Direkt zum Hauptbereich

Pocahontas

Der Quasi-Nachfolger des wohl besten Zeichentrickfilmes aller Zeiten zu sein ist natürlich stets eine schwere Bürde. 1994 brachte Disney das grandiose Epos "Der König der Löwen" in die Kinos, heimste zwei Oscars, das Lob der Kritiker und den Jubel der Zuschauer ein und erschuf den bis heute erfolgreichsten und vielleicht auch beliebtesten Film der Disney-Meisterwerke-Reihe. Was soll danach denn noch kommen und vor allem... was ist direkt der nächste Film? "Pocahontas" hieß Disneys Antwort im darauffolgenden Jahr und trotz schöner Ansätze war ein erneutes Meisterwerk diesmal erwartungsgemäß nicht drin...

POCAHONTAS


England, 1607: Eine Gruppe junger Männer und Soldaten segelt unter dem Kommando des englischen Gouverneurs Ratcliffe durch das junge Amerika, um ihren Besitz in Anspruch zu nehmen. Dabei treffen sie auf ein in ihren Augen unzivilisiertes Volk aus "Wilden", welches Ratcliffe aus dem Weg räumen lassen will, um das fruchtbare Land an sich zu reißen. Der Soldat John Smith verliebt sich dabei jedoch in die junge "Wilde" Pocahontas und lässt so einen Konflikt entbrennen, der beide Parteien strotzend vor Wut zu den Waffen greifen lässt...

Natürlich befand sich "Pocahontas" schon lange in Produktion, als "Der König der Löwen" im Jahr 1994 diesen enormen Erfolg, mit dem im Vorfeld im Grunde niemand gerechnet hatte. Die Bosse der Mausstudios waren eigentlich zuvor davon ausgegangen, dass "Pocahontas" das Duell an den Kinokassen klar für sich entscheiden würde... dem war nun sicher nicht der Fall. Vielleicht war den Zuschauern das Thema aber auch irgendwie zu sperrig, denn zum ersten Mal wagte man sich hier tatsächlich an eine Figur heran, die wirklich existiert hatte und erschuf so eine Zeichentrick-Erschaffung eines lebenden Vorbildes. Angesichts dessen war man sich natürlich der Verantwortung bewusst, ist die reale Pocahontas doch seit jeher eine wichtige Persönlichkeit der amerikanischen Historie, auch wenn es keine wirklichen belegbaren Fakten zu den tatsächlichen Geschehnissen gibt. Man blieb der realen Person somit sicherlich treu und nahm die Geschichte durchgehend ernster, Humor wurde sparsamer eingesetzt (und wirkt hier durch die tierischen Sidekicks auch ziemlich aufgesetzt und unpassend, angesichts der erwachsenen Handlung) und generell hielt man sich an eine reifere Erzählung. 
So richtig gelungen ist ihnen dies aber nicht und wenn man sich schon nicht über die typische Vereinfachung oder auch Verzerrung der historischen Genauigkeiten mokieren möchte (wir sind hier schließlich immer noch bei einem Familienfilm), dann darf man zumindest anmerken, dass ihnen die Geschichte an sich etwas aus den Fingern geglitten ist. 80 Minuten sind für einen solch enormen Konflikt, der zwei Welten aufeinanderprallen lässt und für den sich ein ähnlich gearteter Blockbuster namens "Avatar" vierzehn Jahre später noch beinahe drei Stunden Zeit nahm, natürlich viel zu wenig. Dementsprechend hoch ist zwar das Tempo, die ganze Fallhöhe und Tiefe des Konfliktes wird aber nie ganz klar, die Figuren bleiben recht schablonenhaft und bekommen nur selten wirkliche eigene Antriebe. Das gilt sowohl für den Antagonisten Ratcliffe, der hier eben einfach nur geldgierig und böse ist, als auch für die Mitglieder aus Pocahontas' Stamm, die sich der Natur hingeben und schließlich auch nicht vor einem blutigen Kampf zurückweichen. 
Das ist Storytelling aus dem Handbuch und wird hier so rasch erzählt, dass man nie einen wirklichen Zugang zu dem Plot findet, der schließlich ebenso schnell endet wie er begonnen hat. Da man zudem diesmal auch kaum durch sympathischen Humor oder durch große Action abgelenkt wird und sogar die Songs eher blutleer ausfallen (bis auf den grandiosen "Colours of the Wind" natürlich) wirkt das Ganze doch schon ein wenig arm an Substanz. Ein schlechter Film ist "Pocahontas" aber natürlich auch nicht geworden, halten die wunderbaren Zeichnungen doch einige fantastische Bilder für uns bereit, ist der instrumentale Soundtrack einfach ein ganz Großer und ist auch die Liebesgeschichte, die sich rasch zwischen John Smith und Pocahontas aufbaut, mit Herz und Charme erzählt. Dank dieser Aspekte dürften auch Erwachsene ihren Spaß haben, während Kinder angesichts der sehr reifen Erzählung ein wenig zurückgelassen werden. 
Fazit: "Pocahontas" bricht eine sehr reife und erwachsene Zählung auf die üblichen Genre-Zutaten herunter und wird dem zugrundeliegenden Konflikt in Sachen Dramatik nur selten gerecht. Dafür entschädigen wunderschöne Bilder und eine charmante Liebesgeschichte.

Note: 3-




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Meine Erstsichtungen vom 08.07.24 bis zum 14.07.24

Girl You Know It's True: Musiker-Biopic von Simon Verhoeven, mit Tijan Njie, Elan Ben Ali, Matthias Schweighöfer, Bella Dayne, Mitsou Young und Graham Rogers Dem Film über das umstrittene Musik-Duo Milli Vanilli gelingt das Kunststück, einerseits ungemein unterhaltsam zu sein und andererseits einen der größten Skandale der Musikgeschichte zu erzählen, ohne ihn großartig auszuschlachten. Stattdessen gibt der Film den beiden verrufenen Künstlern ihre Würde zurück, indem er die Hintergründe des Aufstiegs und Falls der beiden Ikonen genau dezidiert und dabei nicht wütend mit dem Finger auf einen bestimmten Schuldigen zeigt - das ist dann auch für Kenner noch hochinteressant, bisweilen spannend und mit einigen emotionalen Tiefschlägen ausgestattet. Trotz einiger Längen hält Simon Verhoevens Regie den Film durchweg am Leben, die Musikszenen sind energetisch inszeniert. Zudem wissen nicht nur Tijan Njie und Elan Ben Ali in den Hauptrollen durchweg zu überzeugen, sondern auch Matthias Schw...

Cold Comes the Night

Die alleinerziehende Mutter Chloe (Alice Eve) leitet ein heruntergekommenes Motel, wo immer wieder zwielichtige Gäste eintrudeln und sogar die örtlichen Prostituierten ein Zimmer nehmen, um sich mit ihren Kunden zu vergnügen. Für Chloes Tochter Sophia (Ursula Parker) ist dies kein geeigneter Wohnort, findet das Jugendamt, und droht deswegen sogar damit, sie Chloe wegzunehmen. Als eines Abends ein mysteriöser Reisender (Bryan Cranston) um ein Zimmer für eine Nacht bittet und sich bereits am Empfang merkwürdig verhält, wird Chloe bereits hellhörig. In der Nacht fallen plötzlich Schüsse und zwei Bewohner der Appartements werden tot aufgefunden. Doch ist dies erst der Beginn einer wahren Tortur, durch welche Chloe in den nächsten Stunden noch wird gehen müssen... Es gibt durchaus einige Filme, bei denen ich mich nachträglich mehr als gewundert habe, warum diese nicht das Licht der Leinwand erblickt haben, sondern direkt für den Heimkinomarkt ausgewertet wurden - noch vor Zeiten von großen ...