Martin Scorsese ist sicherlich so etwas wie eine lebende Filmlegende und nicht nur ich warte bereits sehnlichst auf sein neues Werk "Silence", welches bei uns in Deutschland im Frühjahr anläuft und schon jetzt als einer der Favoriten für die diesjährigen Oscars gilt. Rückblickend hat mir aber nicht jedes Werk von Scorsese geschmeckt und gerade der von allen umjubelte "GoodFellas" enttäuschte mich. Es war sicher alles andere als ein schlechter Film, einen Bezug dazu habe ich jedoch nie gefunden. Ähnlich erging es mir auch bei "Casino", der mich nicht kaltließ, meine Geduld jedoch drei Stunden lang auf die Probe stellte...
CASINO
Im Las Vegas der 70er Jahre übernimmt Sam Rothstein (Robert De Niro), von allen nur "Ace" genannt, die Leitung des Kasinos Tangiers. Schnell steigt der Mafiosi in der Glücksspielbranche auf und scheffelt gemeinsam mit seinem besten Freund, dem kaltblütigen Killer Nicky Santoro (Joe Pesci), welcher ihn vor möglichen Übergriffen schützen soll, jede Menge Geld. Schließlich heiratet Ace seine Freundin Ginger (Sharon Stone), die er während seiner Karriere im Tangiers kennenlernte. Damit fangen die Probleme an: Es werden Gerüchte über falsche Lizenzen laut und Ace verliert Geld an Betrüger. Als Nicky schließlich auch den Reizen Gingers erliegt, wird die Freundschaft der beiden auf eine harte Probe gestellt und schon bald fließt Blut...
Martin Scorsese hat seine ganz eigene Art, ein ganzes Leben als Portrait auf Film zu bannen. Ähnlich wie in "GoodFellas" hat er es sich auch hier wieder zur Aufgabe gemacht, hinter die Kulissen der Mafia zu schauen und einen der großen Männer zu präsentieren, wobei er auch vor privaten Informationen keinen Halt macht. Das führt natürlich zu einigen Problemen und zeigt auf, dass es in "Casino" sehr viel Licht, aber auch sehr viel Schatten gibt.
Zu Beginn schafft es Scorsese noch meisterhaft, Aces Aufstieg in der Glücksspiel-Branche aufzuzeigen. Man muss konzentriert bei der Sache bleiben, um all den Figuren, Mittelsmännern und Gegebenheiten zu folgen, wenn man dies jedoch tut, wird man mit einem toll geschriebenen Thriller belohnt, der seine Figuren ernst nimmt und die Hintergründe des damaligen Vegas-Glücksspiels und der damit zusammenhängenden Mafia sehr realistisch und detailliert aufzeigt. Dies zeigt sich in einer schnörkellosen, teils sehr brutalen, aber stets cleveren und packenden Inszenierung: Scorsese weiß einfach, wie er seinen grandiosen Soundtrack benutzen oder wie er seine Kamera aufstellen muss, um den perfekten Mix aus Bild und Ton zu kreieren und bündelt auch seine Schauspieler zu fesselnden Darstellungen.
Robert De Niro spielt wieder einmal ganz groß auf und neben ihm verschmilzt Joe Pesci, wie bereits in "GoodFellas", regelrecht mit seiner Rolle als brutaler Gangster Nicky Santoro. Wenn die beiden in ihren Szenen zusammen agieren, dann brennt der Bildschirm, ganz gleich, ob sie sich nur einen Drink genehmigen oder ob sie das Feuer eröffnen... was vergleichsweise selten geschieht, denn "Casino" ist weniger ein Actionfilm als ein interessanter Mix aus Thriller und Drama. Die größte Überraschung des Casts ist jedoch Sharon Stone, die erst spät ihre wirklich großen Momente bekommt, dann aber mit so viel Feuer, Mut zur Hässlichkeit und Ausstrahlung aufwartet, dass einem der Atem stockt. Auf dem Hoch ihrer Karriere sahnte Stone dafür sogar eine Oscar-Nominierung ab... und das völlig zurecht.
Gerade in der letzten Dreiviertelstunde, dem klaren Meisterstück dieses beinahe dreistündigen Mafia-Epos, läuft das Ding ordentlich rund, bringt seine Hauptdarsteller zu fesselnden Leistungen und schafft es brillant, die einzelnen Subplots zusammenzuführen und den Zuschauer mit manch einer überraschenden Wendung zu packen. Leider findet Scorsese dieses Tempo zuvor nur sehr sporadisch wieder. Gerade im entsetzlich langen Mittelteil scheint er nicht genau zu wissen, wohin er eigentlich will, klappert etliche Standpunkte ab, ohne genau auf den Punkt zu kommen und sorgt dabei für enorme Längen. Das, nennen wir es mal "Liebesdreieck" zwischen seinen drei Hauptfiguren schlawenzelt lange Zeit relativ unspektakulär vor sich hin und die Geschichte, die immerhin streckenweise auf realen Begebenheiten und Personen beruht, kommt nicht mehr wirklich vom Fleck. Scorsese bemüht sich redlich, das Leben seiner Charaktere detailliert zu beleuchten, leider schaut er einige Male dann doch nicht genau genug hin, um bei anderen, wesentlich lapidareren Szenen viel zu lange und viel zu oft zu verweilen. Nach einer Weile hatte mich "Casino" schließlich gar nicht mehr am Haken und das ständige Gerede über Verrat, Liebe, Kinder, Geld und Drogen wurde gar anstrengend, da es keinerlei Konsequenz gab. Es ist immer noch gut inszeniert, eine ganze, lange Weile lang ist es aber auch erstaunlich substanzlos.
Fazit: Scorsese beweist seinen grandiosen Status als Ausnahme-Regisseur mit einem perfekt inszenierten Mafia-Epos, welches sich aber zu oft im Kreis dreht. Zu Beginn und zum Finale läuft der Film rund, dazwischen gibt es aber auch jede Menge Leerlauf.
Note: 3-
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