Es ist gemeinhin bekannt, dass viele mit den Entscheidungen der Oscar-Academy nicht immer etwas anfangen kann - gerade der Hauptpreis um den besten Film des Jahres ist stets umstritten und auch ich glaube noch immer daran, dass oftmals nicht das beste, sondern das politisch gewichtigste Werk ausgezeichnet wird. So empfand ich beispielsweise den letztjährigen Gewinner "Moonlight" als zwar gut, aber eben auch ein wenig überbewertet. Eine der umstrittensten Entscheidungen für den besten Film des Jahres war sicherlich "L.A. Crash", der 2005 den Hauptpreis entgegennehmen durfte und heute als einer der schwächsten Vertreter derer gilt, die diese Auszeichnung je bekamen.
L.A. CRASH
In Los Angeles treffen verschiedene Menschen jeden Tag unter unterschiedlichsten Umständen aufeinander. Rassismus und Gewalt stehen an der Tagesordnung - Opfer und Täter von Straftaten und rassistisch motivierten Handlungen begegnen sich. Darunter ist der engagierte Staatsanwalt Richard Cobot (Brendan Fraser), der Probleme damit hat, seine verängstigte Frau Jean (Sandra Bullock) unter Kontrolle zu halten, die beispielsweise in dem Mechaniker Daniel (Michael Pena), der ihre Türschlösser auswechseln soll, eine latente Bedrohung sieht. Auf der anderen Seite steht ein Ehepaar (Thandie Newton, Terrence Howard), welches während einer Straßenkontrolle von dem Streifenpolizisten Ryan (Matt Dillon) belästigt wird...
Dies sind nun nur zwei der Handlungen, die in "L.A. Crash" thematisiert werden - über die gesamte Laufzeit wollen jedoch gut zwei Dutzend Charaktere zu ihrem Recht kommen, wobei die Probleme bezüglich dieses Werks bereits losgehen. Paul Haggis, der Drehbuchautor des meisterhaften Bond-Reboots "Casino Royale", bemüht sich redlich, jeder Figur seine eigene Geschichte zu geben und sie in den interessanten Kontext einzufädeln, dank der doch überraschend knappen Laufzeit von nur 107 Minuten gelingt ihm dies jedoch auf Dauer nicht. Gerade gegen Ende werden viele Plots doch sehr grob abgerissen, lose Fäden bleiben mehrere übrig und einige der versierten Stars (der Film ist in beinahe jeder Rolle mit einem bekannten Gesicht besetzt) bekommen hier erstaunlich wenig zu tun - die Auftritte von Sitcom-Star Tony Danza, dem großen Jack McGee oder "Armageddon"-Snob Keith David fallen dabei nurmehr Cameos zu, "Lost"-Star Daniel Dae Kim darf gerade einmal einen Satz sprechen.
Gut, nun ist das in Episodenfilmen beizeiten keine Seltenheit, dennoch fühlt sich "L.A. Crash" nach einer bärenstarken ersten Hälfte, während welchen die einzelnen Figuren in für sie prikäre Situationen rutschen, doch ziemlich überfüllt an. Haggis schafft es dennoch, sich recht achtsam aus der Affäre ziehen, indem er seinen Themen enorm viel Gewicht verleiht und dabei besonders Einzelszenen Glanz gibt: Der Moment, als ein Streifenpolizist zu einer jungen Dame ins Auto huscht, um sie zu retten, ist dabei so intensiv und markerschütternd, dass einem die Luft wegbleibt. Von solchen Szenen hat "L.A. Crash" mehrere zu bieten, sodass sich der Film weit über dem normalen Kinostandard positionieren kann... er verpasst es dann aber, doch noch einen Schritt weiterzugehen. Viele Geschichten werden nicht auserzählt oder werden gegen Ende in Klischees, die vermeidbar gewesen wären, erstickt - es ist dabei ein leichtes, den Film als naiv zu bezeichnen, auch wenn man sich freuen darf, dass er bei all seiner Konsequenz und Intensität sein Herz noch am rechten Fleck hat.
Trotzdem wirkt das alles ein wenig wirr bei einem Film, der um intensive Realität bemüht ist und dicke Themen wie Rassismus, Fremdenhass und Vorurteilen anpackt. All diese Themen bekommen viel Raum und werden in prägnanten Einzelmomenten passend dargestellt, Klischees werden erfüllt, um anschließend mit stoischer Rasanz wieder gebrochen zu werden. Dadurch erhält "L.A. Crash" einen echten Sog, der mit der Zeit nachlässt und gegen Ende, wenn Fäden zueinanderlaufen oder simpel und mutlos fallengelassen werden, ins Kitschige abdriftet, aber angesichts der grandiosen Inszenierung dennoch zu packen versteht.
Unter dem namhaften Star-Ensemble, welches sich sonst gerne in Blockbustern tummelt (unter anderem "Die Mumie"-Star Brendan Fraser, Sandra Bullock, Don "Iron Patriot" Cheadle und der aus dem "Fast & Furious"-Franchise bekannte Chris Bridges) stechen vier besonders heraus: Terrence Howard ist schlichtweg legendär gut, neben ihm blüht seine Filmfrau Thandie Newton, bekannt aus "Mission: Impossible" und "2012" noch einmal mehr auf und zeigt eine brillante, entblätternde Performance. In der Storyline der beiden spielt neben Ryan Philippe in einer für ihn wunderbar untypischen Rolle auch Matt Dillon mit, der als die Grenzen überschreitender Rassist einige aufwühlende Szenen hat und sogar für einen Oscar nominiert wurde. Eine handfeste Überraschung ist auch der Auftritt von "Iron Man"-Star Shaun Toub, der in einem Plot mit Michael Pena zu stoischer Wut läuft... da er sich in seiner Welt unverstanden und schlecht behandelt fühlt.
Fazit: Der umstrittene Oscargewinner bringt seine etlichen Plots nicht gleichwertig genug auf den Punkt, verstrickt sich besonders gegen Ende und lässt interessante Fäden fallen. Trotzdem gereichen einige grandiose, intensive Einzelszenen und ein starkes Ensemble, kombiniert mit einer brillanten Inszenierung und knackscharfen Dialogen bei komplexer Thematik für einen in Erinnerung bleibenden Film.
Note: 3+
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