Entgegen vieler anderer Meinungen halte ich Diane Kruger nicht für eine schlechte Schauspielerin. Sie ist in der Lage, mit viel Ausstrahlung zu agieren und sucht sich dabei durchgehend interessante Projekte aus. Ein Problem habe ich jedoch mit ihrer Stimme - sie wirkt oftmals nicht auf der Höhe ihres Spiels, weshalb ich es stets für einen Fehler hielt, dass sie sich, wie es eben in Deutschland üblich ist, für die deutsche Version der internationalen Werke wie "Inglourious Bastards" oder "Das Vermächtnis der Tempelritter" selbst synchronisierte. Diese Mühen fallen bei einem deutschen Werk nun weg, weswegen ich gespannt war, wie sich Kruger in dem Drama "Aus dem Nichts" schlagen würde - angesichts diverser Preise war ich schon im Vorfeld gespannt...
AUS DEM NICHTS
Innerhalb von Sekunden bricht für Katja Sekerci (Diane Kruger) die Welt zusammen. Als sie ihren kurdisch-stämmigen Mann Nuri (Numan Acar) und ihren gemeinsamen Sohn Rocco (Rafael Santana) von Nuris Arbeitsplatz abholen will, muss sie erfahren, dass beide bei einer verheerenden Explosion vor dem Büro ums Leben gekommen sind. Katja erstickt ihren Schmerz in Drogen und hilft zeitgleich der Hamburger Polizei dabei, die Tat aufzuklären. Als herauskommt, dass ein vor dem Büro abgelegter Sprengsatz für die Explosion verantwortlich ist, glaubt sie an die Beteiligung von Neonazis - wer sonst sollte ihrem Mann etwas antun wollen? Rasch gerät Katja in einen Strudel aus Verzweiflung, Schmerz und Rachegefühlen, denen sie sich nicht mehr entziehen kann...
Es ist ein sehr intensives Stück deutsches Kino, welches Regisseur Fatih Akin hier gelungen ist - auf dem Filmfestival in Cannes wurde er dafür auch bereits gebührend gefeiert. Hauptdarstellerin Diane Kruger durfte dort den Preis als beste Schauspielerin entgegennehmen und auch wenn ich nach den ersten Ausschnitten dennoch weiterhin skeptisch blieb, war dies nicht nötig, denn Kruger beherrscht diesen Film beinahe im Alleingang. Die Besetzung an sich ist absolut fantastisch und bis auf eine einzige Rolle (der leitende Kommissar wirkt arg steif und überfordert) herausragend besetzt. Herausstechen tut beispielsweise "Zweiohrküken"-Star Denis Moschitto, der als Katjas guter Freund und Anwalt einige herausragende Szenen hat - besonders im Zusammenspiel mit Verteidiger Haberbeck, wahnsinnig gut gespielt von Johannes Krisch, entstehen dabei einige Momente, die man so schnell nicht mehr vergisst.
Und doch, Kruger bleibt der Dreh- und Angelpunkt des Werks, ist in fast jeder Szene zu sehen und beherrscht das Werk durch ihre Performance. Gut, wenn man ganz pingelig ist, wird man einige kleine Momente entdecken, während welchen Kruger mit der Dramatik ihrer Rolle noch nicht ganz gekoppelt war, doch diese kann man locker an einer Hand abzählen und sich daher lieber von all den restlichen Szenen in Staunen versetzen lassen: Mensch, so gut kann diese Frau tatsächlich noch sein. Kruger spielt Katja nicht, sie scheint mit ihrer Rolle schlichtweg zu verschmelzen und überzieht selbst in den Momenten, die nahezu dazu einladen, nicht, bleibt auf dem Boden und vollkommen glaubwürdig. Natürlich ist eine Rolle wie diese für jeden gestandenen Schauspieler (und Schauspielerinnen) ein gefundenes Fressen und Kruger weiß dieses auch durchaus zu nutzen, schreit, weint und zetert sich mit einer Intensität durch die Szenerie, dass es einem wahrlich durch Mark und Bein geht.
Neben der exzellenten Besetzung hat Regisseur Akin aber auch eine gute Geschichte an seiner Seite, die zusätzlich dafür gesorgt, dass man schier gebannt auf die Leinwand starrt. Auch wenn hier nichts Neues erzählt wird, so ist es dennoch eine Wohltat zu sehen, wie sehr auch ein deutsches Werk noch psychologisch in die Welt seiner Protagonistin eintauchen kann und trotz bekannter Elemente störenden Klischees aus dem Weg geht. Es wäre leicht gewesen, die Geschichte dramatisch zu überspitzen, doch Akin tut das nicht und interessiert sich nicht für kitschige Einzelheiten oder Subplots, die den Fluss nur stören werden: So geht er einer möglichen Strafverfolgung gegen Katja selbst, die kurz thematisiert wird, mit schlichtweg entwaffnender Ehrlichkeit geradezu meisterhaft aus dem Weg.
Seine besten Momente hat "Aus dem Nichts" tatsächlich im zweiten von drei Kapiteln, wenn man sich der zentralen Gerichtsverhandlung zuwendet. Hier dürfen sich die Autoren auf die Schulter klopfen, denn die ultrascharfen Dialogsalven werden schlichtweg hin- und hergefeuert, sind von einer schneidenden Intelligenz und tiefer Tragik, dass man glatt Gänsehaut bekommen kann. Die zentralen Szenen vor Gericht gehören dabei sicherlich zum Besten und Intensivsten, was man dieses Jahr im Kino sehen konnte. Anschließend geht dem Werk im finalen Akt aber leider der Schwung flöten: Katjas letzte Schritte wirken etwas uninspiriert und hier tappt man dann leider doch noch einige Male in die böse Klischee-Falle. Dies konnte man zwar kommen sehen, dennoch war zu hoffen, dass sich Akin hier ebenso frisch aus der Affäre ziehen würde wie zuvor - angesichts der doch eher mauen Wendungen gegen Ende muss man sagen, dass ihm dies leider nicht mehr gelungen ist.
Fazit: Intensives Drama, welches tiefschürfend das zerbrechende Psychogramm einer Frau aufzeigt, die ihre Familie verliert und für Gerechtigkeit kämpft, obwohl sie selbst schon verloren ist. Absolut exzellent besetzt erreicht das Werk seine größte Intensität in den enorm gut geschriebenen Gerichtsszenen, verliert im finalen Akt aber ein wenig den Boden unter den Füßen.
Note: 2-
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