1996 erschuf Henry Selick mit dem von Tim Burton produzierten Disney-Märchen "The Nightmare Before Christmas" einen schönen Feiertags-Klassiker, der bis heute zu einer Art Kultfilm aufgestiegen ist. Eigentlich verwunderlich, dass Selick sechzehn Jahre wartete, um noch einmal einen ähnlichen Film abzuliefern und vielleicht erneut den Nerv des Publikums zu treffen. Das ging nur teilweise auf, denn während die Kritiker weitestgehend begeistert aus den "Coraline"-Vorstellungen liefen, blieb der große Erfolg eher aus. Dies könnte auch daran liegen, dass man sich hier nie entscheiden kann, ob man einen Familienfilm oder gar eine schaurige Mär erzählen möchte, die nichts für jüngere Kinder ist...
CORALINE
Die elfjährige Coraline Jones zieht mit ihren Eltern fort aus ihrer gewohnten Umgebung in ein einsames Haus. Dort fühlt sich das Mädchen unwohl, von Mutter und Vater unverstanden und langweilt sich bald zu Tode. Eines Tages entdeckt sie im Wohnzimmer eine geheimnisvolle Tür und als sie diese mitten in der Nacht durchschreitet, gerät sie in eine andere Welt. In dieser Parallelwelt sind ihre Eltern stets freundlich und auch alle anderen Menschen sind glücklich und lieben Coraline. Natürlich ist das junge Mädchen anfangs regelrecht begeistert von dieser kunterbunten Welt, doch schließlich muss sie erkennen, dass dieses Paradies trügerisch ist und einige echte Gefahren bereithält...
"Coraline" beruht in seiner filmischen Form auf dem gleichnamigen Roman von Neil Gaiman, der innerhalb seiner Geschichten stets für skurille Welten und düstere Fantasy bekannt ist, dabei aber dennoch Familien und auch Kinder anspricht. Selbiges hat Regisseur Henry Selick nun auch mit seiner Verfilmung vor, kann dabei aber nicht durchgehend begeistern. Oder eher, er kann es viel seltener als angenommen. Zwar erschafft er mit seiner ebenso unheimlichen wie anziehenden Parallelwelt einige echte Hingucker und sorgt mit schönen Ideen und vielen spaßigen Details dafür, dass man sich kaum sattsehen kann an diesen Bildern, seine Geschichte kommt jedoch nur schleppend voran. Wenn "Coraline" schlussendlich an Tempo aufnimmt, ist schon über die Hälfte der Laufzeit rum und man hat sich zwar in fantasiereichen Welten, nicht jedoch in einer packenden Handlung gesuhlt.
Dass mit dieser neuen Welt, in der Coralines Familie plötzlich supercool und freundlich ist, etwas nicht stimmt, hat der findige Zuschauer natürlich schon schnell herausgefunden und dementsprechend dauert es viel zu lange, bis dies auch die Protagonistin mitbekommt. Das ist dann, trotz der Fülle an optischen Spielereien, doch ein recht fader Einstieg, der zudem mit einigen sehr verquatschten Szenen einiges an Tempo einbüßt. Zudem sind auch die Nebencharaktere durchaus etwas zwiespältig geraten und können keine Sympathiepunkte sammeln... gerade der für diesen Film extra neu in die Handlung geschriebene Junge Wybie bleibt hier erstaunlich unterentwickelt und was dieser Zirkusakrobat mit seinen Mäusen in diesem Film soll, bleibt bis zum Schluss ein schwammiges Geheimnis.
Immerhin nimmt "Coraline" aber später doch durchaus an Fahrt auf und entschädigt mit einigen spannenden und überraschend düsteren Momenten für die vorhergehende Langeweile. Hier sollten sich Eltern dann aber noch einmal genau überlegen, ob sie dieses Werk ihren jüngeren Kindern wirklich zu Gemüte führen wollen, finden sich doch einige sehr gruselige und teils auch harte Szenen darin, die durchaus für Alpträume sorgen können - hier war die FSK mal wieder deutlich zu gütig und zielte sicherlich durch die niedrigere Freigabe auf eine größere Zielgruppe und damit mehr Einnahmen ab. Ein echter Hingucker ist aber die Technik. Selick kombiniert die bereits aus "The Nightmare Before Christmas" bekannte Stop-Motion-Technik mit der heutigen Animationsgewalt - das Ergebnis ist mehr als nur hübsch und sieht einfach fantastisch aus. Unterlegt mit einem sehr schönen und passenden Soundtrack ist es dann tatsächlich, trotz der eher schwachen Geschichte und der noch etwas schwächeren Umsetzung, ein Fest für die Sinne.
Fazit: Jüngere Kinder dürften sich hier durchaus zu sehr gruseln, für die Erwachsenen verläuft die Handlung indes zu schleppend. In der zweiten Hälfte nimmt das Tempo aber zu und sehr schöne Bilder und detaillierte Welten gibt es auch zu bewundern.
Note: 3-
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