Direkt zum Hauptbereich

Der talentierte Mr. Ripley

Manchmal kann man sich eben auch einfach irren. Ab und zu ziehe ich es vor, mich gar nicht über einen Film zu informieren - ich höre den Namen, weiß, dass es ein viel beachtetes Werk ist, von dem viele Kritiker in hohen Tönen sprechen und verzichte dann darauf, mir Trailer anzusehen oder im Internet nachzuforschen, worum es eigentlich geht. Auch bei "Der talentierte Mr. Ripley", den ich nun zum ersten Mal gesehen habe, bin ich so verfahren, dachte jedoch vorher aufgrund des Titels und eines recht "streberhaft" aussehenden Matt Damon auf dem Poster, dass es sich um ein Drama a la "A Beautiful Mind" handeln dürfte. Aber nein, das Werk von Regisseur Anthony Minghella ist ein waschechter Thriller - und beileibe kein schlechter...

DER TALENTIERTE MR. RIPLEY


New York, in den 50er Jahren: Thomas Ripley (Matt Damon) wird auf einer Feier, auf welcher er Klavier spielt, von einem Fabrikanten namens Herbert Greenleaf (James Rebhorn) angeheuert, seinen Sohn Dickie (Jude Law) aus Italien zurück in die Staaten zu bringen - Greenleaf geht davon aus, dass sein Sohn und Ripley sich vom Studium in Princeton kennen, was allerdings nicht stimmt. Ripley jedoch riecht ein Abenteuer, nimmt die Geschichte an und stöbert Dickie und dessen Frau Marge Sherwood (Gwyneth Paltrow) in Italien auf. Dort spielen seine Gefühle urplötzlich verrückt und je tiefer er in das temporeiche Leben Dickies und seiner Frau eintaucht, desto weiter verstrickt sich Ripley in sein Spiel aus Täuschung und Betrug - soweit, dass er sich schon bald in ernsthafte Schwierigkeiten bringt...

Durch seinen vorherigen, enormen Erfolg mit "Good Will Hunting" gelang es Matt Damon, auch in diesem Drama (welches aber nicht einfach nur ein Drama ist) die Hauptrolle zu übernehmen - und auch hier macht er seine Sache wieder einmal verflixt gut. Als Mann, der zwischen seinen Gefühlen steht und diesen irgendwann vollkommen verfällt, ist Damon nicht so kraftvoll wie ähnlichen Performances, wesentlich nuancierter und kleiner, weswegen er ab und an neben seinen Kollegen fast ein wenig unterzugehen droht. Dass er dies letztendlich doch nicht tut, ist im Grunde das größte Kompliment, was man dem späteren "Jason Bourne"-Star hier machen kann, denn auch seine namhaften Kollegen, die hier sehr zahlreich auftreten, wissen mit fabelhaften Darstellungen zu überzeugen.
"Sherlock Holmes"-Star Jude Law wurde für sein Spiel sogar für einen Oscar nominiert und auch das völlig zurecht - wie er den selbstverliebten Egomanen darstellt, ohne dabei jedoch in unangenehme Klischees zu verfallen und dennoch sympathisch und nahbar zu wirken, das ist tatsächlich eine Leistung, die man nicht alle Tage sieht. Neben Law und Damon wird auch die Frauenquote ausreichend hochgehalten: Cate Blanchett spielt dabei eine Figur, die es in der zugrundeliegenden Romanvorlage gar nicht gab und fügt sich dennoch nahtlos ein, während "Iron Man"-Star Gwyneth Paltrow besonders in der zweiten Hälfte mit einigen schier kraftstrotzenden Szenen aufwarten kann. Filmfans werden sich auch freuen, die seit einigen Jahren bereits verstorbenen James Rebhorn und Philip Seymour Hoffman zu sehen, die hier kleine, aber feine Rollen ausfüllen - besonders Hoffman ist als fieser und intriganter Freund Dickies jede Szene absolut wert.
Auf Handlungsebene beginnt der Film jedoch tatsächlich wie das Drama, auf welches ich mich eingestellt hatte - Damons Charakter Ripley wird quasi in eine neue Welt gestoßen und muss sich dort einleben. Dies geschieht in recht langsamem Tempo, dafür aber mit einigen herausragend inszenierten Szenen, viel Gefühl, feurigen Dialogen und toller Kameraarbeit. Dennoch wirkten die Beziehungen der Figuren untereinander nicht immer glaubhaft - gerade die sich sehr rasant entwickelnde Freundschaft zwischen Dickie und Tom bleibt hier eher auf der Behauptungsebene stecken. Während Toms Gefühle herausragend gespielt und inszeniert bleiben, bleibt Dickie eher ein Geheimnis - wieso er so viel Zeit mit diesem neuen, unbekannten Menschen verbringt und was genau eigentlich in seiner Ehe los ist, das bleibt alles doch eher schwammig und sorgt auf Detailebene für einige Fragezeichen.
Dies zieht sich auch ein wenig in die letztendlich begonnene, unkonventionell geschriebene und trickreiche Thriller-Handlung hinein. Zwar gestalten die Macher ihr Drehbuch ungemein clever und bieten dem Zuschauer mehrfach Wendungen, die stets passend und nie zu effekthascherisch wirken, dennoch bleiben Ziele und Wünsche der Figuren nicht immer im Vordergrund. Der Film bleibt stets spannend, schockiert uns bisweilen und fordert auch das Gehirn des Zuschauers - Mitdenken ist hier Pflicht -, doch der letzte Kick fehlt leider, da man nicht immer detailreich genug vorgeht, um die Gefühlswelten der Charaktere dahingehend richtig zu erforschen, was ein wenig schade ist.

Fazit: Schauspielerisch absolut brillant und auch handlungstechnisch ebenso clever wie fordernd. "Der talentierte Mr. Ripley" ist ein gut geschriebener Mix aus Drama und Thriller, dessen Figurenzeichnung ab und an etwas schwammig bleibt und daher nicht immer sämtliche Wendungen perfekt austarieren kann.

Note: 3+





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se