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Wie ein wilder Stier

Nach seinem enormen Erfolg mit "Taxi Driver" standen Regisseur Martin Scorsese eigentlich alle Türen offen. Bis zu seinem nächsten Klassiker vergingen jedoch vier Jahre, was auch daran liegen mag, dass sich Scorsese durch seine Drogensucht erst einmal selbst wieder in den Griff bekommen musste, was ihm schließlich mit der Hilfe seines damaligen Lieblingsschauspielers Robert De Niro gelang. Anschließend drehten die beiden gemeinsam ein Boxer-Drama, welches heute vielleicht der gewichtigste Film des ganzen Genres sind, sogar noch vor den zu ungefähr gleicher Zeit erschienenen "Rocky"-Filmen mit Sylvester Stallone...

WIE EIN WILDER STIER


Jake LaMotta (Robert De Niro) hat nur einen großen Traum: Er will sich den Titel im Mittelgewicht holen und dafür trainiert er hart. Während LaMotta sich mit Hilfe seines kleinen Bruders Joey (Joe Pesci) durch Einzelkämpfe immer weiter nach oben kämpft, nimmt aber auch sein privates Leben andere Formen an. Durch die Erfolge leidet seine Persönlichkeit, die Brutalität aus dem Ring nimmt er immer öfters mit nach Hause, was zu schweren Konflikten mit seinem Bruder und auch seiner Frau Vickie (Cathie Moriarty) führt, an welchen er schließlich droht, zu zerbrechen...

Nach einem wirklich einleuchtenden Projekt für einen Martin Scorsese klang das nicht. Heute ist Scorsese ja zu Großteilen für seine klassischen Mafia-Epen bekannt... aber auch unter seinen bekanntesten Werken stechen Filme wie das Familienabenteuer "Hugo Cabret" oder der Mystery-Thriller "Shutter Island" recht klar heraus. Im Jahr 1980 widmete er sich dann also einem Boxer-Biopic. Auf einer wahren Begebenheit beruhend betrachtet er das Leben des ehemaligen Profiboxers Jake LaMotta und sieht man sich den Film dann genauer an, sind schnell Parallelen zu Scorseses Mafia-Dramen festzustellen. Joe Pesci ist als leicht reizbarer, aber diesmal deutlich vernünftigerer Raufbold mit dabei und die Hauptfiguren kommen allesamt aus dem italoamerikanischen Stil, was ihren Umgang und ihre alltäglichen "Rituale" doch schon recht klar mit den Figuren aus Scorseses Thrillern angleicht. 
Und auch sonst ist schon zu erkennen, worin Scorseses Stärken liegen: In Sachen Brutalität, was die Boxkämpfe dieses Films zum Beispiel schon mal klar von denen eines "Rocky" unterscheidet. Hier sind die Kämpfe kurz und knackig, Blut spritzt, die Schläge sind hart und brutal und generell ist es nicht schön, was wir hier sehen, genau so, wie "Wie ein wilder Stier" auch an sich kein schöner Film ist. Es ist eher ein deprimierender Film, der haarklein den Abstieg eines gestandenen Mannes zeigt, der aufzeigt, wie schnell man in seinem Leben abstürzen kann, wenn man die falschen Entscheidungen trifft. Das ist sicherlich nicht angenehm zu sehen und es ist somit auch kein Film, den man nebenbei guckt, denn dafür ist er zu aufrüttelnd. 
Auch Scorseses Inszenierung sorgt dafür, dass man sich nicht immer ganz wohlfühlt, was aber auch so gewollt ist. Beinahe der gesamte Film ist in Schwarzweiß gedreht, was die grauenvollen Zeitlupen, in denen sich die Boxer gegenseitig im wahrsten Sinne des Wortes, man verzeihe mir die Ausdrucksweise, die Fresse polieren, noch eindrucksvoller macht. Der Film sieht tatsächlich so aus, als wäre er in den Vierziger Jahren entstanden, sowohl optisch als auch akustisch sieht das Werk älter aus, als es ist, was hervorragend zu der Zeit passt, in welcher die Geschichte spielt. 
An vorderster Stelle ist "Wie ein wilder Stier" aber natürlich eine gewaltige One-Man-Show des legendären Robert De Niro. Nach seiner bravourösen Performance in "Der Pate 2" fünf Jahre zuvor schaffte er es hier zum zweiten Mal, einen Oscar mit nach Hause zu nehmen und dies ist vollkommen gerechtfertigt, denn De Niro spielt sich hier im wahrsten Sinne die Seele aus dem Leib. Er nahm sogar sage und schreibe siebenundzwanzig Kilo zu, um den später arg abgehalfterten und heruntergekommenen LaMotta spielen zu können, was beweist, mit wie viel Liebe und Herz er an diese Rolle herangegangen ist. Seine Leistung lässt sich durch nichts schmälern, was übrigens auch für den fabelhaften Joe Pesci gilt, der hier wieder eine Paraderolle spielen darf. Ähnlich überzeugend agiert Cathie Moriarty als LaMottas Ehefrau, die schwer unter den Lebenseskapaden ihres Mannes leiden muss. Einige kleine Schwächen hat jedoch auch ein Klassiker wie dieser Film: So kommt es zwischendurch immer wieder zu einigen Längen und auch nicht jedes Klischee des Biopic-Genres kann hier umschifft werden, was besonders für die Beziehung zwischen LaMotta und seiner Frau gilt, die hier keinerlei Überraschungen bieten kann.
Fazit: Intensives Boxer-Biopic mit grandioser Inszenierung und fantastischen Schauspielern, aber auch mit einigen Längen. Dennoch definitiv eines von Scorseses besten Werken!

Note: 2-




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