Dignidad" dürfte zu einem der finstersten Kapitel der Historie zählen. In Chile wurden dabei etliche Landsmänner und -frauen gefoltert und getötet, Kinder gequält und mit schrecklichsten Methoden hörig gemacht. Der deutsche Oscarpreisträger Florian Gallenberger hat sich dem Thema 2016 nun filmisch angenommen und konnte dabei längst nicht alle Kritiker überzeugen... ich hingegen habe einen spannenden Film gesehen, der zwar nicht sein ganzes Potenzial ausschöpft, aber dennoch immer wieder in den Bann ziehen kann.

COLONIA DIGNIDAD


Daniel (Daniel Brühl) gehört in Chile einer Aktivistengruppe an, welche den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende unterstützt. Nach einem Militärputsch werden jedoch nach und nach alle Hilfsmänner verhaftet und auch Daniel gerät genau in die Fronten und wird zu "Colonia Dignidad" gebracht, einer deutschen Sekte mit einem grausamen Ruf. Daniels Freundin Lena (Emma Watson) beschließt, der Sekte beizutreten, um ihre große Liebe finden und befreien zu können. Unter dem grauenvollen Leiter der Sekte, Paul Schäfer (Mikael Nyqvist), machen beide getrennt voneinander ein Martyrium durch und entdecken die furchtbaren Geheimnisse, die sich in Colonia Dignidad tummeln...

Nein, den ganzen Schrecken kann Florian Gallenberger in seiner gut 110-minütigen Abrechnung mit dem Thema nicht greifbar machen, auch wenn er sich offensichtlich bemüht. Er zaubert dabei zwar einige enorm treffsichere Einzelszenen aus dem Hut, als Gesamtes wirkt da manches aber doch noch zu brav und der Leidensweg der wirklichen Opfer der damaligen Zeit wird sicherlich ein noch viel grausamerer gewesen sein. So spult Gallenberger mittendrin einfach mal gute neunzig Tage nach vorne (was Lena und Daniel in dieser Zwischenzeit mitmachen mussten, ist kaum vorstellbar und deswegen wird es wohl auch nicht gezeigt) und macht auch um andere Szenen einen kleinen Bogen. Da stört es dann ab und an schon, dass Emma Watson aus einer harten Befragung ohne einen weiteren Kratzer herauskommt und auch psychisch kaum angeknackst wirkt. 
Ob dies an einer blassen Vorstellung des "Harry Potter"-Stars liegt oder ob Gallenberger da einfah etwas zu schlampg gearbeitet, ist schwierig zu sagen. Dass Watson die innere Zerbrochenheit der Figur und ihr erlebtes Martyrium, was wohl jeden Menschen nach kürzester Zeit absolut an die Grenzen bringen würde, nicht glaubhaft transportieren kann, steht aber dennoch außer Frage, Daniel Brühl macht neben ihr eine weitaus bessere, wenn auch keine perfekte Figur. Perfekt besetzt ist da einzig und allein Mikael Nyqvist, der seinen Paul Schäfer mit so viel Diabolie und Grausamkeit ausstattet, dass man sich schon bald wirklich vor ihm fürchtet. 
Anstatt sich dem Thema also ausreichend schmerzhaft zu widmen und somit viele Zuschauer zu verprellen, setzt Regisseur Gallenberger auf Spannung und dafür hat er offensichtlich ein Händchen. Ihm gelingen viele Suspense-Momente, in denen geflüchtet, sich versteckt oder ein normales Gesicht bewahrt werden muss und auch wenn diese Szenen alles andere als originell sind, verfehlen sie ihre Wirkung nicht. Gallenberger sorgt immer wieder für genügend Tempo und lässt seine Figuren selten zur Ruhe kommen, wobei auch der Zuschauer selbst stellenweise atemlos im Sessel sitzt. Gerade in der letzten halben Stunde gelingen ihm dabei einige brillante Szenen und in einem stark an "Argo" erinnernden Finale klopft das Herz auch noch mal um einiges schneller. 
Auch die Setarbeit muss gelobt werden, denn im Vergleich mit echten Fotos des schrecklichen Ortes stellt sich kaum ein Unterschied fest. Offenbar wurde ein großer Wert auf realistische Sets, Bauten und Kostüme gelegt, was "Colonia Dignidad" zu Gute kommt... alles wirkt tatsächlich sehr echt.
 Fazit: Es wird mehr auf Spannung als auf ein intensives Martyrium besetzt. Dabei wird der echte Schrecken zwar gerne mal ausgespart, da die Darsteller aber ohnehin leicht überfordert wirken, ist der Wink hin zu einem immerhin packenden Thriller aber verständlich. Und gefesselt wird man zweitweise tatsächlich.

Note: 3


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