Ich war nie ein großer Fan von Kurzgeschichten. Gerade was Bücher anbelangt, brauche ich eine lange Geschichte, die voranschreitet, mehrere Etappen nimmt und mich bestenfalls über mehrere Abende hinweg fesselt... ist sie zu kurz, werde ich wahrscheinlich nicht schnell genug gepackt, eh sie schon wieder zu Ende ist. Dennoch gibt es reichlich Fans dieser kürzeren und sicherlich auch niemals schlechteren Literatur, es gibt sogar ganze Anthologien, die mehrere Kurzgeschichten in einem Buch zusammenbringen. Und da das als Buch so gut funktioniert, wieso soll es das als Film nicht auch tun? Mehrere Regisseure gingen daher im Jahr 2012 ein Horror-Experiment ein, welches als "V/H/S" bekannt anschließend die Zuschauermeinungen spaltete...
V/H/S
Die vier Freunde Brad (Adam Wingard), Gary (Calvin Reeder), Zak (Lane Hughes) und Rox (Kentucker Audley) produzieren Amateurfilme, in denen sie entweder fremdes Eigentum zerschlagen oder junge Frauen auf offener Straße belästigen - diese Filme verscherbeln sie anschließend für mal kleines, mal großes Geld an einen Pornoladen. Nun haben sie jedoch einen neuen Auftrag an Land gezogen, der wesentlich mehr Gewinn verspricht. Für ihren Auftraggeber sollen sie in das Haus eines armen Rentners (Frank Stack) einbrechen und ein bestimmtes Videotape stehlen. Die Jungs fackeln nicht lange... finden in der Wohnung jedoch mehrere Tapes - eines grausamer und schockierender als das andere.
Und diese werden dem horrorfreudigen Zuschauer dann natürlich nach und nach, jeweils stets mit kleinen Unterbrechungen, die uns erneut den einbrechenden und das bestimmte Tape suchenden Männern näherbringen, dargeboten. Die Qualität der insgesamt fünf verschiedenen Storys (wenn man die zusammenhaltende Aufnahme der Männer in der Wohnung des Rentners nicht mitzählt) schwankt dabei und besitzt stets andere, visuelle Stilmittel - kein Wunder, waren an jedem "Kurzfilm" doch stets andere Regisseure und Teams beteiligt. Jeder Zuschauer wird hier für sich seinen eigenen Favoriten herauspicken, so ihm die Geschichten denn generell zusagen wollen, er oder sie das Ganze nicht entweder als zusammenhanglose Langeweile oder ziemlich groteske Hardcore-Variante des modernen Psycho-Gores ansieht, welches auch mal den Geschmack ad absurdum führt. Nein, für den Mainstream-Zuschauer ist das definitiv nichts und auch auf ausgefeilte Geschichten sollte man hier keinen Wert legen.
"VHS" zieht seine Vorteile insbesondere aus der visuellen Inszenierung der makaberen Geschehnisse... und man muss dem Gesamtwerk dabei zu Gute halten, dass die Macher hier stets sehr originell vorgegangen sind. Keine der Geschichten und deren Entwicklungen ist in irgendeiner Form vorhersehbar, man erschafft stets etwas Neues - es entwickelt nur, mit einer einzigen Ausnahme, keine wirkliche Spannung. Es läuft auf das Prozedere hinaus, dass uns eine Reihe von mal mehr, mal weniger Figuren vorgestellt wird, die sich auf einem Camping-Ausflug, einer Party oder in anderen Situationen befinden und schließlich mit extremem Horror konfrontiert werden - wobei die Charaktere zumeist auf recht drastische Art und Weise ihr leben lassen.
Gefilmt wurden all diese Sequenzen selbstverständlich im Found-Footage-Format, um den Realismus zu unterstreichen (sofern dies in Geschichten über Geister und männermordende Vampire denn noch möglich ist). Leider konnte man auch hier nicht wiederstehen, die Kamera zumeist dem hyperaktivsten Freak der Gruppe in die Hand zu drücken, sodass das Bild auch in ruhigen Szenen enorm wackelt, stets extrem nah am Geschehen ist und Bildinhalte verschwimmen lässt. Das soll als Stilmittel wirken, wird bei einer Lauflänge von beinahe zwei Stunden auf Dauer jedoch ein wenig anstrengend. Gerade deswegen hebt sich das vierte Tape, in welcher eine Skype-Session zwischen zwei jungen Menschen außer Kontrolle gerät, positiv ab... beweisen die Macher hier jedoch, dass der große Erfolg von "Unknown User" aus dem Jahr 2015 nicht der erste Schritt hin zu der originellen Grundidee war, eine ganze Geschichte ausschließlich vom Desktop eines Laptops zu erzählen.
Die anderen Plots sind dahingehend originell, dass sie ihren Hardcore-Horror vollkommen freischießen lassen und bieten immer wieder visuell sehr interessante Ideen, die jedoch auch stets mit einer etwas langwierigen Einführung der Charaktere einhergeht. Nach dem meist sehr lauten und rasanten Finale einer Episode folgt also stets ein deutlicher Tempoabfall und da sich die einzelnen Filme auch qualitativ unterscheiden, hält "VHS" nicht durchgehend bei der Stange. Ein interessantes, kleines Experiment ist es dennoch, welches durchaus seine Daseinsberechtigung hat. Für die beiden bereits erschienenen Fortsetzungen, die ich mir womöglich irgendwann einmal ansehen werde, wäre ein Schritt weg vom Hardcore-Gore, der hier präsentiert wird, und hin zum doch eher atmosphärischen Grusel dennoch wünschenswert... denn das hier ist zwar irgendwie nett und auch interessant, aber nie wirklich unheimlich.
Fazit: Eine Videosammlung, die schockt - zumindest auf visueller Ebene. Die Regisseure hatten durchaus originelle Ideen, erreichen aber nie eine gruselige Atmosphäre und setzten mehr auf blutige Gore-Schocks, was sich mit der Zeit, da auch nicht alle Tapes wirklich überzeugen, doch deutlich abnutzt.
Note: 4+
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